Franziska Katterbach: die Frau für Expansionen gen Europa

by Moritz Förster

Als Anwältin wirkte sie 2016 federführend an der Übernahme von MedCann durch Canopy Growth mit, später baute sie das Europa Geschäft für Canopy Growth auf. Inzwischen baut Franziska Katterbach Khiron, das Unternehmen mit kolumbianischen Wurzeln, in Europa auf. Man merkt rasch: Die heutige Europa-Geschäftsführerin packt die großen Dinge an. Im unserem Steckbrief mit den Persönlichkeiten der Cannabis-Industrie kritisiert sie mit Blick auf die Industrie gehäufte Fehlannahmen und unrealistische Erwartungen in der Vergangenheit und fordert neben Rechtssicherheit auch Aus- und Fortbildungen – und ein klares “Nein” zur Schattenwirtschaft und Täuschung von Patienten und Verbrauchern.

krautinvest.de: Franziska, wann hast Du zum ersten Mal gedacht: “Mensch, ich muss in der legalen Cannabisindustrie aktiv werden!”? Was hat dich veranlasst, voll und ganz in die Cannabis-Industrie einzusteigen?

Franziska Katterbach: Bevor ich in die medizinische Cannabisindustrie eingestiegen bin, war ich bei der Wirtschaftskanzlei Dentons im Bereich Life Sciences tätig und dort Ende 2016 federführend beteiligt an der impulsgebenden Übernahme der MedCann GmbH durch die kanadische Canopy Growth Corporation. MedCann war damals das erste deutsche Unternehmen, das medizinische Cannabisblüten aus Kanada importiert und über deutsche Apotheken vertrieben hat. Dies war seinerzeit noch vor der Gesetzesänderung “Cannabis als Medizin” im März 2017, der anschließenden Explosion der Patientenzahlen in Deutschland und der Übernahme der Vorreiterrolle bei der Entwicklung eines europäischen Markts für Cannabinoid-basierte Medizin. Eine echte Pionierleistung, die mich noch nach fünf Jahren nachhaltig beeindruckt. Aber es war nicht nur die strikte Patientenorientierung, die mich angesprochen hat. Als Juristin war ich direkt von den teilweise noch sehr veralteten, ungeregelten bzw. regelungsbedürftigen rechtlichen Rahmenbedingungen fasziniert, für mich ist das Champions League, gerade auch wegen der verschiedenen nationalen und internationalen Rechtsquellen. Persönlich hat mich aber natürlich auch der medizinisch-soziale Aspekt sowie das wirtschaftliche Umfeld in einer jungen Industrie voller Pioniere angezogen. Vor diesem Hintergrund habe ich mich, nachdem ich zuvor für verschiedene Mandanten in der Cannabisindustrie tätig war, 2018 der neu gegründeten Canopy Growth Europe in Frankfurt fest angeschlossen. Dort war ich bis 2019 als Director of Legal für die Entwicklung des damals größten Cannabisunternehmens der Welt in Europa mitverantwortlich, bevor ich zu Khiron Life Sciences wechselte. Mit fünf Jahren Zugehörigkeit gehöre ich damit wohl schon zu den Alteingesessenen in dieser noch jungen Industrie, wobei der Enthusiasmus aus den Anfangszeiten nicht verblasst ist.

krautivest.de: Rückblickend auf die vergangenen Jahre in der Industrie: Was sind bisher für dich persönlich deine Highlights?

Franziska Katterbach: In erster Linie das Team um mich herum, deren Mitglieder aus unterschiedlichen Disziplinen kommen und verschiedene ethnische und kulturelle Hintergründe mitbringen. Wir alle lernen jeden Tag voneinander und ziehen dabei am selben Strang: wir glauben an das Potenzial von Cannabinoid-basierter Medizin und daran, die Lebensqualität von Millionen von Menschen verbessern zu können. Dieses Umfeld inspiriert mich jeden Tag, gerade auch in diesen schweren Zeiten der Pandemie. Nur mit einem solchen Team im Rücken waren Meilensteine in der europäischen Cannabisindustrie und persönliche Highlights überhaupt möglich, etwa der Übernahmeprozess von Storz & Bickel 2018 sowie von Bionorica ethics bzw. der C3 im Jahr 2019 mit Canopy Growth. Bei Khiron haben wir den bereits eingeschlagenen Weg inhaltlich und personell konsequent fortgesetzt und befinden uns nun in einem erwachseneren und aufmerksameren Marktumfeld, das effektivere und realistischere Antworten auf die nach wie vor vielschichtigen Herausforderungen braucht. Es geht für mich in erster Linie um konsequente Fortbildung für medizinisches Personal, um im nächsten Schritt einer konstant wachsenden Zahl von europäischen Patienten den legalen Zugang zu einer für sie wohlmöglich lebensverbessernden Therapie mit Cannabinoid-basierter Medizin zu ermöglichen. Jeder Meilenstein auf dem Weg dorthin ist ein persönliches Highlight für mich.

