Absurditäten des Kabinettsentwurfes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis

ein Gastbeitrag von Gero Kohlhaas, Sprecher des Patientenverbandes SCM

by Gastautor

Die Hoffnung war groß. Doch ein Vorhaben, das vom Gedanken getragen wurde, ein riesiges gesellschaftliches Unrecht zu beseitigen, entwickelte sich leider zu einer Farce. Anfängliche Euphorie wurde durch immer neu verlautbarte Begrenzungsabsichten getrübt. War ursprünglich einmal Freiheit von Cannabis gebrauchenden  Menschen und für den Handel in Aussicht gestellt, scheinen durch den am 16.08. vorgelegten Kabinettsentwurf vielmehr Paternalismus und ausgeprägtes Nannytum durch. 

Direkte Auswirkungen auf Cannabispatienten

Direkte Auswirkungen auch auf Patienten ergeben sich viele. Denn es wird nicht zwischen Konsumenten und Patienten unterschieden. Eine Ausnahme für Patienten besteht lediglich in der eigenen Wohnung in unmittelbarer Nähe von Kindern und Jugendlichen. Es dürften nach den in § 5 KCanG geregelten Konsumverboten beispielsweise nicht einmal an einer Schule angestellte Patienten unbeobachtet ihr Medizinalcannabis unkompliziert am Arbeitsplatz zu sich nehmen, ohne im Konflikt zum Gesetz zu stehen.  Also  sollten diese sich besser außerhalb des 200 m Radius Schülern und sonstiger Öffentlichkeit präsentieren und dort Konsumanreize setzen?  

Cannabisbesitz wird zwar legal, jegliche Menge Medizinalcannabis aber bleibt für Unbefugte trotz Herausnahme aus dem BtmG verboten. Was auf andere Rx-Arzneimittel in dieser Form nicht zutrifft. Der Grund dafür liegt in vom BtmG ins MedCanG übernommenen Formulierungen, wie in § 25 (1) 1, der die Rezepterschleichung betrifft. Das ist eine Widersprüchlichkeit, denn eigentlich sollte Cannabis aus dem BtmG herausgenommen werden. Der Gesetzgeber geht aber offenbar nach wie vor davon aus, dass Menschen sich ein Rezept für Cannabis erschleichen wollen. Und stellt sie unter Generalverdacht. Der ständige Zwang, dem Patienten heute ausgesetzt sind, nicht nur an ihre Medizin, sondern wegen möglicher Kontrollen auch an Dosierungsanleitung, Rezept und Quittung zu denken, er bliebe erhalten. Und all die auf Faktenferne beruhenden Stigmatisierungen, die im aufgeheizten Diskurs um die Legalisierung wiederbelebt wurden, bleiben fürs Erste natürlich an Konsumenten wie Patienten hängen. Und trotzdem sieht der Gesetzgeber etwas vor, was zwar begrüßenswert ist, aber entgegen des übrigen Rahmens besonders gegenläufig wirkt. Denn während Betäubungsmittelrezepte prüfbar, nachverfolgbar und durch Menge limitiert sind, sind gewöhnliche Rx-Rezeptträger nicht besonders fälschungssicher.

Unversorgte Patienten sollen nach § 25 MedCanG weiterhin kein Cannabis für medizinische Zwecke für sich selbst zur Durchführung einer Behelfstherapie anbauen dürfen. Straffreiheit soll aber bestehen, wenn unter anderem ein Rahmen von drei Pflanzen nicht überschritten wird. Weitere formulierte Ausnahmen beziehen sich widersprüchlicherweise auf die für Anbauvereinigungen definierten und zur Abgabe erlaubten Mengen. Dass in den genannten Ausnahmefällen Straffreiheit gewährt werden kann, bedeutet allerdings nicht, dass Exekutivorgane solchen Fällen nicht hinterher ermitteln müssten. Entlastung für Bürger und Polizei sähe anders aus. Allerdings deutete der Ton in der Legalisierungsdebatte bereits darauf hin, dass es zu ganz soviel Freiheit wohl doch nicht kommen sollte.

