Cannabis: Ampel-Regierung nach BVerfG-Entscheid in der Pflicht

Hausaufgaben erledigen

by Moritz Förster

“Leitet das Bundesverfassungsgericht die Cannabis-Legalisierung ein?”, fragten wir auf krautinvest.de im Februar 2023.  Die Antwort, das wissen wir nun, lautet: Nein. Das BVerfG hat ein Richtervorlage als “unzulässig” abgestempelt. Glücklicherweise funktioniert der Umkehrschluss aus Sicht der Cannabis-Industrie aber nicht: Denn auch wenn die Befürworter einer Legalisierung keine neuen Argumente erhalten haben, dürften die aktuellen Legalisierungspläne der Bundesregierung zumindest auf dem Papier nicht tangiert werden von dem Urteil.

Doch der Reihe nach: Hätte das Bundesverfassungsgericht seine Ansichten von 1994 revidiert, wären tatsächlich alle Karten neu gemischt worden. Dann hätte die im Grundgesetz verankerte Handlungsfreiheit zu einer Entkriminalisierung von Cannabis geführt. Zumindest der Besitz kleiner Mengen hätten dann kaum noch kriminalisiert werden können. Das hätte irgendwie auch gut ins Bild gepasst. Schließlich war auch das “Cannabis als Medizin”-Gesetz nicht auf politischem, sondern auf justiziellem Wege per Gerichtsentscheid eingeleitet worden.

Hätte, hätte, hätte. Der Konjunktiv ist in diesem Fall dem Indikativ sein Tot.

In der Mitteilung des BVerfG heißt es unter anderem:

Die vorlegenden Gerichte beanstanden die grundsätzliche Einordnung von Cannabis als Betäubungsmittel, ohne einen Bezug zu den im jeweiligen Ausgangsverfahren anzuwendenden Strafnormen herzustellen. Eine konkrete Normenkontrolle ist jedoch kein Mittel der allgemeinen Aufsicht über den Gesetzgeber. Ihr Gegenstand können nur Vorschriften sein, deren Gültigkeit für die von dem vorlegenden Gericht zu treffende Entscheidung von Bedeutung ist. Dass dies alle Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes mit Bezug auf den Umgang mit Cannabisprodukten sind, ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich.

So richtig beschäftigen wollte sich das BVerfG erst gar nicht mit dem Anliegen der drei Amtsgerichte, die aktuell Strafverfahren pausieren lassen, weil sie auf eine grundlegende Entscheidung aus Karlsruhe gewartet hatten. Im Wesentlichen geht es bei der Auseinandersetzung um die Frage, ob die im Grundgesetz festgeschriebene Handlungsfreiheit auch den Konsum von Cannabis beinhaltet. Auch wenn sich dafür viele Argumente finden lassen, werden Verfechter dieser Ansicht, wie Professor Kai Ambos, weiter warten müssen.

War aber die Entscheidung ein herber Rückschlag für das geplante zwei-Säulen-Modell der Ampel-Regierung – bestehend aus Cannabis-Clubs, Eigenanbau und Reklassifizierung in Säule eins und aus Pilotprojekten in Säule zwei? Nein.

Im Gegenteil: Die Ampel ist nun umso mehr in der Pflicht ihre Hausaufgaben gründlich und vor allem pünktlich in dieser Legislaturperiode zu machen. Es geht darum, das Versprechen im Koalitionsvertrag zumindest in abgespeckter Version noch einzulösen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht den Gesetzesvorhaben weiterhin nicht im Wege. Schließlich stünde Cannabis gar nicht mehr im Betäubungsmittelgesetz, wenn Säule eins einmal verabschiedet ist.

Arne Löffel vom dfv-Verlag kommentiert treffend: “Ein Gericht ist eben nicht per se dazu da, gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben und geltende Gesetze zu ändern. Das müssen Bürger:innen und Politik schon selbst hinkriegen. :)”

Der einzige bittere Beigeschmack ist, dass ein Urteil des BVerfG womöglich auch neues Futter für die Debatte geliefert hätte, ob nicht auch im Rahmen der UN-Konventionen mit Verweis auf den dort niedergeschriebenen “Verfassungsvorbehalt” eine Legalisierung möglich ist. Und auch auf europäischer Ebene können die Legalisierungs-Befürworter nun nicht die Karte eines neuen bahnbrechenden Cannabis-Urteils in Deutschland ziehen.

Zurück zum Wesentlichen: Aufpassen sollte man nun, dass die politischen Gegenspieler nun nicht die Fakten verdrehen: Das Urteil des BVerfG ist kein Stolperstein für die Gesetzesvorhaben der Ampel-Regierung. Der Gesetzeshüter hütet die Gesetze, aber die Regierung muss sie schreiben und verabschieden. Der Ball liegt nun ganz bei den politisch Verantwortlichen. Die Justiz nimmt ihnen in diesem Fall ihre Pflichtaufgaben nicht ab. Ab an die Arbeit.

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