2020 – das nicht-prognostizierbare Cannabis-Jahr?

by Moritz Förster

Viel Hoffnung hegten Anfang des Jahres Cannabis-Experten in unserem Ausblick auf 2020. Gut zwei Monate vor Weihnachten – was wurde aus ihren Hoffnungen? Welche Erwartungen haben sich erfüllt, welche wurden enttäuscht? Eine Analyse.

Deepak Anand, Geschäftsführer von Materia Ventures, erwartete Anfang des Jahres eine Legalisierung in Frankreich, Alfredo Pascual von MJ Business Daily zumindest ein französisches Pilotprojekt. Das kommt nun zumindest im nächsten Jahr. Mojos Marcus Scheinpflug ging davon aus, dass die Legalisierung hierzulande vorbereitet würde. Tobias Pietsch hoffte optimistisch auf eine Entkriminalisierung von Cannabis in europäischen Ländern. Und Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann sprach aufgrund von Neuwahlen von einem bundesweiten Schub Richtung Legalisierung – versehen mit einem kleinen Fragezeichen. Zehn Monate später: In großen Schritten voran schreitet die Legalisierung in Europa aktuell nur in Luxemburg.

Zumindest aber lag Pascual richtig, als er in Deutschland den Aufstieg der Grünen-Partei vorhersagte – bei knapp 20 Prozent scheint eine Regierungsbeteiligung möglich. Werden die Karten in Sachen Legalisierung dann nochmal neu gemischt? Das vorläufige Fazit: Niermanns Fragezeichen bleibt weiterhin bestehen. In welche Richtung das Legalisierungs-Pendel schlägt, ist immer noch nicht abzusehen.

Niermann erwartete zu Jahresbeginn zudem die Durchsetzung der Novel-Food-Richtlinie, Materias Anand eine Harmonisierung auf europäischer Ebene. Stand heute: Novel-Food wird inzwischen zumindest dahingehend durchgesetzt, dass CBD-Lebensmittel aus den Regalen verschwinden – die eingegangenen Anträge bei der EU-Kommission sind aber immer noch in der Schwebe. Und von einer europaweiten Harmonisierung sind wir angesichts der Debatte rund um CBD als Betäubungsmittel weit entfernt – “Quo Vadis CBD?” fragten wir die Experten daher Mitte des Jahres.

Etwas enttäuscht dürfte Optimist Pietsch zudem aus einem weiteren Grund zurückblicken: Neben Deutschland und Italien tun sich weitere europäische Länder schwer mit Medizinalcannabis. Auch Axel Gille dürfte angesichts der 2020 etwas schleichenden Fortschritte etwas enttäuscht drein blicken – Auroras Europa-Chef hatte gehofft, dass weitere europäische Märkte die Versorgung von tausenden Patienten voran treiben würden.

Philip Schmiedhofer dürfte sich mit seinen Prognosen hinsichtlich sinkender Preise von CBD und Blüten dagegen bestätigt sehen: Zumindest im medizinischen Bereich intensiviert sich seit April mit der neuen Apotheker-Preisregelung der Wettbewerb entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Auch Henri Sant-Cassia, von The Cannabis Fund, lag gut mit der Annahme, als er aufgrund der globalen Produktion und Erzeugung niedrigere Rohstoffpreise für das aktuelle Jahr verkündete.

Agrarfloras Sebastian Diemer lag ebenfalls ganz gut mit seiner Prognose, erste europäische Produktionsstätten zu sehen. Aus Portugal kommen die ersten Blüten – Deutschland, Italien, Dänemark, Spanien oder auch Nordmazedonien stecken zumindest in den Startlöchern. Diemers ebenfalls prognostizierte Produktvielfalt findet sich zumindest in neuen Medizin-Marken wieder und in diversen mit CBD angereicherten Kosmetik-Produkten. Diese – da sollte Vladas Snieckus Recht behalten – erleben eine zunehmende Akzeptanz.

Ein ganz anderes Thema: Henri Sant-Cassia hatte Anfang des Jahres deutlich höhere Finanzierungsrunden prognostiziert. Jenseits der Sanity Group und Cannamedical hat sich im zweistelligen Millionenbereich in diesem Jahr aber wenig getan – sicherlich hat Covid-19 die Situation von Startups im Fundraising nicht erleichtert.

Überhaupt: Ob sich ohne Covid-19 mehr Prognosen erfüllt hätten? Eine Frage hypothetischer Natur. Klar ist dagegen: Die junge stark regulierte Cannabis-Industrie bleibt eine Industrie der Überraschungen. Was wohl 2021 kommt?

Ihr seid Cannabis-Experte und habt spannende Thesen für 2021? Meldet euch mit einer kurzen Mail für unseren nächsten Jahresausblick: redaktion at krautinvest.de

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