Der Konsultationsprozess als Farce

Am Konsultationsprozess beteiligte Wissenschaftler, Sozial- und Suchthilfevereine, Patientenverbände, Substitutionsmediziner und viele andere progressive Akteure erlebten, dass die von Fakten und Wirklichkeit losgelöste Panikmache einiger lauter Bedenkenträger offenbar mehr verfing, als nüchtern vorgebrachte Ratschläge. Stimmen, die Sanktion und Strafe euphemistisch als Hilfe verkaufen. Ewiggestrige wiederholten faktenfern und ideologisch einstudiert immer wieder die Behauptung, es solle eine gefährliche Einstiegsdroge eingeführt werden, die die Jugend verderben und ihre Hirne schrumpfen lassen würde. Wer lauter schrie, wurde offenbar eher gehört, dessen Haltung wurde stärker gewichtet. Die Hoffnungen derjenigen, die lange auf eine Anerkennung der nicht mehr zu verhindernden gesellschaftlichen Realität durch den Gesetzgeber hofften, wurden gedämpft. Als Folge dürfen nicht nur volljährige Heranwachsende nicht eigenmündig handeln. 

Paternalismus gegenüber Heranwachsenden 

Denn es wird unter § 19 (3) CanG eine signifikante Beschränkung der Menge vorgesehen, die Anbauvereinigungen an ihre heranwachsenden Mitglieder bis zu einem Alter von 21 Jahren abgeben dürfen. Das erscheint wenig geeignet zur Eindämmung unerlaubten Handels. Durch die beabsichtigten Besitzverbote für Heranwachsende entlang einer THC-Obergrenze von 

10 %, können diese in Zukunft weiterhin Opfer willkürlicher Kontrollmaßnahmen werden. Denn ob das in einem beschrifteten Gefäß sich befindende Cannabis auch wirklich unter 10 % THC enthält, könnte nur durch Konfiszierung und Durchführung einer Laborprobe festgestellt werden. Es würden je nach Aussehen und Erscheinungsbild von Betroffenen rassistisch motivierte Kontrollen, wie sie heute gang und gäbe sind, weiterhin möglich sein. Opfer hiervon können auch versorgte wie unversorgte Cannabispatienten dieser Altersgruppe sein. Verstöße sollen durch drakonische Straf- und Bußgeldvorschriften geahndet werden, die jegliche Gleichbehandlungsabsicht zu Alkohol vermissen lassen. Dies alles trägt dazu bei, dass die lang erwartete Entkriminalisierung gerade bezogen auf diese Altersgruppe eher als eine paternalistische Fortführung der Prohibition unter etwas sanfteren Vorzeichen und geringerer Bestrafung verstanden wird. Jugendliche, die gegen für unter 18jährige vorgesehene Konsumverbote  verstoßen, können nach dem extra vorgesehenen § 7 CanG in Maßnahmen der Frühintervention überführt werden. Cannabiskonsum würde also im Gegensatz zu dem Trinken von Alkohol, bei dem lediglich ein Verkaufsverbot besteht, in diesem Alter auch gesetzlich verboten. Bezogen auf den Jugendschutz wird der  Coolnessfaktor durch solche Maßnahmen also bestimmt nicht sinken.

Unpraktisch für Gelegenheitskonsumenten. Hart für Vielkonsumenten.  Und zuviel Bürokratie

Die unter § 3 (1) CanG stehenden Besitzgrenzen und die unter § 19 (3) aufgeführten Abgabebegrenzungen betreffen vor allem Konsumenten, die gewohnheitsmäßig mehr als 25 Gramm im Monat benötigen. Und von diesen gibt es einige. Sie können ihren monatlichen Bedarf, der nach dem Gesetzgeber 50 Gramm im Monat nicht übersteigen darf, nur mit mindestens zwei Besuchen in einer Anbauvereinigung decken. Und dürfen auch dann nur legal höchstens 50 Gramm im Monat beziehen. Vielkonsumenten, deren Verbrauch darüber hinaus ginge, wozu auch un- und unterversorgte Patienten zählen, könnten ihren zusätzlich benötigten Bedarf daher nur durch zusätzlichen Eigenanbau nach § 9 (1) decken. Aber wiederum nur mit Einschränkungen, denn es dürfen nur 25 Gramm aus Eigenanbau auf einmal im Besitz sein.  

Eigenanbau: Nur durch unpraktisches und widersprüchliches Treatment im legalen Rahmen

Die erlaubte Menge von 25 Gramm aus dem Eigenanbau darf erst dann in getrocknetem und konsumfähigem Zustand im Besitz sein, wenn auch bloß kein Krümel des vorher über eine Anbauvereinigung bezogenen Cannabis mehr vorhanden wäre. Der Begriff “Krümel” ist durchaus wörtlich zu verstehen. Denn jede sich zusätzlich im Privatbesitz befindliche Menge über 25 Gramm  [§ 3 (1)] wäre dem unausgegorenen Kabinettsentwurf zufolge verboten. Da dieser nur diese private Besitzmenge erlaubt.