krautinvest.de: Und was sind Deiner Meinung nach die wichtigsten bisherigen Entwicklungen und Ereignisse in der Cannabis-Industrie der letzten fünf Jahre?

Franziska Katterbach: Aus juristischer Perspektive war das sicherlich die Gesetzesänderung von 2017, die dem Zugang zu hochqualitativer Cannabinoid-basierter Medizin in Deutschland endlich ein tragfähiges legales Fundament gegeben hat. Die Regelung der Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen hat unmittelbar auf die medizinische und öffentliche Wahrnehmung des medizinischen Potenzials der Cannabispflanze ausgestrahlt. Das hat viel verändert und einen Hype, den Green Rush, ausgelöst, woraufhin viele Unternehmen und Assets für sehr viel Geld ge- und verkauft wurden. Der junge Markt hat vor zwei Jahren, nicht zuletzt auch durch Skandale, einen Dämpfer bekommen und die für mich so zentrale Patientenzentriertheit ist dabei aus dem Blickfeld gerückt. Fehlannahmen häuften sich und führten zu falschen Prognosen und unrealistischen Erwartungen, die zwangsläufig enttäuscht werden mussten. Wir haben keinen neuen Markt geschaffen, sondern versorgen einen bereits in Ansätzen existierenden Markt innerhalb des gesetzlichen Rahmens und haben hier in Deutschland trotz bestehender Probleme das wohl fortschrittlichste Gesetz für Cannabinoid-basierte Medizin in Europa. Das macht mich als Deutsche natürlich stolz. Darauf lässt sich aufbauen. Es existiert hier bereits ein großer Markt, der beständig wächst. Insofern ist das Recht hier der medizinischen Realität gefolgt und kann Vorbild für weitere Staaten in und außerhalb Europas sein. Das ist für mich wohl die spannendste und nachhaltigste Erkenntnis aus der Entwicklung der letzten fünf Jahre in Deutschland und Europa.

krautinvest.de: Zwischen internationalen Märkten und Schattenwirtschaft: Woran entscheidet sich Deiner Meinung nach, ob die europäische Cannabis-Industrie durchstartet?

Franziska Katterbach: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen entscheiden das. Das Potenzial an medizinischen Cannabispatienten dürfte prozentual in allen Ländern etwa gleich sein. In Deutschland haben wir wie erwähnt bereits einen großen und relativ stabilen Markt im Herzen Europas. Hinzu kommt das große Potenzial für kosmetische Produkte auf hochqualitativer CBD-Basis. Mit diesem Weg ist die Entwicklung in anderen europäischen Ländern gewissermaßen vorgezeichnet: Ja zu mehr (Aus-)Bildung von Fachpersonal und Öffentlichkeit, nein zur Schattenwirtschaft und Täuschung von Patienten und Verbrauchern. Ich höre nur allzu oft, dass es einen rechtlich grauen Bereich gibt, gerade beim Thema CBD. Den gibt es aus meiner Sicht nicht. Um das übergeordnete Ziel eines besseren Patientenzugangs zu Cannabinoid-basierter Medizin zu erreichen, ist neben Rechtssicherheit das Thema Aus- und Fortbildung entscheidend: Wir sind etwa in Großbritannien bereits jetzt das führende Unternehmen für die Ausbildung von medizinischem Personal im Bereich Cannabinoid-basierter Medizin, haben bisher etwa 800 medizinische Fachkräfte in Lateinamerika geschult, die im letzten Jahr über 13.000 Rezepte ausgestellt haben und Khiron hat mit seiner Academy eine Plattform für die Weitergabe unserer klinischen Expertise geschaffen. Das ist der richtige Weg.

krautinvest.de: Wie kann die Industrie dazu beitragen, dass Wachstum anhält und Cannabis sich als nachhaltige Wirtschaft etabliert?

