Cannabis-Gesetz: Ampel-Parteien versprechen nach erster Etappe weiteren Fortschritt

Debatte im Bundestag

by Moritz Förster

Schützt die erste Säule des CanG die Jugend vor Cannabis oder nicht? Ja, nein, ja, nein, vielleicht? Das Narrativ hatte Karl Lauterbach gleich zum Auftakt selbst gesetzt. Mehr Jugendschutz und Gesundheitsschutz vor der seines Erachtens “gefährlichen”, gar “toxischen”, “süchtig” machenden Cannabis-Pflanze. Eine Steilvorlage für die konservative Opposition, da ein Blick gen Kanada zeigt, wie schwierig es ist, diese Kausalität zu belegen. Glücklicherweise gelang es Politiker:innen der Grünen, der FDP, der Linken, aber auch Carmen Wegge und Dirk Heidenblut von der SPD das Augenmerk auf zentrale Fragen zu lenken. Und auch wenn am Ende der Lesung im Bundestag zum CanG die großen Überraschungen ausblieben, scheint das wohl wichtigste Signal: Die Ampel-Parteien werden sich beim CanG nicht mehr verzetteln, sondern das Gesetz geschlossen durchboxen und an einem Strang ziehen.

Von Anfang an hatte es die Bundesregierung versäumt, die Rechtmäßigkeit eines Verbots in Frage zu stellen, das durch Kriminalisierung Millionen von Menschen den Lebensalltag erschwert. Stattdessen lag der Fokus von Anfang an darauf, zu rechtfertigen, ein seit Jahrzehnten kontraproduktives Verbot aufheben zu dürfen. Denn wer ein Cannabis-Verbot verfechten will, wird nicht viele Argumente finden. Im Gegenteil: First Wednesday hatte in einem Report über Cannabis und soziale Gerechtigkeit kürzlich erst die drastischen gesellschaftlichen Konsequenzen der jahrzehntelangen Prohibitionspolitik aufgezeigt. Mehrere hunderttausend Menschen werden jährlich in Europa wegen Cannabis-Delikten inhaftiert; häufig scheint die Polizei bestimmte Gruppen bei der Strafverfolgung zu diskriminieren.

All dies deutete Carmen Wegge in ihrem emotionalen Statement an, als sie dazu aufrief, sich zu entschuldigen, bei all denjenigen, denen die Prohibition Leid und Schaden zugefügt hat. Vorgelegt hatte zuvor bereits Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen: Das Verbot vergrößere die Risiken, statt sie zu verringern. Kappert-Gonther, die sich persönlich für eine mutigere Lösung stark gemacht hatte, sprach von einem “Paradigmenwechsel”. Ein Wort, das noch öfter fallen sollte. Immerhin gilt Cannabis zukünftig nicht mehr als Betäubungsmittel.

Und auch Sprecher:innen aus der CDU / CSU-Fraktion brachten einige valide Kritikpunkte an: Simone Borchardt kritisierte, dass das Ziel mehr Jugendschutz laute, zeitgleich aber vier Millionen Euro des Etats für Suchtprävention gekürzt werden. Volker Ulrich stellte in Frage, ob die “Teillegalisierung”, die Nachfrage auf dem illegalen Markt wirklich zurückdrängen könne. Ein berechtigter Einwand.

Just deshalb fordert die Kristine Lütke von der FDP Nachbesserungen: zu bürokratisch, zu kleinteilig, unpraktikabel sei das Gesetz noch an einigen Stellen. Insbesondere verweist Lütke dabei auf die bereits massiv kritisierten Abstandsregeln für den Konsum, die in der Praxis kaum einzuhalten sind. Auch das Thema Nutzhanf reißt sie kurz an – ob die unsägliche Klausel, das auch Nutzhanf zu Rauschzwecken missbraucht werden könne, doch noch revidiert wird?

Einigkeit herrscht fraktionsübergreifend unterdessen beim Thema Medizinalcannabis: Die CDU rühmt sich dafür, sich für ein Ende des Genehmigungsvorbehalts starkgemacht zu haben. An der Co-Existenz von Clubs und medizinischer Therapie rüttelt niemand.

Dirk Heidenblut, Befürworter einer Legalisierung in Reihen der SPD, spricht schlussendlich davon, dass das “Ende der Fahnenstange” bisher nicht erreicht sei. Zuvor hatte bereits der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, um den es zuletzt überraschend ruhiger geworden war, darauf verwiesen, dass neben den Pilotprojekten auch regulatorische Änderungen auf internationaler Ebne das Ziel seien. Genau darauf pocht auch Heidenblut, der auf viele andere Mitstreiter in Europa verweist: Wir brauchen eine richtige Legalisierung, so der SPD-Mann.

Die erste Etappe hat die Ampel-Regierung nach zwei Jahren daher fast erreicht, es soll bei der Verabschiedung des CanG am 16. November bleiben. Ein Paradigmenwechsel ist damit zwar initiiert, echte Lorbeeren kann die Ampel aber noch nicht ernten. Dafür muss dem ersten kleinen Schritt noch mindestens ein deutlich größerer Folgen.

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1 comment

Joachim Oktober 18, 2023 - 11:42 pm

Der 16. November lässt sich nicht mehr halten: 7 Tage zuvor wird die öffentliche Anhörung stattfinden.

In 7 Tagen seitenweise Änderungen zu verabschieden ist unmöglich

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