Der Aufstieg des smarten Gärtners: IoT und Cannabis im Eigenanbau

by Lisa Haag

Im Internet der Dinge (IoT) arbeiten physische Geräte wie Computer und Sensoren mit Software in einem Netzwerk zusammen, um Prozesse zu automatisieren und zu optimieren. Während IoT-Technologien bereits fester Bestandteil vieler industrieller Prozesse sind, geht ihr Einsatz im privaten Bereich langsamer voran – nicht zuletzt aufgrund der noch immer hohen Kosten.

Auch der Anbau von Cannabis kann durch IoT-Anwendungen optimiert werden. Ein Beispiel dafür sind “smart Gardening”-Lösungen, wie sie das Unternehmen FYTA GmbH aus Berlin anbietet. Mithilfe eines Sensors in der Erde und einer verbundenen App können Nutzer die Bedürfnisse ihrer Pflanzen genau überwachen. Wir haben mit der Gründerin von FYTA, Claudia Nassif, darüber gesprochen, welche Möglichkeiten IoT-Technologien für den Eigenanbau in Deutschland bieten und wie sich der Markt entwickeln könnte.

krautinvest.de: Durch die Cannabislegalisierung wird der Anbau von Cannabis im eigenen Heim möglich. Wie umfangreich schätzt Du den neu entstehenden Markt und sein Volumen ein?

Claudia Nassif: Ganz klar, das Potenzial ist riesig. Schaut man nach den USA und Kanada, wo etwa 8-10 % der Cannabiskonsumenten ihr eigenes Cannabis anbauen, sehen wir, dass dort rund 2,3 Milliarden Dollar im Jahr für Anbauzubehör und -materialien ausgegeben werden. Das sind durchschnittlich 600-867 Dollar pro Person.

In Deutschland dürfte sich mit der Legalisierung ein ähnlicher Trend abzeichnen. Gartenarbeit ist hierzulande enorm beliebt – fast drei Viertel aller Haushalte sind in irgendeiner Form gärtnerisch aktiv. Für Cannabiskonsumenten, die bereits gärtnern, wird der Eigenanbau eine attraktive Erweiterung ihres Hobbys sein. Umfragen zufolge würden 10 % der Konsumenten definitiv selbst anbauen, und weitere 31 % würden es in Erwägung ziehen. Damit könnten wir in Deutschland bald einen Markt in einer Größenordnung von 500-800 Millionen Euro jährlich sehen.

krautinvest.de: Technologien erleichtern jeden Tag unseren Alltag. Wie sieht für Dich die Zukunft des IoT-gestützten Cannabisanbaus aus? Welche Themen sind dabei besonders wichtig?

Claudia Nassif: Im professionellen Bereich ist “Precision Agriculture” – die Nutzung und Vernetzung von Sensoren, Datentechnologien, Geoinformationssystemen (GIS) und dem Global Positioning System (GPS) – ein sehr großes und wichtiges Thema. Der Anbau von Lebensmitteln wird zunehmend technologisiert. Dies ist enorm wichtig, nicht nur im Hinblick auf Ertragssteigerung und Produktivitätseffizienz, sondern auch zum Schutz begrenzter natürlicher Ressourcen, vor dem Hintergrund einer wachsenden Weltbevölkerung und des Klimawandels.

Ich bin jedoch überzeugt, dass in den nächsten 10-15 Jahren auch in unseren privaten Gärten und Pflanztöpfen viel Technologie zum Einsatz kommen wird. Dies wird Zeit und Geld sparen und zudem Spaß machen. Allerdings müssen die Technologien günstiger werden, da die meisten IoT-Anwendungen für den Heimgebrauch momentan noch zu teuer sind. Es wird daher wichtig sein, dass Unternehmen Geschäftsmodelle finden, durch die die Hardwarekosten gering gehalten werden können.

krautinvest.de: Welche Bedürfnisse haben Gärtner die sich entscheiden, Cannabis zu Hause anzubauen? Wir unterscheiden sich diese Bedürfnisse von anderen Pflanzen, was ist gleich?

