CanG im Vermittlungsausschuss? Lose-Lose statt Win-Win!

Politisches Eigentor

by Gastautor

Von Niklas Kouparanis, Co-Founder und CEO der Bloomwell Group 

Fast zwei Drittel der Abgeordneten stimmten im Bundestag für das CanG. Eine überwältigende Mehrheit, die damit allem Anschein nach das Ende der jahrzehntelangen und laut Expertenmeinung gescheiterten Cannabis-Prohibition eingeleitet hat. Doch kaum denkt man, dass nach all den Querelen aus dem vergangenen Jahr endlich Klarheit herrscht, macht ein möglicher Vermittlungsausschuss die Runde. Für die bestehende medizinische Cannabis-Industrie, tausende Patient:innen und Patienten sowie aktuell kriminalisierte Konsument:innen wäre dieser Schritt fatal. Er wäre aber eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl auch ein politisches Eigentor der aktuell in Berlin regierenden Parteien. Eine weitere Verzögerung würde nämlich vor allem eines produzieren: Verunsicherung. 

Rückblick 2023: Im April erfolgt die Rolle rückwärts in Sachen CanG. Entkriminalisierung von Cannabis als Genussmittel statt einer von professionellen Unternehmen aufgebauten legalen Wertschöpfungskette. Im Herbst verschiebt die Ampel dann mehrere Termine im Gesetzgebungsprozess. Ohnehin verunsichern CDU und CSU durch Gutachten und öffentliche Statements fortlaufend die bestehende Industrie. Höhepunkt sind Ende 2023 die so genannten “Brandbriefe” aus der eigenen Reihe von SPD-Abtrünnigen. Angesichts all dieser Auf und Abs stecken die Stakeholder der bestehenden medizinischen Industrie in der Zwickmühle: Diesen historischen Moment will jeder federführend mitgestalten, aber niemand weiß so recht, wann was genau reguliert wird. 

Denn jenseits der Entkriminalisierung von Konsum und des Anbaus zu Hause und in Clubs ist das CanG vor allem eine gute Nachricht für Patient:innen: Zukünftig als Rx-Medikament, nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft, können erheblich mehr Patient:innen von einer Therapie mit medizinischem Cannabis profitieren; die große Zahl der Selbstzahler:innen zu deutlich günstigeren Kosten. Zudem dürfte sich die anhaltende Stigmatisierung in der Medizin durch den verringerten Aufwand für alle Beteiligten von produzierenden und verarbeitenden Unternehmen über die verordnenden Ärztinnen und Ärzte bis zur Apotheke deutlich verringern. Die aktuell stark limitierte Produktion in Deutschland wird durch das CanG liberalisiert. 

Der Bedarf an medizinischem Cannabis wird, tritt das CanG wie vorgesehen am ersten April in Kraft, in die Höhe schießen, da sind sich alle Beteiligten weitestgehend einig. Für die Digitalisierung der Therapie ergeben sich ganz neue Perspektiven – Stichwort eRezept. Die Uhr tickt und medizinische Cannabis-Unternehmen haben sich längst in Stellung gebracht, um ab ersten April – also in nicht einmal einem Monat – ein neues Zeitalter in Deutschland zu prägen. Vorausgesetzt, der Vermittlungsausschuss funkt nicht kurz vor der Zielgerade dazwischen. 

Auf die geschilderten Szenarien hat sich die medizinische Cannabis-Branche vorbereitet. Unternehmerische Entscheider:innen können nicht warten, bis alles in Stein gemeißelt ist – wer in der Wirtschaft das Momentum verpasst, verliert den Anschluss. Und der erste April steht quasi vor der Tür. Im Übrigen hatte selbst die Opposition Anfang des letzten Jahres einen verbesserten Zugang zu medizinischem Cannabis gefordert und in einem entsprechenden Antrag die hohen administrativen Hürden angeprangert. 

Die Argumente, die nun herangezogen werden, sind offensichtlich fadenscheinig: In Malta gründeten sich die ersten Cannabis Clubs bereits 2022. Das Land, ebenfalls Teil der EU, hat bis dato keine Konsequenzen aufgrund eines Bruchs des Völkerrechts erlitten. Kanada hat Cannabis als Genussmittel komplett legalisiert und exportiert medizinisches Cannabis ununterbrochen seit 2017 nach Deutschland. Ein Vermittlungsausschuss würde völkerrechtliche Herausforderungen nicht lösen. Ein Anpassen der völkerrechtlichen Verträge ist dringend erforderlich, Fahrt nimmt dieser mühselige Prozess aber nur auf, wenn sich mutige Pioniere aus der Deckung wagen. 

