Legale Cannabis-Verkäufe in Europa – die ersten Learnings

by Moritz Förster

Auch wenn Abgeordnete der SPD im Dezember durch unqualifizierte öffentliche Äußerungen vielerorts ratloses Kopfschütteln hervorgerufen haben, geht der Dezember 2023 als historischer Monat in die europäische Cannabis-Geschichte ein. In den Niederlanden verkaufen Coffee Shops in den Gemeinden Tilburg und Breda erstmals in der EU vollständig legal produziertes und distribuiertes Cannabis als Genussmittel. Und in der Schweiz eröffneten im Rahmen von Grashouse-Projects die ersten legalen Cannabis-Fachgeschäfte Europas. Zugleich zeigen die Beispiele aus den Niederlanden und der Schweiz, wie viel Spielraum Deutschland bei der Ausgestaltung der in Säule zwei geplanten Pilotprojekte hat – und wie lange es dauern kann, bis die ersten Pilotprojekte anlaufen. Die wichtigsten Learnings.

Es braucht Zeit: In den Niederlanden hatte bereits ein Passus im Koalitionsvertrag von 2017 den Weg für den Verkauf von legal produziertem Cannabis geebnet. Im Januar 2019 wurde ein erster Gesetzesentwurf vom Abgeordnetenhaus verabschiedet. Fast fünf Jahre nach diesem Gesetzesentwurf verkaufen nun die Coffee-Shops in Tilburg und Breda legal produziertes Cannabis – und das auch nur, weil sie die beiden Gemeinden mit einer eigenen Startup-Phase vorgeprescht sind, statt zu warten, bis alle zehn Gemeinden die immer noch währende Vorbereitungsphase durchlaufen haben. Über den langen Weg der Niederlande zum ersten legalen Gras hatten wir bereits im Podcast krautgeplauder mit Patrick Stevens debattiert.

Wer darf konsumieren? In den Niederlanden können alle volljährigen Bürgerinnen und Bürger, oftmals auch ohne Wohnsitz in den Niederlanden, in den teilnehmenden Coffee-Shops legal produziertes Gras erwerben. Es reicht, sich entsprechend als volljährige Person auszuweisen. Anders in der Schweiz: Dort lief bereits im Januar 2023 das erste Pilotprojekt an. Im Rahmen von Weed-Care können Schweizer Cannabis-Konsument:innen in Basel seitdem ganz legal produziertes Cannabis in neun Apotheken erwerben. Allerdings gilt dies nur für die 374 Probanden der Studie – und die Hälfte dieser Teilnehmenden musste sogar noch weitere sechs Monate warten. Im Projekt “Grashaus Projects”, in dem die Sanity Group über ihre Schweizer Tochterfirma die Abgabe in den Verkaufsstellen übernimmt, können immerhin maximal 3.950 Cannabis-Konsument:innen teilnehmen. Weitere Pilotprojekte in der Schweiz sind bereits angelaufen. In allen ist die Zahl der Teilnehmenden begrenzt.

Abgabestellen: Während in den Niederlanden die Coffee Shops Abgabestelle bleiben, allerdings zukünftig ihr illegal eingekauftes Gras durch legale Ware ersetzten, verkaufen in der Schweiz vorrangig Apotheken Cannabis legal als Genussmittel. In Zürich (“Züri Can”) verkaufen ergänzend dazu auch Cannabis Social Clubs, im Projekt “Grashouse Projects” das von der Sanity Group aufgebaute Fachgeschäft.

Darreichungsformen: Im Falle von “Grashouse Projects” können Konsument:innen laut Sanity Group verschiedene THC-haltige Cannabiserzeugnisse erwerben – von getrockneten Blüten über Haschisch, Extrakte und Vape-Liquids bis hin zu Edibles.

Datenspeicherung: Während es in den Niederlanden reicht, sich auszuweisen – in acht Gemeinden sollen alle Volljährigen legal produziertes Cannabis erwerben dürfen, in zwei Gemeinden ausschließlich Erwachsene mit Wohnsitz in den Niederlanden –, werden in der Schweiz die Daten über das Konsumverhalten der Probanden gespeichert. Die Probanden müssen halbjährlich einen Online-Fragebogen ausfüllen. Die Verantwortlichen der Studie versichern, dass nur die Forschungs- und Projektleitung des Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF) Zugriff auf unverschlüsselte Daten habe. Dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) sollen nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden.

Das Ziel der Studie spielt eine entscheidende Rolle: Soll herausgefunden werden, ob die illegale inländische Produktion zurückgedrängt werden kann? Oder wie sich die Qualität der verfügbaren Sorten verändert? Oder soll hingegen erforscht werden, wie sich das Konsumverhalten durch eine Legalisierung verändert? Das sind nur ein paar mögliche Forschungsfragen. Der Soziologe Bernd Werse von der Goethe Universität Frankfurt, und der Volkswirt Justus Haucap, Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, hatten im Podcast krautgeplauder zudem daraufhin gewiesen, wie wichtig vor diesem Hintergrund auch unterschiedliche Gestaltungsspielräume in unterschiedlichen Regionen sein können, um bessere Vergleiche zu ermöglichen.

Übrigens: Zwar bezweifeln Viele, dass die Säule zwei in Deutschland noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht wird, aber selbst viele Kritiker der Säule eins und auch CDU-Politiker wie Erwin Rüddel sind bekennende Befürworter von Modell-Projekten.

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