Das große Rätselraten um die Pilotprojekte – Gesetz, Verordnung, Blockade im Bundesrat?

by Moritz Förster

Kommen die Cannabis-Pilotprojekte noch in dieser Legislaturperiode? Wie der Deutsche Hanfverband berichtet, sollen die Modellprojekte nicht durch ein eigenes Gesetz, sondern durch eine Anpassung des Cannabis-Gesetzes (CanG) realisiert werden. Die große Frage lautet, ob dadurch die Zustimmung des Bundesrats gänzlich entfallen kann. Der ursprüngliche Plan im Eckpunktepapier sah noch vor, Säule zwei in einem eigenen Gesetz zu regulieren, dem der Bundesrat zustimmen müsste – Ausgang komplett offen wie krautinvest.de durch Anfragen an alle Landesregierungen, in denen CDU oder CSU den Ministerpräsidenten stellen, sowie an die Landesregierung von Baden-Württemberg erfahren hat. In Bayern zeichnet sich bereits Widerstand ab.

Auf Anfrage von krautinvest.de hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vergangene Woche noch verlauten lassen, dass zusammen mit den beteiligten Ressorts Vorbereitungsarbeiten “z.B. zu den Modellregionen oder zu den künftigen Kontrollstrukturen” laufen würde und offiziell noch keine Informationen geteilt werden könnte. Anders hört sich dies nun beim Hanfverband an: Ein Entwurf für eine “Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung (KCanWV)” lege nahe, dass die Modellprojekte im Rahmen des bestehenden CanG realisiert werden sollen, so die Interpretation.

Auch der Branchenverband der Cannabiswirtschaft (BvCW) greift das Thema auf. Der Verband habe ebenfalls eine gleichlautende Aufforderung zu einer Stellungnahme zur Umsetzung der Verordnung erhalten. Diese könne laut BvCW als Umsetzung der Säule zwei gelten – allerdings “möglicherweise nur als erster Schritt”. Laut BvCW könne dies eine “vereinfachte – und damit auf den ersten Blick – sehr praktikable Umsetzung der sogenannten Säule 2 ohne weitere Gesetzesänderung darstellen”. Der BvCW schränkt allerdings ein, dass es “bislang noch keine Kriterien für die Genehmigung im BLE zu geben” scheine.

Konkret besagt die Verordnung, dass das BLE durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates “die für die Erteilung der Erlaubnis… und die für die Überwachung sowie für die Durchführung der… Regelungen zuständige Bundesbehörde” festlege. Durch diese Verordnung werde die BLE als zuständige Behörde benannt, “um Lizenzen für Pilotprojekte zu erteilen.” Ein zusätzliches Gesetz sei nicht mehr erforderlich.

Das wäre in der Tat eine große Überraschung: Denn anders als beim CanG lautete der Tenor, bis dato, dass es sich bei einem möglichen Gesetz für die zweite Säule nicht um ein Einspruchs-, sondern um ein Zustimmungsgesetz handele. So war es auch im zweiten Eckpunktepapier niedergeschrieben. Stimmt der Bundesrat einem solchen neuen Gesetz wiederum nicht zu, scheitert das Gesetz. Und wie das CanG gezeigt hat, müssen sich die in den Ländern regierenden Koalitionen für Ja-Stimmen einig sein. Ansonsten gilt eine Stimme, wie im Fall von Sachsen, als ungültig. Solche ungültigen Stimmen oder Enthaltungen fallen wie “Nein”-Stimmen ins Gewicht. Im Fall des CanG begünstigte dies die Verabschiedung des Gesetzes und verhinderte das Einschalten des Vermittlungsausschusses, für den einige CDU- und auch SPD-Politiker im Vorfeld getrommelt hatten. Für dessen Einberufung wäre schließlich eine Mehrheit an Ja-Stimmen erforderlich gewesen.

Für ein neues Gesetz für die Pilotprojekte wäre die Ampel-Regierung dagegen auf eine absolute Mehrheit im Bundesrat angewiesen. krautinvest.de fragte vor diesem Hintergrund Ende letzter Woche, also noch vor Bekanntwerden der Informationen des Hanfverbandes, bei allen von der CDU- oder CSU regierten Bundesländern an, ebenso bei Baden-Württemberg, das von den Grünen und CDU regierte Land hatte im Falle des CanGs für den Vermittlungsausschuss gestimmt.

Die Sprecher von Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Berlin und Sachsen-Anhalt wollten keine Auskünfte über ihr mögliches Abstimmungsverhalten über Pilotprojekte im Bundesrat geben. Aus Berlin hieß es ergänzend dazu, dass das das “Stimmverhalten im Bundesrat auf Basis der Ausschussberatungen sowie der daran anschließenden Koordinierung mit den Senatsverwaltungen und dem Koalitionspartner” festgelegt werde. Dagegen gibt es aus Bayern bereits Gegenwind: Eine Sprecherin erklärt, Bayern sei gegen den Vertrieb von Cannabis zu Genusszwecken über kommerzielle Strukturen und bezeichnet “die Etablierung solcher Strukturen” als klaren “Verstoß gegen das Völker- und Europarecht”. Lizenzen für Modellprojekte zu erteilen, käme für Bayern nicht in Betracht. “Entsprechende Modellprojekte wären nichts anderes als ein untauglicher Versuch der Umgehung der völker- und europarechtlichen Vorgaben”, so bereits jetzt der Vorwurf.

Besonders interessant ist zudem die Auskunft aus Sachsen-Anhalt. Wie ein Sprecher des Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung mitteilt, laufen dort innerhalb der Landesregierung die finalen Ressortabstimmungen zwischen dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und dem Ministerium des Inneren und Sport. Noch in der ersten Maihälfte sollen “die Zuständigkeiten koordiniert” sein.

Eine Mehrheit für ein Gesetz für Pilotprojekte würde – anders als beim CanG – im Bundesrat am seidenen Faden hängen. Die kommenden Wochen werden nun zeigen, ob solche Gedankenspiele hinfällig sind oder die Schlüsse des Hanfverbandes und des BvCW etwas voreilig warne.

Mehr zum Thema

Leave a Comment