Das niederländische Cannabis-Experiment – erste legale Lieferung Mitte Dezember

Was plant unser Nachbar?

by Hande Savus

Es hat eine Weile gedauert, aber nun geht es wohl los. Zumindest werden die Fragezeichen kleiner. Zwar nicht wie geplant, aber immerhin. Zwei niederländische Gemeinden haben in Rahmen des Pilotprojekts die Startup-Phase initiiert statt auf die vorgesehene “Übergangsphase” zu warten. In Breda und Tilburg beliefern drei Produzenten ab Mitte Dezember die dort ansässigen Coffeeshops zukünftig legal mit kontrolliert hergestelltem Cannabis. Die Hintergründe.

Das niederländische Pilotprojekt, das sich immer noch in der Vorbereitungsphase befindet, soll Auswirkungen der regulierten und kontrollierten Lieferung von Cannabis an Coffeeshops analysieren. So beliefern Produzenten Coffeeshops in ausgewählten Gemeinden mit lokal legal, statt wie bisher mit illegal hergestelltem Cannabis. Das Experiment zielt auch darauf ab, die gesellschaftlichen Auswirkungen einer regulierten Cannabis-Lieferkette auf Kriminalität, Sicherheit, öffentliche Belästigung und öffentliche Gesundheit zu messen, zu bewerten und zu analysieren.

Aufbau des Experiments

Die lange Vorbereitung

Das Experiment basiert auf einen entsprechenden Passus im Koalitionsvertrag von 2017.  Auf dem Weg zum Experiment wurde zunächst die bestehende Gesetzgebung geändert. Anschließend empfahl ein unabhängiger Beirat, wie das Experiment aufgebaut werden könnte. Ein Gesetzentwurf zur kontrollierten Lieferkette von Cannabis wurde am 22. Januar 2019 vom Abgeordnetenhaus und am 12. November 2019 vom Senat verabschiedet. Darin wurden unter anderem die Bedingungen festgelegt, die Produzenten und Verkäufer im Rahmen des Experiments erfüllen müssen.

5 Phasen des Experiments – Details zum aktuellen Stand
  • Vorbereitungsphase
  • Anlaufphase (maximal sechs Wochen)
  • eine Übergangsphase
  • Probephase (mindestens vier Jahre)
  • Abschlussphase

Das Ministerium für Justiz und Sicherheit und das Ministerium für Gesundheit, Soziales und Sport koordinieren das Experiment. Auf Anfrage von krautinvest.de gab das Ministerium für Gesundheit, Soziales und Spot einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen und Prozesse des Experiments.

Demnach befinde sich das Experiment derzeit noch immer in der Vorbereitungsphase. Mehrmals war der Start dieser Phase verschoben worden. In der Übergangsphase sollen die teilnehmenden Coffeeshops neben dem geduldeten Verkauf von illegal produziertem Cannabis auch Cannabisprodukte der für diesen Versuch ausgelosten Erzeuger verkaufen dürfen. Diese Übergangsphase soll sechs Wochen dauern, bevor die eigentliche vierjährige ‘Versuchsphase’ beginnt.

Da die geplante Übergangsphase aber bereits mehrmals verschoben wurde, habe die niederländische Regierung beschlossen, eine weitere Phase einzuführen – die Start-Up-Phase. Die Bürgermeister*innen von Breda und Tilburg hatten diese ins Leben gerufen, um in kleinem Rahmen Erfahrungen mit einer kontrollierten Lieferkette sammeln zu können. Während dieser Phase werden die Coffeeshops weiterhin illegal produziertes Cannabis von bestehenden Lieferanten im Rahmen der Toleranzpolitik beziehen. Die Start-Up-Phase wird mit drei Züchtern beginnen, die die Coffeeshops in Breda und Tilburg ab dem 15. Dezember 2023 beliefern werden.

Das Ministerium schätzt, dass die eigentliche Übergangsphase für alle zehn ausgewählten Gemeinden frühestens Ende des ersten Quartals 2024 beginnen wird.

Ausgewählte Gemeinden 

Prinzipiell ist das Experiment groß angelegt und soll in zehn Gemeinden durchgeführt werden: Almere, Arnhem, Breda, Groningen, Heerlen, Voorne aan Zee, Maastricht, Nijmegen, Tilburg und Zaanstad.

