Mehr Gerechtigkeit! Neuer Cannabis-Report kritisiert soziale Folgen der Prohibition

Argumente für eine neue Regulierung

by Redaktion

First Wednesdays hat den Report “The Social Impact of Cannabis Legalisation (2023)” vorgestellt. Im Fokus: Wie können neu Cannabis-Regulierungen das Leben, die Lebensumstände und die Gesetzeslage für viele Menschen verbessern. Dabei offenbart der Blick auf die verfügbaren Daten ein gegenwärtig teils erschreckendes Bild über die Auswirkungen der Cannabis-Prohibition auf den Lebensalltag von Millionen Menschen in Europa – die inhaftiert werden, schwerer Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Wohnungen finden und deren Mobilität eingeschränkt wird. Zudem deuten die verfügbaren Daten daraufhin, dass die Polizei Menschen mit bestimmtem Migrationshintergrund überproportional häufig durchsucht und diese damit systematisch diskriminiert werden.

Während die Ampel-Partei im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens für das Cannabis-Gesetz (CanG) mehr Jugend- und Gesundheitsschutz als primäre Ziele kommunizierte, wirft der neue Report ganz neue Fragen auf: Kosten für Justizsysteme, Inhaftierungen, das Entstehen illegaler Märkte, Aufwand für Polizei und Gerichte – in welcher Relation stehen der immense gesellschaftliche Aufwand und die durch die Justizsysteme verursachten persönlichen Schicksalsschläge zum “Gefahrenpotenzial” von Cannabis? Wie kann der Aufwand einer solchen Verbotspolitik, die Einschränkung persönlicher Freiheit vor dem Hintergrund gerechtfertigt werden, dass in Europa ohnehin alleine im letzten Jahr 22,6 Millionen Erwachsene Cannabis konsumiert haben?

Strafverfolgung: erschreckende Zahlen

2021 wurden in Deutschland 214.000 Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis registriert, 85 Prozent davon entfallen auf den Konsum. Insgesamt machten Cannabiskonsumdelikte die Hälfte aller erfassten Drogendelikte und 3,5 Prozent aller in diesem Jahr erfassten Straftaten aus.

In anderen Ländern sieht es nicht besser aus. In Frankreich hat sich die Zahl der jährlich festgenommenen Cannabis-Konsument:innen von 2000 bis 2015 verzehnfacht. Waren es 2000 noch 14.501 Menschen, die wohlgemerkt ausschließlich wegen des “Konsums” von Cannabis verhaftet wurden, so waren es 2015 bereits 139.683. Von 2016 bis 2020 wurden jährlich im Schnitt rund 180.000 Menschen aufgrund von Drogendelikten inhaftiert – davon 80 Prozent im Zusammenhang mit Cannabis.

Wie diskriminierend ist die Cannabis-Strafverfolgung?

In den meisten europäischen Ländern, kritisiert der Report, werden keine Daten erhoben, die darüber Auskunft geben, welche Sub-Gruppen wie oft von der Polizei überprüft werden und welche Gruppen wie stark von der Strafverfolgung von Cannabis-Delikten betroffen sind. Die in einzelnen Ländern verfügbaren Daten legen allerdings eine diskriminierende Verzerrung zuungunsten bestimmter Gruppen mit Migrationshintergrund nahe.

In Deutschland wurden 2021 Menschen mit Migrationshintergrund mit einem Viertel aller Drogendelikte in Verbindung gebracht, sieben Prozent aller erfassten Drogendelikte entfielen auf Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten ohne offizielle Papiere. Innerhalb dieser sozial und wirtschaftlich gefährdeten Gruppe standen sieben von zehn erfassten Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis.

Anders als in Deutschland werden in Großbritannien auch ethnische Hintergründe der von der Polizei durchsuchten Personen statistisch erfasst. Während von 1.000 Menschen, die in die Kategorie “White” fallen, 7,4 durchsucht werden; liegt dieser Schnitt in der Kategorie “Black” bei 27,2. Anders gesagt: Als Schwarzer in Großbritannien ist das Risiko, von der Polizei durchsucht zu werden, viermal höher.

Und das, obwohl in der Kategorie “Black” 5,1 Prozent der Befragten angab, selbst Cannabis zu konsumieren, in der Kategorie “White” 7,9 Prozent. Ein klares Zeichen dafür, dass Gruppen mit bestimmten Migrationshintergrund strukturell diskriminiert werden.

Um es anders auszudrücken: Selbst wenn in absoluten Zahlen häufiger Menschen mit Migrationshintergrund erfasst werden sollten, bedeutet dies noch lange nicht, dass diese Gruppen auch häufiger Delikte begehen. Gut möglich, dass sie aufgrund äußerer Merkmale schlicht öfter kontrolliert werden.

Illegale Akteure beim Übergang unterstützen

Auch wenn in Europa einige Länder Cannabis entkriminalisieren oder Pilot-Projekte angestoßen haben oder anstoßen wollen, mahnen die Autoren des Reports an, beim Übergang in entkriminalisierte oder gar legale Strukturen die Akteure des illegalen Marktes nicht sich selbst zu überlassen. Bisher habe es nur begrenztes Interesse oder Unterstützung für Maßnahmen gegeben, die den Übergang von illegalen Erzeugern oder Händlern in den legalen Cannabismarkt erleichtern, so die Kritik. Unter anderem führt der Report Projekte in Nordamerika als erfolgreiche Beispiele an, hebt bei der Frage einer möglichen Amnesie allerdings auch die besonderen Herausforderungen innerhalb der zur EU gehörenden Justizsysteme hervor.

Neue Argumente für die Ampel

Der Report liefert der Ampel eine Steilvorlage, die Sinnhaftigkeit eines Cannabis-Verbots und damit einhergehende Eingriffe in die persönliche Freiheit eines jeden Menschen ganz grundsätzlich in Frage zu stellen, statt sich in kleinteilige Debatten zu verzetteln, inwiefern eine Cannabis-Legalisierung den Konsum unter Erwachsenen beeinflusst und den Jugendschutz gewährleisten kann. Die gebündelten Zahlen führen mit den immensen volkswirtschaftlichen Kosten und den millionenfachen persönlichen Schicksalsschläge das Ausmaß einer seit Jahrzehnten gescheiterten Cannabis-Politik vor Augen.

Der von First Wednesdays veröffentlichte Report wurde von Hanway Associates unterstützt von Pagefield und Loveblood ausgearbeitet, von Artemis Growth Partner gesponsert. Neben krautinvest.de unterstützen Volteface, Cannavigia und Prohibition Partners den Report.

Transparenzhinweis: krautinvest.de unterstützt den Report als offizieller Partner.

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