Zukunftsmärkte: Kyle Detwiler über den Produktionsstandort Kolumbien

by Lisa Haag

Medizinisches Cannabis für deutsche Patienten wird inzwischen in einer Vielzahl von Ländern produziert: in Kanada, in Portugal, in Lesotho und seit Neustem auch in Jamaika. Das Ende der Fahnenstange ist aber noch nicht erreicht. Immer mehr Produktionsländer sind exportfähig. Just hat der kolumbianische Präsident ein Dekret erlassen, das den Export von medizinischem Cannabis als Blüten ermöglicht. Zu den dort sehr aktiven Firmen zählt Clever Leaves. Die 2016 gegründete Firma hat inzwischen Geschäftsbeziehungen rund um den Globus, kooperiert auf dem deutschen Markt beispielsweise mit der französischen Pharmafirma Ethypharm. Mit dem nun erlassenen Dekret aus Kolumbien wird Clever Leaves zukünftig neben standardisierten Extrakten auch Cannabisblüten exportieren können. Wir haben bei Kyle Detwiler, CEO von Clever Leaves, nachgefragt, welche Auswirkungen das neue Produktionsland nach auf die internationale Versorgung mit medizinischen Cannabisprodukten haben wird. Welche Rolle wird das Dekret für die Menschen in Kolumbien spielen? Ein Interview über den Produktionsstandort Kolumbien, Wachstum durch strategische Zusammenarbeit und über globale Cannabis-Wachstumsstrategien.

krautinvest.de: Welche übergeordnete Strategie verfolgt Clever Leaves als Hersteller von medizinischem Cannabis?

Kyle Detwiler: Clever Leaves ist ein multinationales Cannabisunternehmen mit dem Schwerpunkt auf ökologisch nachhaltigen, großflächigen Anbau und der Verarbeitung von Cannabinoiden in pharmazeutischer Qualität als Eckpfeiler unseres globalen Cannabisgeschäfts. Unsere Strategie ist es, Cannabis so anzubauen, dass Cannabinoide mit einer erheblichen Kosteneffizienz im Vergleich zu anderen Unternehmen/Marktbegleitern dieser Branche anzubauen. So werden wir zu einem starken B2B-Partner für andere Cannabis- und Pharmaunternehmen sowie Konsumgüterhersteller. Hierdurch ermöglichen diesen Unternehmen, innovative Produktportfolios zu entwickeln, ihr Geschäft auszubauen und ihre finanziellen Ziele mit flexiblen Preismodellen zu erreichen. Wir decken selbst die gesamte Wertschöpfungskette ab, sehen uns aber auch als Dienstleister für B2B-Kunden. So können Firmen mit geringem Kapitaleinsatz ihr Geschäft entwicklen oder neue Potenziale für sich erschließen.

krautinvest.de: Welche Rolle spielt Kolumbien in diesem Zusammenhang? Wie wirkt sich das neue Dekret des kolumbianischen Präsidenten auf Clever Leaves Lieferkette aus?

Kyle Detwiler: Kolumbien ist mit dem Dekret in der Lage, sich als eines der wichtigsten globalen Exportzentren für medizinisches Cannabis zu entwickeln. Die Voraussetzungen für den Anbaubetrieb sind durch günstige klimatische Bedingungen und niedrige Betriebskosten ideal. Der neue Erlass ist eine unglaubliche Chance für Clever Leaves und die gesamte kolumbianische Cannabisindustrie, da er es allen kolumbianischen Produzenten erlaubt, medizinische Blüten weltweit zu exportieren und so in internationale Märkte einzutreten. In den letzten fünf Jahren haben wir in Kolumbien einen Betrieb aufgebaut, der nur Cannabisextrakte herstellen durfte. Diese können auch bisher schon ins Ausland exportiert werden. Die Möglichkeit, Blüten zu exportieren, könnte den adressierbaren Markt unseres kolumbianischen Betriebs verdoppeln, der mit einer Produktionsfläche von 1,8 Millionen Quadratmetern einer der größten seiner Art in der Welt ist. Außerdem ist es der einzige EU-GMP-zertifizierte-Cannabisbetrieb in Lateinamerika, der sowohl Blüten als auch Extrakte herstellt.

krautinvest.de: Wird Cannabis aus Kolumbien ein Gamechanger? Welche Auswirkungen hat die Verfügbarkeit von Ware aus Kolumbien auf das weltweite Angebot an medizinischem Cannabis?

