Achtung GKV! Falschinformationen über Medizinalcannabis

Ein Gastbeitrag von Melanie Dolfen

by Moritz Förster

Öffentlichkeit, Politik und Medien müssen wissen, dass die gesetzlichen Krankenkassen nicht davor zurückschrecken, Falschinformationen über medizinisches Cannabis zu verbreiten, warnt Melanie Dolfen und wendet sich in einem Pressestatement an die Öffentlichkeit. krautinvest.de publiziert diesen Text im Wortlaut. Auch krautinvest.de hatte über die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes zum CanG berichtet.

In seiner Stellungnahme zum geplanten Cannabisgesetz (CanG) erklärt der Spitzenverband der GKV, es bestehe ‚keine Notwendigkeit für den medizinischen Einsatz von Cannabis in Form von getrockneten Blüten‘. Es stünden ‚besser geeignete Optionen‘ mit ‚standardisierten Extrakten und Fertigarzneimitteln auf Basis von Cannabis zur Verfügung‘. Das ist falsch!

Wenn jemand die Zahlen und Fakten kennt, sind es die GKV. In 70 Prozent der Fälle verschreiben Ärzt*innen Rezepte für Blütentherapien. Zum Verdampfen oder für die Herstellung von Präparaten, die in Apotheken patientenindividuell hergestellt werden. Z.B. Extrakte, Cremes, Zäpfchen. Diese Therapien und Verordnungen müssen von den Kassen genehmigt werden. D.h. sie haben den Überblick, wie die Medizin die Notwendigkeiten einschätzt. Sie wissen, was Patientinnen und Patienten hilft. Trotzdem behaupten die GKV dreist das Gegenteil. Obwohl sie die Wahrheit kennen. Sie wissen, dass es vergleichbar wirksame Fertigarzneimittel und Standardextrakte bisher so gut wie nicht gibt. Trotzdem fordern sie erneut, die ‚Leistungspflicht für Cannabis in Form von getrockneten Blüten zu überprüfen‘. Gerade sind sie damit im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bei der neuen Arzneimittelrichtlinie gescheitert. Schon versuchen sie es wieder, sich aus der Kostenübernahme für Medizinalcannabis zu verabschieden. Ihre Rechnung ist offensichtlich einfach. Wenn es ihnen gelänge, die Blütentherapien durch gezielte Falschinformationen aus der Leistungspflicht rauszubekommen, wären die Kassen das Gros der Patientinnen und Patienten los, die heute medizinisches Cannabis bekommen.

‚Der vorliegende Gesetzentwurf sollte zum Anlass genommen werden, die Leistungspflicht für Cannabis in Form von getrockneten Blüten … zu überprüfen‘. Aus Sicht der Betroffenen wird genau umgekehrt ein Schuh draus. Der vorliegende Gesetzentwurf sollte Anlass sein, den Kassen endlich verbindliche Regeln für Medizinalcannabis zu geben. Auf der Basis von Wissenschaft und Praxiswissen. Medizinalcannabis ist offensichtlich eine Provokation für die GKV.

Dabei mischen sich Interessen und Vorurteile. Die Kassen wollen so weit wie möglich raus aus der Kostenübernahme. Gleichzeitig wollen sie der Medizin im Genehmigungsverfahren weiter Vorschriften machen. Sie hängen in alten Vorstellungen fest, von Standardarzneimitteln einer industriellen Pharmazie. Lieber Big Pharma statt patientenindividuelle Apothekenpräparate. Und schließlich pflegen sie alte drogenpolitische Ressentiments*. Das geht jetzt so weit, dass der Spitzenverband der GKV gezielt Falschinformationen verbreitet!

*In der Stellungnahme zum Cannabisgesetz (CanG) heißt es an anderer Stelle, die Kassen erwarten mehr „in krimineller Absicht gefälschte Verordnungen“, wenn die Verschreibung auf BtM-Rezept entfällt.

Über Melanie Dolfen

Melanie Dolfen ist Inhaberin der Bezirksapotheken in Berlin Mitte und Friedrichshain. In den letzten zehn Jahren haben ihre Teams Schwerpunkte für Medizinal-Cannabis, HIV/ Hepatitis, Transidentität/ Diversität aufgebaut. Melanie Dolfen ist Expertin für medizinisches Cannabis. Regelmäßig spricht sie auf Kongressen und Branchenevents über gesundheitspolitische Themen. Sie engagiert sich für eine patientenindividuelle Pharmazie und die Stärkung der Apotheken im Verhältnis zu Ärzt*innen und Big Pharma. Melanie Dolfen ist Mitglied im Verband der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. (VCA), in der Deutschen Arbeitsgemeinschaft HIV- und Hepatitiskompetenter Apotheken e.V. (DAHKA) und im Verein gegen Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV-positiven Menschen (pro Plus Berlin e.V.).

Disclaimer: Gastbeiträge und Statements müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Mehr zum Thema

Leave a Comment