Erleichterung nach G-BA-Urteil bei Cannabis-Patienten, Medizinern und in der Industrie

Aber wie geht es weiter?

by Redaktion

Lange Zeit ging alles ganz schnell, als der G-BA seine Beschlüsse am 16. März vorstellte. Einstimmig. Einstimmig. Einstimmig. Doch plötzlich setzt G-BA Chef Josef Hecken zu einem mini-Monolog an, bevor es zur Diskussion und schlussendlich zur Abstimmung kommen sollte. Die gesamte Cannabis-Industrie hatte auf diesen Moment gewartet: Wie wird die Kostenübernahme von medizinischem Cannabis zukünftig reguliert?

Zur Debatte stand im Vorfeld unter anderem, dass Verordnungen von Hausärzten nicht mehr übernommen werden könnten und Cannabis-Blüten deutlich restriktiver als Fertigarzneimittel verordnet werden sollten. Am Ende im Plenum verabschiedet wurde folgender Satz: “Vor einer Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten ist zu prüfen, ob andere cannabishaltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen.” Der G-BA betonte bei diesem Beschluss in einer eigenen Pressemitteilung, dass es sich um keine zusätzlichen Anforderungen handele, “die über die gesetzlich zwingenden und für den G-BA verbindlichen Verordnungsvoraussetzungen hinausgehen”. Hecken dazu: “Die gefundenen Regelungen für die Verordnung von medizinischem Cannabis schöpfen den vom Gesetzgeber in § 31 Absatz 6 SGB V dem G-BA gegebenen Handlungsrahmen voll aus und sind ein fachlich ausgewogener und in der Versorgungspraxis sehr gut gangbarer Weg, um eine gute und rechtssichere Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung sicherzustellen.”

Entsprechend groß war die Erleichterung der Industrieteilnehmer. Bedrocan-CEO Jaap Erkelens ließ sich in einer Unternehmensmitteilung zitieren: „Unsere Erfahrungen aus Kanada und den Niederlanden lehren, dass solche Einschränkungen zur Unterversorgung leidender Patienten, sowie zur Verdrängung der Patienten in den Schwarzmarkt und in die medizinisch unbegleitete Selbstmedikation geführt hätten. Wir sind erleichtert, dass die Entscheider in Deutschland diese Gefahr erkannt haben, die mit der geplanten Liberalisierung von Freizeit-Cannabis noch weiter zunimmt. Vor dieser Liberalisierung sollte der Zugang zu medizinischem Cannabis für die Patienten daher nicht eingeschränkt, sondern erleichtert werden.” Und Finn Hänsel, Gründer der Sanity Group, ergänzt: “Besonders begrüßen wir, dass auf einen Facharztvorbehalt für die Verordnung von medizinischem Cannabis verzichtet wird.”

Allerdings ist spätestens seit der Hängepartie um den jetzigen G-BA-Beschluss klar: Die Versorgung von Patient:innen mit medizinischem Cannabis, zumindest mit getrockneten Blüten, hängt am seidenen Faden. Zukunft ungewiss. Entsprechend drängen auch Verbände wie der ACM, BDCan, BvCW, BPC, DMCDMCG, IABSP, SCM und VCA in einer gemeinsamen Mitteilung unisono auf Nachbesserung durch den Gesetzgeber. Alleine dass Mediziner, Industrie und Patientenvertreter umgehend und gemeinsam an einem Strang ziehen, zeigt die Relevanz der jetzigen Entscheidung. Die gemeinsame Forderung: “Wir rufen den Gesetzgeber und die Bundesregierung auf, für Rechts- und Versorgungssicherheit für die Patient:innen zu sorgen, indem das ‘Cannabis als Medizin’-Gesetz noch in diesem Jahr überarbeitet wird.” Die Verbände fürchten, dass die jetzt vorgelegte Arzneimittelrichtlinie nicht zu einer Entbürokratisierung für Patient:innen und Ärzt:innen führe, sondern auch durch zusätzlich geschaffene Unsicherheiten eher dem entgegen laufe.

So warnt Copeia in einer Mitteilung des Unternehmens: “Eine wesentliche Änderung ist die Anforderung, dass bei der Verordnung von getrockneten Blüten oder Extrakten zu prüfen ist, ob andere cannabishaltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen, die zur Behandlung geeignet sind.”

Auch Dr. Julian Wichmann, Gründer von Algea Care, kritisiert die Vorbehalte des G-BA hinsichtlich der Einnahme in Form von getrockneten Blüten in einem Statement als nicht nachvollziehbar. Fertigarzneimittel dem Einsatz von Blüten grundsätzlich vorzuziehen, sei aus ärztlicher Sicht in Anbetracht der tagtäglichen Therapieerfolge fragwürdig.

Man darf allerdings gespannt sein, ob der Gesetzgeber den Forderungen nachkommt. Unter anderem der Cannabis-Pionier Pierre Debs hatte im Gespräch mit krautinvest.de im Herbst letzen Jahres gesagt: “Cannabisblüten sind eine Brücke für erweiterte pharmazeutische Produkte. Diese sind das A und O des Gesundheitswesens”

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