Kyle Detwiler: Wir glauben, dass die Verfügbarkeit von Cannabis aus Kolumbien ein entscheidender Faktor sein wird. In der Vergangenheit wurde Medizinalcannabis in Regionen angebaut, in denen es wirtschaftlich und ökologisch wenig sinnvoll war. So wurde beispielsweise geschätzt, dass die Produktion von einer Unze (ca. 28 Gramm) medizinischem Cannabis in Innenräumen so viel CO2 ausstößt wie der Verbrauch einer Tankfüllung Benzin in einem Auto. Durch den Anbau in einem Gelände, in dem Cannabis auf natürlichere Weise wächst, können wir nicht nur die Qualität und die Kosten verbessern, sondern auch eine sondern auch eine Lösung für eine nachhaltigere Umwelt bieten. In Verbindung mit unserem kostengünstigen Betrieb in Portugal, der viele Merkmale mit Kolumbien teilt, glauben wir, dass sich die globale Lieferkette von Hochkostenländern wie zum Beispiel Kanada weg entwickeln wird. Ähnlich haben wir es bei den traditionellen Pharmazeutika gesehen, wo ein Großteil der Produktion jetzt aus Südostasien kommt. So könnte medizinisches Cannabis, das in Apotheken in Deutschland, Australien, Israel und vielleicht eines Tages in den Vereinigten Staaten oder Kanada verkauft wird, aus Regionen wie Kolumbien und Portugal stammen.

krautinvest.de: Welche Rolle spielt “Cannabis: Made-in-Columbia” für die Menschen in Kolumbien?

Kyle Detwiler: Wir denken, dass die Cannabisindustrie für Kolumbien großen Nutzen bringen kann. Zunächst einmal sind in einer der Kernregionen, in denen wir tätig sind, die meisten Beschäftigungsmöglichkeiten eher sporadisch. Clever Leaves ist eines der wenigen Unternehmen, die in dieser Region eine langfristige Form der Beschäftigung anbieten. Zusätzlich zu finanziellen und anderen Vorteilen setzen wir uns dafür ein, die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten der Gemeinden, in denen wir tätig sind, zu verstehen, um so faire Geschäfts- und Handelspraktiken zu gewährleisten. Eine soziale Initiative, die wir für besonders wichtig halten, ist beispielsweise die Beschäftigung von Frauen in Kolumbien, die als wirtschaftliches Instrument zur Bekämpfung der “Feminisierung der Armut” immer mehr an Anerkennung gewinnt. In Kolumbien haben wir fast 400 Mitarbeiter:innen, von denen zwei Drittel Frauen sind, die meisten von ihnen alleinerziehende Mütter. Wenn Kolumbien zu einem der größten Cannabisproduzenten der Welt wird, entsteht nicht nur ein neuer Arbeitsmarkt im Land und soziale Sicherheit, sondern auch eine neue Steuereinnahmequelle für die Regierung.

krautinvest.de: Wann rechnet ihr mit der Ankunft der ersten Produkte aus Kolumbien? 