Franziska Katterbach: Bei Khiron richten wir mit unseren kolumbianischen Wurzeln natürlich den Blick auf unseren Kernbereich in Südamerika. Auch wenn wir in Europa andere medizinische, soziale und rechtliche Voraussetzungen haben als etwa in Kolumbien oder Peru, können wir jedoch viel aus den dort über Jahre gesammelten Patientendaten und Erfahrungen im Umgang mit Cannabinoid-basierter Medizin für europäische Märkte schlussfolgern. Mit diesem zusätzlichen Wissen können wir evidenzbasiert diese junge Industrie nachhaltig etablieren. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden bei diesem Prozess entscheidend sein und das Wachstum bestimmen.

krautinvest.de: Wer sind für Dich die drei Personen, denen die europäische Cannabis-Industrie in den vergangenen fünf Jahren am meisten zu verdanken hat?

Franziska Katterbach: Sicher waren einzelne Personen unzweifelhaft wichtig für das Entstehen eines gesamteuropäischen Cannabismarkts. Insgesamt sind es aber gut (oder eben schlecht) funktionierende Teams, die über die Unternehmensentwicklung und den Zustand einer Industrie entscheiden. Und die Taktgeber dieser Entwicklung sind nicht einzelne Personen aus der Wirtschaft, sondern Patienten und ihre Angehörigen, die konsequent für ihre Rechte eingestanden sind und so bereits in vielen Staaten einen gesellschaftlichen und medizinischen Wandel herbeigeführt haben..

krautinvest.de: Was sind Deine unternehmerischen Ziele in Sachen Cannabis in den nächsten drei Jahren?

Franziska Katterbach: Mehr und bessere Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Ärzte, Apotheker und medizinisches Personal anbieten, die Erfahrungen mit unseren Produkten aus Südamerika und Kanada für den europäischen Markt noch stärker nutzbar machen und Khiron bei Patienten, verschreibenden Ärzten und Konsumenten als Marke etablieren – im medizinischen und kosmetischen Bereich.

krautinvest.de: Welcher Markt/ welches Thema ist in Sachen Cannabis Deiner Meinung nach aktuell am spannendsten? Warum?

Franziska Katterbach: Während unser Kernland in Europa mit Deutschland über einen bereits ausgereifteren Markt für medizinisches Cannabis in Europa verfügt, sind wir mit Khiron auch in Großbritannien aktiv, wo wir etwa mit dem Projekt Twenty21 an einem Pilotprojekt für die Verbesserung des Zugangs britischer Patienten zu Cannabinoid-basierter Medizin als eines von wenigen Unternehmen mit unseren medizinischen Produkten und Lernplattformen für verschreibende Ärzte beteiligt sind. Nicht nur angesichts des immensen Potenzials ist dieser Markt wohl aktuell der spannendste, aber auch die fortgeschrittene Entwicklung in Deutschland mit neuen Rahmenbedingungen bleibt interessant.

krautinvest.de: Welches Buch legst Du allen Cannabis-Unternehmern als Pflichtlektüre ans Herz?

Franziska Katterbach: Irgendetwas zwischen Bibel, Cosmopolitan und der Wendy. Spaß beiseite: Ich glaube Bücher sind zu statisch, für diese sich ständig fortentwickelnde Industrie. Ich denke es geht darum, sich ständig über die aktuelle Regulatorik informiert zu halten und besonders Patienten und Ärzten immer genau zuzuhören. Sie sind die beste Quelle.

krautinvest.de: Beschreibe Dich in drei Adjektiven, die dich am besten charakterisieren:

Franziska Katterbach: Engagiert, zielstrebig, zuverlässig.

Franziska Katterbach, Chief Legal Officer & Geschäftsführerin von Khiron Europe

Franziska Katterbach ist zugelassene Rechtsanwältin, die über langjährige Erfahrung in der aufstrebenden europäischen Cannabisindustrie verfügt. Nach Abschluss ihres Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität Leipzig und am Landgericht Darmstadt, trat Franziska in die weltweit größte Wirtschaftskanzlei Dentons ein, wo sie an hochkarätigen Transaktionen im Cannabis- und Life Sciences-Sektor über mehrere Jurisdiktionen hinweg beteiligt war. Später war Franziska als Director of Legal, Europe für Canopy Growth Corporation tätig, bevor sie zu Khiron Life Sciences wechselte.

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