Auf Anfrage von krautinvest.de erklärten die zuständigen Ministerien, dass sich die Kommunen vor Beginn des Versuchs um eine Teilnahme beworben hätten. Von 23 Gemeinden, die Interesse bekundet hätten, seien zehn ausgewählt worden. Die Auswahl sei im August 2019 auf Empfehlung eines unabhängigen Beirats unter Leitung von Professor André Knottnerus erfolgt.

Eine der grundlegenden Überlegungen sei gewesen, möglichst viele Regionen des Landes in das Experiment einzubeziehen. Die geografische Verteilung spiegele sich daher in der Auswahl der Gemeinden wider: Aus jeder Provinz, aus der sich eine geeignete Gemeinde zur Teilnahme angemeldet hatte, wurde mindestens eine Gemeinde nominiert. Maximal wurden zwei Kommunen aus der gleichen Provinz nominiert. Die derzeitige Koalition beabsichtige zudem, das Experiment um eine elfte Gemeinde (Amsterdam-Oost) zu erweitern. Das Kabinett habe diesen Vorschlag bereits am 29. September 2023 angenommen und die Gesetze und Verordnungen würden derzeit angepasst, damit das Experiment auch in dieser elften Gemeinde durchgeführt werden könne, so das Ministerium für Gesundheit, Soziales und Sport.

Coffeeshops

73 Coffeeshops aus den zehn Gemeinden nehmen an dem Experiment teil – die Coffeeshops der elften Gemeinde sind in dieser Zahl noch nicht berücksichtigt. Die teilnehmenden Coffeeshops dürfen in den nächsten vier Jahren nur legal produziertes Cannabis verkaufen.

Im Rahmen der Studie werden Daten aus diesen zehn, zukünftig wohl elf, teilnehmenden Gemeinden und jeweils einer Vergleichsgemeinde erhoben, in der das tolerierte Angebot weiterhin gilt. Diese Vergleichsgemeinden wurden so ausgewählt, dass sie hinsichtlich ihrer Charakteristika möglichst mit den teilnehmenden Gemeinden vergleichbar seien.

Regionale Cannabis-Anbauer

Das Cannabis soll legal von zehn niederländischen Erzeugern produziert werden. Nach Angaben des Ministeriums für Sport und Gesundheit haben diese bereits damit begonnen, lokale Genehmigungen zu beantragen. Während des gesamten Versuchszeitraums dürfen nicht mehr als zehn Produzenten Cannabis anbauen und verkaufen. Die Kriterien und das Verfahren für die Auswahl der Produzenten seien in der Verordnung über das Experiment zur kontrollierten Cannabis-Lieferkette festgelegt worden. Weitere Informationen über die Erzeuger, wie zum Beispiel deren Namen, will das Ministerium für Gesundheit, Soziales und Sport nicht publik machen.

Überwachung des Experiments

Während der Vorbereitungsphase und während des Experiments werden Forscher*innen den Verlauf und die Ergebnisse überwachen. Außerdem sei ein unabhängiger Beratungs- und Bewertungsausschuss festgelegt worden, der die Forscher*innen kontrolliert und das Experiment auswertet. Das Ministerium für Gesundheit, Soziales und Sport teilt weiter mit, dass die wesentliche Forschung von einem unabhängigen Forschungskonsortium im Auftrag des wissenschaftlichen Forschungs- und Dokumentationszentrums (WODC) durchgeführt werde. Das Forschungskonsortium werde dabei von einem unabhängigen Beratungs- und Evaluierungskomitee beaufsichtigt, das per Gesetz eingerichtet worden sei. Dieser Ausschuss habe die gesetzliche Aufgabe, die Untersuchung zu überwachen und auf der Grundlage der Auswertung eigene Feststellungen und mögliche Empfehlungen zu formulieren.

So schön sich dies in der Theorie anhört, bestand die Praxis bis dato vor allem aus einem: Verzögerungen. Der 15. Dezember könnte daher ein Meilenstein für die legale Cannabis-Wertschöpfungskette bedeuten. Dann könnte erstmalig innerhalb der EU, bis dato starteten Cannabis-Pilotprojekte in Europa in der Schweiz, legal produziertes Cannabis über die Ladentheke gehen.

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