Claudia Nassif: Im Grunde sind es dieselben Bedürfnisse, nur sind diese für Cannabis-Homegrower stärker ausgeprägt. Cannabis kann beim Indooranbau recht kompliziert sein. Die Bedürfnisse der Pflanze variieren erheblich in den unterschiedlichen Wachstumsphasen. Sie benötigt viel Licht und selbst nach der Ernte können Fehler gemacht werden. Aber grundsätzlich erfordert der Anbau aller Pflanzen Wissen und Erfahrung. 

Das Problem ist, dass dieses Wissen im Hobbybereich oft nur implizit vorhanden ist, und in Empfehlungen wie “durchgehend feucht halten” oder “indirektes, helles Licht” zum Ausdruck kommt. Was genau bedeutet das? Hier ist ein datengetriebener Ansatz, der u.a. von IoT Pflanzensensoren unterstützt wird, eine große Hilfe. Hinzu kommt, dass es nicht einfach ist, die richtigen Produkte zu finden. Nach welchen Kriterien entscheidet man, wenn man vor einem Regal mit zehn verschiedenen Düngesystemen steht?

Der Aufstieg des smarten Gärtners: IoT und Cannabis im Eigenanbau

Umfragen zufolge fühlen sich 64 % der Pflanzenliebhaber oft überfordert. Das finde ich sehr schade, da die Pflanzenzucht grundsätzlich eine sehr positive und energiestiftende Aktivität sein sollte. Das sind auch alles Themen, mit denen wir uns bei FYTA viel beschäftigen.

krautinvest.de: Wo siehst Du die größten Herausforderungen für Konsument:innen, die jetzt mit dem Anbau von Cannabis beginnen? Wie unterscheiden sich deren Bedürfnisse von mehr erfahrenen Anbau-Enthusiasten?

Claudia Nassif: In den USA haben mehr als 83 % der Homegrower weniger als zwei Jahre Erfahrung im Cannabisanbau. Sie verfügen über weniger Wissen und sind weniger stark vernetzt als erfahrenen Cannabisanbauer.

Die größte Herausforderung besteht darin, den Cannabisanbau so zugänglich wie möglich zu gestalten, sowohl in Bezug auf die Wissensvermittlung als auch auf die Einstiegskosten. Insbesondere Anfänger zögern, teure Growtech zu kaufen, bevor sie erste Erfahrungen mit der Pflanze gemacht haben. Es ist auch nicht sofort erkennbar, warum Growtech überhaupt notwendig ist. Und wenn man so gar keine Ahnung hat – für welches System entscheidet man sich dann? Es wäre vorteilhaft, wenn Anbieter preiswerte Einsteigerpakete schnüren würden, idealerweise zur kurzfristigen Miete. So könnten Anfänger zunächst herausfinden, ob sie wirklich daran interessiert sind, sich intensiver mit dem Cannabisanbau zu beschäftigen und mit welchen Systemen sie arbeiten möchten.

Zudem muss das Homegrowing von Cannabis aus der Nische herauskommen. Erfahrungen aus den USA zeigen, dass die meisten Homegrower auch andere Pflanzen züchten. Es handelt sich überwiegend um Menschen, die bereits fest im Leben verankert sind, mit Haus, Job, Kindern und Co. Nicht alle beschäftigen sich gerne mit den subkulturellen Aspekten von Cannabis oder fühlen sich damit wohl. Cannabis – sowohl im Konsum als auch im Eigenanbau – muss sich in Design, Ansprache und Produktangebot an den Lebensstil der Grower anpassen, nicht andersherum. Es muss Mainstream-kompatibel werden, weil anders als der gelegentliche Gang zum Dealer (oder bald Social Club), lebt man beim Homegrowing den Alltag mit Cannabis.