Kyle Detwiler: Clever Leaves hat bereits nach Deutschland sowie nach Australien, Brasilien, Kanada, Chile, in die Tschechische Republik, Israel, die Niederlande, Peru, Polen, Spanien, Südafrika, dem Vereinigten Königreich und die Vereinigten Staaten exportiert. Wir gehen davon aus, dass wir unsere Produktlieferungen nach Deutschland und in andere Länder schrittweise erhöhen werden. Wir erweitern stetig unser Produktportfolio und erfüllen die verschiedenen pharmazeutischen Anforderungen der einzelnen Länder, in die wir liefern. Die Tatsache, dass wir der erste und einzige EU-GMP-zertifizierte-Cannabisproduzent in Lateinamerika sind, war ein Katalysator für die Ausweitung unserer Kundenbeziehungen. Allerdings kann es Jahre dauern, bis eine EU-GMP-zertifizierte-Lieferkette aufgebaut ist. Und es wird erhebliche Anstrengungen erfordern, diese aufrechtzuerhalten.

krautinvest.de: Welche Rolle spielen dabei strategische Partnerschaften im Vertrieb?

Kyle Detwiler: Wie bei Ethypharm, einem führenden europäischen Spezialpharmaunternehmen, sucht Clever Leaves nach strategischen Partnerschaften, die bedeutende Kompetenzen in den Bereichen Marketing, Vertrieb und lokales regulatorisches Wissen besitzen. Ethypharm hat beträchtliche Erfahrung in der Vermarktung pharmazeutischer Produkte in Deutschland, und Clever Leaves verfügt über Fachwissen und wichtige Zertifizierungen für die Fabrikation der pharmazeutischen Produkte, die Ethypharm auf den Markt bringen möchte (und für die es bis zu fünf Jahre dauern kann, Fähigkeiten zur Herstellung im eigenen Haus zu entwickeln). Wir haben weitere Partnerschaften dieser Art weltweit, die Marktführer in Ländern wie Australien, Brasilien, Peru und Mexiko identifizieren, in denen die Cannabinoid-Lieferketten allmählich Gestalt annehmen.

krautinvest.de: Arbeitet Clever Leaves an Initiativen zur Förderung von Forschung und Entwicklung?

Kyle Detwiler: Um die Erforschung des potenziellen medizinischen Nutzens der Cannabispflanze voranzutreiben, hat Clever Leaves die Initiative ‘Projekt Change Lives’ ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Programms bieten wir an, bis zu 25 Millionen US-Dollar an Einzelhandelswert für aus Cannabis gewonnene Inhaltsstoffe und Fertigprodukte für erstklassige Forschungen zur Verfügung zu stellen. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten sollen dabei helfen, den Bereich von Medizinalcannabis in den Vereinigten Staaten voranzubringen. Dazu haben wir bereits Partnerschaften im Rahmen des Programms mit der UC Davis und der Universität von Missouri angekündigt. Wir hoffen, auch mit anderen akademischen Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten.

krautinvest.de: Welche Rolle spielt die Weiterbildung und Schulung von Ärzt:innen in eurer globalen und nationalen Strategie?

Kyle Detwiler: Die Ausbildung und Fortbildung von medizinischem Fachpersonal ist der Schlüssel zur Verbesserung des Marktzugangs für Patienten weltweit. Cannabis als wichtige therapeutische Option, die für viele chronische Erkrankungen einsetzbar ist, wollen wir in so vielen internationalen Märkten wie möglich zugänglich machen. Wir wollen die wissenschaftliche, medizinische und klinische Forschung rund um medizinisches Cannabis auf globaler Ebene beschleunigen. Dafür werden wir weiterhin mit verschiedenen Unternehmen und Organisationen zusammenarbeiten, um so den Interessengruppen weltweit die genauesten Informationen über Medizinalcannabis zur Verfügung stellen zu können.

Über Kyle Detwiler:

Kyle hat 2017 Northern Swan Holdings gegründet, die im Jahr 2019 mit Clever Leaves fusionierte. Kyle besetzt hierbei die Stelle des Chief Executive Officers der Gruppe. Darüber hinaus ist er Mitgründer von Silver Swan Capital, einer Investmentfirma, die sich auf Nischen und wenig beachtete Sektoren konzentriert. Seine Erfahrung sammelte er als Principal bei Blackstones, einem Tactical Opportunities Fund und als Investmentexperte bei KKR, mit Schwerpunkt auf den Sektoren Öl und Gas, Energie, natürliche Ressourcen und das Gesundheitswesen.

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