Positionen zur Zukunft von medizinischen Cannabisblüten – ABDA vs. GKV

Stellungnahmen

by Moritz Förster

Interessenvertreter aus Pharma und Medizin sind sich immer noch uneins, wie medizinische Cannabisblüten zu beurteilen sind – und was sie vom gegenwärtigen Entwurf des CanG halten sollen. Während der GKV-Spitzenverband gleich die Erstattung für verordnete Cannabis-Blüten abschaffen will, fordert die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), medizinische Cannabis-Blüten in den vorhandenen Arzneimitteln-Gesetzen zu regulieren, statt ein neues, eigenes Gesetz zu kreieren.

Wenn Cannabis-Blüten ohnehin in Clubs oder zu hause für den eigenen Bedarf angebaut werden können, wieso sollten die gesetzlichen Krankenkassen dann medizinische Cannabis erstatten? Markus Veit, Geschäftsführer von Alphatopics, hatte via Linkedin auf die Stellungnahme des GKV-Spitenzverbands zum CanG hingewiesen, die inzwischen auch krautinvest.de vorliegt. “Der vorliegende Gesetzentwurf sollte daher auch zum Anlass genommen werden, die Leistungspflicht für Cannabis in Form von getrockneten Blüten im Rahmen des § 31 Absatz 6 SGB V zu überprüfen. Mit standardisierten Extrakten und Fertigarzneimitteln auf Basis von Cannabis stehen für den medizinischen Einsatz besser geeignete Optionen zur Verfügung”, heißt es dort. Der GKV-Spitzenverband hinterfragt mit diesem Vorstoß daher nicht etwa die Frage, ob und wie Cannabisblüten medizinisch wirken. Schließlich verweist er explizit auch auf cannabinoidbasierte Fertigarzneimittel und Extrakte.

So stört sich der GKV an dem Naturprodukt „Blüte“. Dass einige Entscheider in der medizinischen Welt damit Bauchschmerzen haben, zeigte sich im Frühjahr auch bei der leidigen Diskussion des G-BA über eine neue Beurteilung von medizinischem Cannabis – Fertigarzneimittel und Extrakte seien vorrangig zu behandeln, lautete die finale Schlussfolgerung.

Nun gibt es gute Argumente, dafür, dass zumindest in der Theorie medizinische Cannabisblüten nicht gleich gewöhnliche Cannabis-Blüten sind. Zum einen ist da die Standardisierung – THC und CBD sollen je Charge maximal zehn Prozent nach oben oder unten vom angegebenen Wert abweichen – zum anderen strenge Standards für Anbau, Weiterverarbeitung und Logistik – also GACP, EU GMP und GDP. Die Idee dahinter: Chronisch erkrankte Menschen, die regelmäßig Cannabisblüten einnehmen, sollen sicher sein, dass diese nicht von Pilzen und Bakterien befallen oder anderweitig verunreinigt sind – und sehr genau wissen, welche Wirkstoffe sie in welcher Höhe einnehmen.

Nicht zu vergessen ist, dass, selbst wenn medizinisches Cannabis wie im CanG vorgesehen nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft wird, für dieses zwar kein BtM-, immer aber noch ein “normales” Rezept erforderlich ist. Ohne ärztliche Verordnung kein medizinisches Cannabis. Und selbst im Falle der hypothetischen Situation, dass die Blüten der Cannabis Clubs zukünftig an die Qualität der für medizinische Zwecke erzeugten Blüten heranreichen: Schwer erkrankte Menschen zu verdonnern, ohne ärztliche Begleitung auf eigene Faust ihr Therapie-Glück in einem Club zu versuchen, ist nicht Sinn und Sache der Entkriminalisierung und auch nicht Aufgabe der Clubs – wie auch Henry Wieker und Georg Wurth im Podcast anmahnen.

Käme der GKV mit seinem Vorstoß durch, blieben Patient:innen, die den vorgesehenen Weg über den Arzt gehen, schlussendlich zwei Optionen: Für die voraussichtlich weiterhin in der Apotheke verfügbaren medizinischen Cannabis-Blüten selber zahlen aus der eigenen Tasche oder aber auf cannabinoidbasierte Fertigarzneimittel umzusteigen.

Was den GKV bei allen Vorbehalten gegen medizinische Cannabis-Blüten und seiner offensichtlichen Präferenz für Fertigarzneimittel zum Umdenken. bewegen könnte: Legt man den Apothekenverkaufspreis je 1.000 Milligramm THC zu Grunde, sind Cannabisblüten mit 100 Euro das günstigste Cannabinoid-haltige Arzneimittel, bei Sativex kostet die gleiche Menge THC mehr als viermal so viel. Das zumindest ergab eine eigene Berechnung von Micha Knodt für krautinvest vor rund zwei Jahren. Angesichts der seitdem sinkenden Blüten-Preise dürften Blüten aus Kostensicht für die GKV sogar eher wirtschaftlicher geworden sein.

Rein ökonomisch scheinen sich die GKV fast ein Eigentor schießen zu wollen. Zu erklären ist der Vorstoß daher eher mit der großen Furcht, dass sich “Kiffer” durch die Hintertür ihr Cannabis von der Allgemeinheit finanzieren lassen. Bereits die BfArM-Begleiterhebung hatte denjenigen, die zwischen den Zeilen lesen wollten, für solche Vorurteile Futter geliefert.

Glücklicherweise, zumindest aus Sicht der Patient:innen, bei denen ihre GKV die Kosten für medizinisches Cannabis aktuell übernimmt, gibt es durchaus auch andere Stimmen zum CanG. So scheint beispielsweise die ABDA in vielerlei Hinsicht eine entgegengesetzte Auffassung zu vertreten: Statt eigens im CanG sollten Cannabis-Blüten doch als ganz gewöhnliches Arzneimittel im bestehenden Arzneimittelgesetz reguliert werden. Die mahnenden Worte in einer Stellungnahme zum CanG: “Es bedarf keiner parallelen Regelungen in einem Medizinal-Cannabisgesetz, die geeignet sind, Wertungswidersprüche zwischen den neuen cannabisrechtlichen Vorschriften sowie arzneimittelrechtlichen und apothekenrechtlichen Vorschriften hervorzurufen. Es besteht die Gefahr, dass die beabsichtige Parallelität dazu führt, dass Medizinal-Cannabis als eigenständiges Produkt und damit als Nicht-Arzneimittel eingestuft wird.”

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