Wagniskapital im Check: Cannabis vs. Tech

Bei wem sind die Finanzierungsrunden 2022 stärker eingebrochen

by Moritz Förster

Das revidierte Eckpunktepapier der Bundesregierung hat die Euphorie in der Cannabis-Industrie etwas abklingen lassen. Viele hatten mit Blick auf einen legalen Genussmittelmarkt bereits das große Geschäft gewittert und sich für entsprechend große Finanzierungsrunden gerüstet. Und das in einer Zeit, in der die Stimmung auf den VC-Märkten angesichts der gegenwärtigen makroökonomischen Lage deutlich abgekühlt ist. Es stellt sich die Frage: Wen traf der Einbruch an den VC-Märkten härter – Cannabis oder Tech?

So stehen Tech-Startups in Europa gegenwärtig vor schwierigen Zeiten. Deutsche Startups sammelten laut Ernst & Young 2022 9,9 Milliarden Euro ein – ein Minus von 43 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Auch viele Cannabis-Unternehmer sind auf Wachstumskapital angewiesen, um ihre Geschäfte aufzubauen und zu skalieren.

Auf den ersten Blick stehen Cannabis-Firmen verglichen mit den Einbrüchen am VC-Markt gar nicht so schlecht dar – zumindest diejenigen, die ihre Finanzierungsrunden öffentlich kommunizierten: Deutschlands Spitzenreiter im Fundraising ist die Sanity Group mit Runden von 35 Millionen Euro (2021) und 37,6 Millionen Euro (2022). Hinzu kommt nach eigenen Angaben 2021 noch ein Media-for-Equity-Deal in Millionenhöhe. Auch Cansativa sammelte nach eigenen Angaben 2022 mit 13 Millionen Euro 2022 mehr Kapital als 2021 (zwei Millionen Euro). Die Bloomwell Group verkündete dagegen nur 2021 eine Finanzierungsrunde in Höhe von über zehn Millionen US-Dollar (und dann erst wieder im Februar 2023). Und das Hanfunternehmen Signature Products erhielt 2021 zunächst einen öffentlichen Zuschuss in Höhe von einer Millionen Euro, bevor es 2022 erstmals 450.000 Euro von Wagniskapitalgebern erhielt. Und: Avextra sammelte Mitte März 2022 17 Millionen Euro ein.

Etwas undurchsichtiger ist die Sache bei Demecan: Im März 2021 erhielt das Unternehmen ein Darlehen in Millionenhöhe. Es folgte noch im April eine Finanzierungsrunde im “höheren einstelligen Millionenbereich” und im Herbst des gleichen Jahres erhielt das Unternehmen nach eigenen Angaben “Fördergelder in Millionenhöhe”. 2022 verkündete das Unternehmen dann im Dezember, dass es im gesamten Jahr 15 Millionen Euro eingesammelt habe – wobei der Anteil von Fremd- und Eigenkapital nicht präzisiert wird. Wie viel Eigenkapital in den Jahren jeweils in das Unternehmen floss, lässt sich anhand dieser Angaben nicht genau bestimmen. Andere Cannabis-Unternehmen wollten krautinvest.de gegenüber auf Anfrage erst gar keine Angaben zu ihren Kapitalrunden tätigen. Beispielsweise hat Enua 2021 laut Crunchbase eine Seed-Runde in unbekannter Höhe abgeschlossen.

Ausgehend von den öffentlich verfügbaren Informationen zeigt sich aber immerhin anders als bei Tech-Startup kein vergleichbarer Einbruch. Im Gegenteil: Die verfügbaren Zahlen daraufhin, dass die eingesammelten Summen im Krisenjahr 2022 insgesamt leicht über den Summen des Startup-Rekordjahres 2021 liegen. Also alles im grünen Bereich bei Cannabis-Unternehmen im Fundraising? Zumindest die Aktienkurse des einzigen deutschen Unternehmens, das bereits seit 2021 öffentlich an der Börse gehandelt wurde, deutet nicht darauf hin: Der Kurs von Synbiotic lag Ende 2021 bei knapp 30 Euro, Ende 2021 bei unter elf. Zugegeben: Nachdem die Ampel im November 2021 verkündet hatte, Cannabis als Genussmittel legalisieren zu wollen, legte das Papier einen gewaltigen und recht kurzfristigen Kurssprung hin.

„Nach einigen Jahren mit sehr viel Rückenwind ist Fundraising für Wachstumsunternehmen in allen Brachen aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen deutlich herausfordernder geworden, beispielsweise aufgrund hoher Inflation und gestiegener Zinskosten”, erklärt Johannes Gefken, Vice President von Parklane Capital. Das Unternehmen steht eigenen Angaben zu folge in regelmäßigem Austausch mit verschiedenen internationalen Investoren und spannenden Cannabisunternehmen aus Europa.

Schossen auch dank der Corona-Pandemie und niedriger Zinsen die Unternehmensbewertungen 2021 noch durch die Decke, da digitale Innovation als einziger Ausweg erschien, die Krise zu meistern, änderte sich das Investment-Klima Ende 2021 und Anfang 2022 recht schlagartig. Inflation und steigende Zinsen ließen die Bewertungen sinken und die Finanzierungsrunden von Startups deutschland- und europaweit einbrechen. Und auf einer Linkedin-Umfrage gab fast die Hälfte der (allerdings nur 29) Teilnehmenden an, dass Cannabis-Unternehmen stärker unter dem Einbruch am VC-Markt leiden würden als Tech-Unternehmen.

Gefken bezeichnet die Situation gerade für “kapitalintensive Unternehmen, die bis 2022 besonders stark vom günstigen Geld profitiert haben” als herausfordern: “In der deutschen und europäischen Cannabisindustrie kommen zusätzlich noch marktspezifische Herausforderungen hinzu wie die stark eingebrochenen Bewertungen der börsengelisteten Vergleichsunternehmen in Nordamerika sowie die schleppenden und unklaren Legalisierungsbestrebungen der Bundesregierung.”

Blickt man allerdings auf die Sanity Group, Cansativa, Demecan, die Bloomwell Group & Co., lässt sich der Einbruch des Tech-Marktes für den Cannabismarkt nicht eins zu eins belegen. Dies mag auch daran liegen, dass Cannabis-Firmen deutlich jünger sind als Tech-Scale-Ups und es in der Cannabis-Industrie insgesamt (noch?) um vergleichsweise niedrige Gesamtvolumina geht. Nicht zu vergessen ist auch, dass normalerweise die Volumina von Runde zu Runde im Tech-Segment deutlich ansteigen: Sprich von Seed zu Series A, von der Series A zur Series B Unternehmensbewertungen und Höhe der Runde deutlich zulegen. Zumindest dieses Phänomen scheint bei Cannabis-Unternehmen in den letzten zweieinhalb Jahren ausgeblieben zu sein. Ungeachtet dessen ist sich Gefken sicher, dass “gute Unternehmen und insbesondere gute Teams aber weiterhin sehr gerne finanziert werden”. Er sei überzeugt, dass sich die deutsche und europäische Cannabisindustrie mittel- bis langfristig sehr positiv entwickeln werde: “Wir werden daher auch in Zukunft viele spannende Finanzierungsunden und Exits sehen.”

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