Kommt jetzt das nächste AmRadV Debakel? Verlängerungen erforderlich!

Cannabisagentur: Verlängerung zwingend erforderlich, sonst erlischt die Zulassung

by Lisa Haag

Bei medizinischem Cannabis setzt man häufig ionisierte Strahlung ein, um die Keimzahl im Blütenmaterial zu verringern. Dieses Verfahren ist auch in anderen Bereichen weitverbreitet und wird auch für weitere Arzneimittel eingesetzt. 

Sowohl Fertigarzneimittel als auch für Stoffe, die als Arzneimittel eingestuft werden, dürfen nach § 7 AMG sowie § 1 der “Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel” (AMRadV) nur mit einer entsprechenden Zulassung in den Verkehr gebracht werden. Zu Cannabisblüten gab es dazu vor 2019 keine einheitliche Verwaltungspraxis der Überwachungsbehörden. Dann hatte das BfarM festgestellt, dass auch Cannabisblüten, die mit ionisierenden Strahlen behandelt wurden, in Deutschland nur mit einer entsprechenden Zulassung verkehrsfähig sind. Nun stehen die ersten Verlängerungen dieser Zulassungen an – versäumen Cannabis-Unternehmen die Fristen, wird es teurer.

Dies gilt, wenn sie von den zuständigen Landesbehörden als Arzneimittel und nicht als Wirkstoffe eingestuft werden. Der Prüfung vorausgegangen war eine angebliche Selbstanzeige eines Großhändlers bei der überwachenden Landesbehörde, dem Kölner Regierungspräsidium.

Das BfArM hatte danach dazu auf seiner Homepage ein Merkblatt publiziert und ein Antragsverfahren etabliert. Demnach müssen Anträge formal vom Inverkehrbringer gestellt werden. 2019 waren viele Firmen von der so etablieren Verwaltungspraxis des BfArM überrascht. Denn jeder Importeur bzw. Großhändler musste nun einen eigenständigen Antrag stellen, auch wenn identische Sorten eingeführt werden, die vom selben Erzeuger stammen. Hier hätte es sicher pragmatischer Ansätze gegeben, die dieser Situation besser gerecht werden. Auch die Linke hatte eine kleine Anfrage zum Thema gestellt.

Apotheke Adhoc fürchtete damals massive Lieferausfälle, die allerdings in großem Umfang ausblieben. Vier Jahre später wartet auf die betroffenen Importeure und Großhändler jetzt die nächste Konsequenz dieser Verwaltungspraxis, denn die bestehenden Zulassungen müssen nach fünf Jahren (einmalig) verlängert werden. Dies gilt für jede Einzelzulassung. Für viele Cannabisunternehmen dürfte der Zeitraum dazu bald ablaufen. Daher sind Unternehmen angehalten, hier sorgfältig zu prüfen, um keine Fristen zu verpassen.

Regulatorische Anforderungen an bestrahlte Cannabisblüten und die GMP-Zertifikatsfrage

Teil des Zulassungsverfahrens ist eine Überprüfung der vorliegenden Spezifikationen der Cannabisblüten sowie des GMP-konformen Herstellungsverfahrens. Dazu gehört nicht nur die Herstellung der gereinigten und getrockneten Cannabisblüten, sondern auch die eigentliche Bestrahlung. Beides muss in Betrieben erfolgen, die über entsprechende GMP-Zertifikate zur Herstellung von Arzneimitteln verfügen. 

Eine derartige Überprüfung des BfArM erfolgt bei unbestrahlten Blüten nicht. Hier kontrollieren die zuständigen Landesbehörden beim Import. Die dabei verfolgte Verwaltungspraxis ist jedoch nicht einheitlich. Die Mehrzahl der Behörden kategorisieren Cannabisblüten als Arzneimittel und verlangen entsprechende GMP-Zertifikate der herstellenden Betriebe. Es gibt jedoch auch Behörden, die Cannabisblüten als Wirkstoffe oder gar als pflanzliches Ausgangsmaterial einstufen. In letzterem Fall ist ein völlig unkontrollierter Import möglich. Das führt dazu, dass auf dem deutschen Markt unbestrahlte Cannabisblüten sehr unterschiedlicher Qualität angeboten werden, nicht zuletzt, weil sie aus unterschiedlichen Qualitätssicherungskonzepten stammen. 