Noch absurder ist der Einwand, die Länder wären mit der Amnestie derjenigen überfordert, die laut CanG nun Anspruch auf eine Löschung ihrer Einträge im Strafregister haben. Einerseits wetterte die Opposition im Bundestag noch, dass durch das CanG die Justiz nicht entlastet werde; andererseits verweist sie darauf, dass bislang so viele Menschen wegen ein paar Gramm Cannabis bestraft werden, dass eine Amnestie die Justiz überfordere? Es zeigt sich, dass die wirklich dringenden Fälle überschaubar sind. Die Übergangsphase nach dem Eintreten des Gesetzes weiter hinauszuzögern, verringert den Aufwand auch nicht. Im Gegenteil: Jeden Monat kommen neue Fälle hinzu. Es geht schlicht darum, diese Amnestie möglichst effektiv anzupacken! 

Das Ganze ist umso trauriger, da etwa in NRW nun auch die Grünen den Vorstreitern auf Bundesebene in den Rücken fallen und sich für einen Vermittlungsausschuss aussprechen. Und eines ist klar: Ohne Unterstützung der in Berlin regierenden Parteien, wird es nicht zum Vermittlungsausschuss kommen. Die Länder, die von einer Partei regiert werden, die auf Bundesebene für das CanG gestimmt hatten, halten 36 von 69 Stimmen im Bundesrat (inklusive Linkspartei). Noch deutlicher die persönliche Präsenz – rund 64 Prozent der Politiker:innen im Bundesrat gehören eigentlich einer Pro-CanG-Partei an. 

Diese sollten sich klar sein, dass durch das Einberufen eines Vermittlungsausschusses nicht nur der Gesetzgebungsprozess eine überflüssige extra Runde dreht. Für die medizinische Industrie entstehen durch bereits getätigte Investitionen laufende Kosten. Die Versorgung der Patient:innen bleibt mühselig. Und Konsument:innen werden weiterhin verfolgt und bestraft. SPD, Grüne und FDP machen sich rund eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl in dem öffentlichkeitswirksamen Thema komplett zur Lachnummer. Ein Vermittlungsausschuss wäre eine Steilvorlage für das konservative Lager, das CanG weiter zu attackieren. Lose-Lose statt Win-Win – und das, obwohl die Zielgerade nur noch einen letzten Schritt entfernt ist. 

Über den Autor

Niklas Kouparanis ist Co-Founder und CEO der Bloomwell Group aus Frankfurt, einem der führenden europäischen Cannabis-Unternehmen.

Disclaimer: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

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2 comments

Christoph März 15, 2024 - 10:32 pm

CanG jetzt! Kein Vermittlungsausschuss!

Hallo,

es sind nicht so viele Fälle zu prüfen in Sachen Cannabis Amnestie! Es ist höchste Zeit für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland! Die Bevormundung und Verbotspolitik ist gescheitert und schadet mehr, als sie nützt! Kein Vermittlungsausschuss Teillegalisierung ab 01.4.24!!
Der Schwarzmarkt möchte die Leute an gefährliche Drogen heranführen und verstreckt Cannabis hochgefährlich! Mit dem steuerfreien Geld finanziert er Terror, Menschen und Waffenhandel…

” Der Gesundheitsminister sagte den Funke-Zeitungen, dass die Kritik an der Amnestie der Cannabisstraftäter „massiv übertrieben“ sei. „Der Aufwand ist vertretbar“, betonte Lauterbach. „Niemand soll im Gefängnis bleiben müssen, weil den Gerichten eine Stunde Arbeit erspart werden soll.“ (epd)”

https://www.tagesspiegel.de/politik/haftentlassung-nach-cannabis-legalisierung-bund-geht-von-bis-zu-7500-pruffallen-von-straftaten-aus-11335903.html?fbclid=IwAR1ob77JNlJoZ95phmBRomxEjM68V9f4dsYOhX0UMdVXroUzWfUvhZjJ3Lg

Das sehen auch viele Experten so das es höchste Zeit für die Legalisierung von Cannabis ist!
Jetzt mit machen bei der Mailaktion des Deutschen Hanf Verbandes !

https://www.youtube.com/watch?v=wPZOslEeOOE&t=15s

Lasst es nicht zum Vermittlungsausschuss kommen! Meine Stimme werdet ihr verlieren wenn doch!

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Barcza Barnabas März 21, 2024 - 10:52 am

Im Dezember 2023 wurden aus der JVA Gablingen in Bayer Häftlinge bereits entlassen, die nur noch wenige Gram Cannabis Besitz wegen in U-Haft sassen. Das habe ich in einem Fall mit eigene Augen gesehen. Und das in Bayern, 2023! noch. Eine Ausrede, dass die Amnestie die Justiz überlastet, ist somit Framing.

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