Der Aufstieg des smarten Gärtners: IoT und Cannabis im Eigenanbau

krautinvest.de: Die sensorische Überwachung von Pflanzen wird bereits beim Anbau von medizinischem Cannabis eingesetzt. Beim Homegrowing werden Technologien wie Eure bisher kaum verwendet. Welche Vorteile bringen IoT-Technologie und KI den Anbauern?

Claudia Nassif: IoT-Technologien im Homegrowing-Bereich ermöglichen eine präzisere Überwachung der Anbaubedingungen, automatisierte Pflege und, in Verbindung mit Datenanalysen, optimieren sie sogar Ertragsmengen und -qualität. Für Einsteiger erleichtern IoT-basierte Anwendungen das Erlernen neuer Kenntnisse, was eine erfolgreiche Zucht wahrscheinlicher macht. Es spart Zeit und Nerven spart und sorgt im Idealfall sogar für mehr Spaß. Spaß ist tatsächlich ein wichtiger Aspekt für viele Homegrower, und wird eigentlich fast immer von IoT oder Growtech Anbietern als USP unterschätzt.

krautinvest.de: IoT-Technologien gewinnen immer mehr an Bedeutung. Wo sind derzeit noch die Grenzen existierender Technologien und welche Risiken gibt es?

Claudia Nassif: Die Grenzen bestehender IoT-Technologien liegen häufig in ihrer Komplexität und hohen Anschaffungskosten, die eine breite Nutzung erschweren. Zudem haben viele Menschen Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und Sicherheit, da IoT-Geräte sensible Daten erfassen und übertragen. Legalisierung hin oder her, das ist ein sensibler Punkt für viele Homegrower. Ein weiteres Hindernis ist, dass viele Systeme nicht miteinander kompatibel sind. Daher muss noch viel getan werden, um IoT-Technologien für Nutzer attraktiver zu gestalten.

krautinvest.de: Welche Rolle spielen Crowd und Community für die IoT-Technologie im Kontext von Eigenanbau?

Claudia Nassif: Die Community und der Wissensaustausch, der in diesen Communities stattfindet, spielen bei erfahrenen Homegrowern eine sehr große Rolle. Ich denke, diese Rolle werden Communities auch in Zukunft spielen. In den Gruppen könnte man jedoch auch mehr Austausch zu Themen wie Vernetzung und Integration finden. Zum Beispiel haben wir eine Discord-Gruppe, in der ein Segment unserer Nutzer Erfahrungen darüber austauscht, wie man unsere Produkte in andere Systeme, wie zum Beispiel Homekit, einbindet. Zukünftig könnte ein solcher Austausch auch in Cannabisforen stattfinden.

Hintergrundinformationen:

ÜBER Claudia Nassif: Mit über 20 Jahren vielfältiger Berufserfahrung, darunter führende Positionen bei der Weltbank, ist Claudia Nassif seit März 2018 CEO und Gründerin von FYTA. Claudia kombiniert ihre tiefgreifenden Kenntnisse in Wirtschaft und Forschung mit ihrer Leidenschaft für Natur, um mit FYTA die Art und Weise, wie wir mit umgehen Pflanzen, neu zu definieren.

ÜBER FYTA: FYTA ist eine IoT-Commerce-Plattform für Hobbygärtner. FYTA bietet “smart Gardening”-Lösungen an (Fitnesstracker für Pflanzen) und bindet ihre Nutzer an ein digitales Gartenökosystem. Seit Mitte März unterstützt FYTA auch Cannabishomegrower mit sensorbasierter Datenanalyse und Wissenscontent. Mehrere namhafte Investoren sind bereits an FYTA beteiligt. Die derzeitige Seed-Runde wird u.a. über eine Crowdinvestingkampagne auf der Plattform Fundernation gehebelt.

Disclaimer: Redaktioneller Inhalt. Keine Investmentempfehlung.

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