Gleichzeitig hat sich in der Patientenschaft der Begriff „unbestrahlt“ schon als Qualitätsmerkmal etabliert. In Expertenkreisen gibt es jedoch keine einheitliche Beurteilung dieses Verfahrens. Die Gegner der Bestrahlung meinen, dass jede Bestrahlung einen Einfluss auf die Qualität, das Aroma und Aussehen der Cannabisblüten hat und die Keimreduktion letztlich eine „Schönung“ potenziell verunreinigter Blüten abbildet. Diese wäre durch angemessene Hygienemaßnahmen hinfällig. Die Befürworter argumentieren wiederum mit der Notwendigkeit niedriger mikrobieller Belastung, da unklar ist, inwieweit daraus beim Verdampfen ein Risiko für Patienten resultiert.  

In der Industrie selbst herrscht Unmut über lokale Wettbewerbsverzerrung durch die unterschiedliche Verwaltungspraxis der Landesbehörden. Der Anbau und die ersten Verarbeitungsschritte des pflanzlichen Ausgangsmaterials erfolgt bis zur Trocknung unter GACP. Die Herstellung der gereinigten Cannabisblüten erfolgt, beginnend mit der Trocknung, unter EU-GMP Teil I oder II – je nach Sichtweise der Landesbehörden. Dass hier eine Regulierungslücke besteht, ist bekannt. Gleiches gilt für den Import. Hierdurch wird von den einzelnen verantwortlichen Landesbehörden das sogenannte „GMP-washing“ ermöglicht.

Entwicklungen im Arzneimittelinformationssystem AMIce und Anfragen zur AmRadV-Zulassungsgültigkeit

Aktuell findet man im Arzneimittelinformationssystem AMIce 410 Einträge (Stand: November 2023). Bei einer Recherche im Januar waren es noch 420 Einträge (Stand: Januar 2023). Viele der Unternehmer:innen der Cannabisbranche sind der Pharmaindustrie fachfremd, daher kann es hier auch immer wieder zu Versäumnissen kommen.

Kommt jetzt das nächste AmRadV Debakel? Verlängerungen erforderlich!

Auf Anfrage teilte das BfArM mit, dass im Jahr 2019 und 2020 insgesamt 265 AmRadV-Anträge gab. Diese Zulassungen sind gemäß § 7 AMG in Verbindung mit § 1 AMRadV fünf Jahre gültig. Allerdings müssen Unternehmen bereits vier Jahre und drei Monate nach Zulassung eine Verlängerung beantragen. Verpassen Unternehmen diese Frist, müssen sie einen komplett neuen Antrag stellen – der deutlich teurer ist.

Verlängerung der Zulassung nach AMG: Wichtige Fristen und Regelungen der Cannabisagentur

Laut Cannabisagentur gilt für die Frist zur Einreichung einer Verlängerung nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG: “Der Zulassungsinhaber muss spätestens vier Jahre und drei Monate nach Zulassung einen Verlängerungsantrag einreichen. Hält der Zulassungsinhaber diese Frist nicht ein, erlischt die Zulassung automatisch nach fünf Jahren. Die Verlängerung der Zulassung ist ebenfalls befristet bis zum Ablauf von fünf Jahren.”

Kosten und Verfahrensregelungen für die Verlängerung von Arzneimittelzulassungen nach AMRadV

Das bedeutet für Firmen: Wer hier pennt und die Verlängerung verpasst, muss den Antrag neu schreiben. Das wird dann entsprechend teurer. Das BfArM teilt mit: “Gebührennummer 1.5 der Besonderen Gebührenverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMGBGebV). Verlängerungen: Grundgebühr gemäß 5.1.1 in Verbindung mit 5.3.3 BMGBGebV, im Falle einer Serie für jede weitere Verlängerung 5.1.2 in Verbindung mit 5.3.3 BMGBGebV.”

Aber was bedeutet das ein Euro?