Dass drei Cannabispflanze nur so angebaut und “sukzessive abgeerntet” werden dürften (vgl. Seite 109 CanG), dass auch wirklich zunächst nur 25 Gramm getrocknete Blütenstände besessen werden, während der Rest der Pflanze sich frisch zur nächsten Ernte halten wird, ist nicht nur absolut realitätsfern, sondern deutet auf mangelndes Verständnis der Materie hin. Denn die Biologie sieht keinen entlang technokratischen und weltfremden Vorstellungen gedachten Wuchs vor. Sie und nicht das Gesetz bestimmt  über Ernte- und Trocknungsvorgang. 

Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach?

Ursprünglich bestand viel Grund zur Freude. Und Freude gibt noch immer. In abgeminderter Form. Trotz vieler Dämpfer und Rückschritte. Doch wenn sich an dem vorliegenden Kabinettsentwurf keine gravierenden Verbesserungen mehr ergeben, dann entwickelt sich ein von großen Hoffnungen begleitetes Vorhaben leider hin zu einer Prohibition 2.0. Immer noch wären straffreier Besitz und eine theoretische legale Anbaumöglichkeit von drei Pflanzen natürlich ein Fortschritt. Aber kein wirkliches Befreiungsmoment mehr für Millionen betroffene und erwachsene Bundesbürger, von denen viele auf eine wirkliche Legalisierung hofften. Die Gesellschaft kann mehr gewinnen. Die Konsumenten. Die un- und unterversorgten Patienten. Und die im Vergleich zur internationalen Konkurrenz starken und unnötigen Beschränkungen unterworfene deutsche Cannabiswirtschaft. Durch die quälende Länge des jetzigen Vorgangs und angesichts aktueller politischer Bewegungen erscheint es für viele leider ungewiss, ob die wirkliche Normalisierung für alle bringen sollende Säule Zwei noch realisiert wird.  

 

Über den Autor:

Gero Kohlhaas ist Cannabispatient und Soziologe, Sprecher des Patientenverbandes SCM, setzt sich für deutsche Cannabispatienten  als Country Representative im IACM Patient Council ein und ist Vorstandmitglied der ACM e.V.

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1 comment

Akwu1 Oktober 1, 2023 - 12:21 am

Na ja ich bekomme 2,5g am Tag verordnet zur Freien Anwendung wann mir danach ist bzw. ich das Gefühl habe es ist nötig.
Leute, die keine großen Probleme haben und trotzdem viel wollen, kann ich nicht verstehen.
Ich wäre froh, ich brächte weniger, aber was ich eigentlich anmerken möchte…. das mit dem Rechtfertigen ist Bullshit, wenn die Fragen haben sollen Sie meine Kasse, meinen Arzt, meinen Anwalt und meine Apotheke Anrufen fertig… ich arbeite doch nicht für die und Aufheben muss ich auch nichts, wird ja in meiner Krankenakte festgehalten. Auch das mit dem nicht Konsumieren in der Öffentlichkeit…. wo ist da das Problem sich 200 Meter von der Schule für die Einnahme zu entfernen? Und das auch, nur wenn mir danach ist, den laut meinem Grundgesetz habe ich, das Recht jegliche benötigte und verordnete Medizin zu jedem Zeitpunkt einzunehmen. Darauf berufe ich mich und verklage jeden, der es wagt dagegen anzugehen oder denkt, er könne deshalb mir Ärger machen… der kann danach wieder Verkehr regeln. Also als Mensch mit echten Problemen, der es sich nicht vom Familienarzt und Freund auf E-Rezept geben lässt, gibt es im Regelfall nur Probleme für die, die Probleme machen wollen. Da man meist dann auch eine Behinderung eingetragen hat, wird es sogar teilweise für die Beamten sehr teuer. Und jeder, der es nicht aufgrund seiner Medizinakte nach weißen kann, hat Pech, damit habe ich kein Problem oder kann ja später die legalen Rahmen nutzen. So wie den Eigenanbau und wer damit ohne Probleme gesundheitlich von der Mengen nicht klarkommt, hat ganz andere Probleme und ist in meinen Augen der Grund, wieso der Ruf bis heute so schlecht ist.

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