Nun ist das eine recht bürokratische Antwort der Behörde, daher haben wir die entsprechenden Posten in der Gebührenordnung nachgeschaut:

  • Neuantrag: Ziffer 1.5. “Zulassung eines Arzneimittels, auch Dublette, das der Zulassungspflicht nur unterliegt, weil es mit ionisierenden Strahlen behandelt ist, oder Zulassung eines Arzneimittels, auch Dublette, das bereits zugelassen ist oder als zugelassen gilt, soweit eine Zulassung im Hinblick auf die Behandlung mit ionisierenden Strahlen erfolgt“
    • 1.5.1. Grundgebühr = 4.600 Euro je Zulassung [Anm. Red.: je zugelassener Sorte]
    • 1.5.2. Werden zeitgleich mehrere Anträge desselben Antragstellers für nach dem Wirkstoff identische Arzneimittel des gleichen Herstellers eingereicht, die sich in der Stärke unterscheiden, zusätzlich zur Gebühr für die erste Zulassung, je Zulassung = 2.300 Euro je Zulassung
  • Verlängerung Einzelanträge: Grundgebühr gemäß 5.1.1 in Verbindung mit 5.3.3 BMGBGebV
    • 5. Verlängerung einer Zulassung nach § 31 Absatz 3 AMG → 5.1. Arzneimittel mit neuem oder bekanntem Stoff → 5.1.1. Grundgebühr, ohne Bewertung möglicher Umweltrisiken durch das Umweltbundesamt = 5.900 Euro ABER:
    • 5.3.3. Verlängerung in einem verkürzten Verfahren, soweit dadurch eine erhebliche Verringerung des Personal- und Sachaufwandes eintritt = 50 Prozent der für die jeweilige Verlängerung nach den Nummern 5.1.1 bis 5.2.2 vorgesehenen Gebühr
    • Gebühr für Verlängerung Einzelantrag = 2.950 Euro je Zulassung
  • Verlängerung Serie (ab der zweiten Zulassung der Serie): im Falle einer Serie für jede weitere Verlängerung 5.1.2 in Verbindung mit 5.3.3 BMGBGebV.
    • 5. Verlängerung einer Zulassung nach § 31 Absatz 3 AMG → 5.1. Arzneimittel mit neuem oder bekanntem Stoff → 5.1.2. Serie oder gleichartige Serie, zusätzlich zur Gebühr für die erste Verlängerung, je Verlängerung = 2.900 Euro ABER:
    • 5.3.3. Verlängerung in einem verkürzten Verfahren, soweit dadurch eine erhebliche Verringerung des Personal- und Sachaufwandes eintritt = 50 Prozent der für die jeweilige Verlängerung nach den Nummern 5.1.1 bis 5.2.2 vorgesehenen Gebühr
    • Gebühr für Verlängerung Serie = 1.450 Euro je Zulassung

Vermeidbare AmRadV Kostenfalle: Zulassungsverlängerungen im Blick behalten

Es ist also ein teurer Fehler, den Unternehmen vermeiden können, und der einen Unterschied von 1.650 Euro je Zulassung macht. Daher sollte man dieses Thema nicht aus den Augen verlieren. Abschließend zeigt sich, dass die regulatorischen Anforderungen im Bereich bestrahlter Cannabisblüten und deren Zulassungsverlängerungen einen komplexen bürokratischen Prozess darstellen. Die Kosten und Verfahrensregelungen im Vergleich verdeutlichen die finanziellen Auswirkungen, die Unternehmen tragen müssen, wenn sie die erforderlichen Fristen versäumen. Gleichzeitig kann man konstatieren, dass die verfolgte Verwaltungspraxis des BfArM dort zu erheblichen Gebühreneinnahmen führt. Bei einer vereinfachten Verwaltungspraxis, wie z.B. Bezugnahme auf bestehende Zulassungen, wenn dieselben Blüten von denselben Herstellern importiert werden oder die Möglichkeit konsortialer Anträge wäre das eventuell nicht der Fall gewesen.

Disclaimer: Redaktioneller Inhalt. Keine Rechtsberatung. Keine Gewähr. Bitte wenden Sie sich für spezifische Fragen an Ihr Anwaltsbüro, Ihre zuständige Landesbehörde oder die Cannabisagentur direkt.

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