Wegweisendes Hanf-Zeit-Urteil Ende Januar: Industrie zittert um die Zukunft

by Moritz Förster

Ironischerweise am 24. März 2021, dem Tag als der Bundesgerichtshof durch das Hanfbar-Urteil für großes Aufatmen in der Industrie sorgte und der Sachverständigenausschuss beim BfArM empfiehlt, die Rauschklausel zu streichen, lässt die Staatsanwaltschaft Paderborn die Geschäftsräume der Firma Hanf-Zeit durchsuchen. Auf 250.000 Euro beziffert Hanf-Zeit-Inhaber Stefan Nölker-Wunderwald den Wert der damals beschlagnahmten Waren. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Handel mit Betäubungsmittel in nicht geringen Maßstab, ohne dass eine entsprechende Erlaubnis vorliege. Das kommende Urteil des Amtsgerichts Höxter am 31. Januar, so fürchtet Hanf-Zeit-Verteidiger Kai-Friedrich Niermann, kann im “Worst-Case” für die ganze Hanfbranche in Deutschland den Todesstoß bedeuten.

Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte unter anderem Kekse mit Hanfsamenmehl, Hanfblättertee, CBD-Creme und CBD-Mundpflegeöl – allesamt Produkte, die für die Abgabe an Endverbraucher vorgesehen waren. Neben diesen Produkten wurde aber auch Pflanzenpulver beschlagnahmt, dass laut Hanf-Zeit bei der Herstellung des Tees entsteht und gar nicht für die Abgabe an den Endverbraucher vorgesehen war. Auch bei der beschlagnahmten Hanfpaste und dem Hanföl pocht Hanf-Zeit darauf, dass diese Produkte nicht für die Abgabe an Endverbraucher, sondern für die Weiterverarbeitung vorgesehen waren. Es sei entscheidend, dass die verwendete Biomasse im Moment der Probeentnahme durch die BLE den Wert von 0,3% THC nach dem im EU-Recht im vorgeschriebenen Testverfahren nicht überschreite, argumentiert Hanf-Zeit. Eine Weiterverarbeitung der Hanf-Biomasse müsse unbedenklich möglich sein, auch wenn in den einzelnen Arbeitsschritten der THC-Gehalt von 0,3 % gegebenenfalls überschritten werde, verteidigt sich das Unternehmen gegen die Vorwürfe. Beispielsweise sollte das Hanföl nach eigenen Angaben nicht direkt in den Verkehr gebracht werden, sondern in einem Kosmetikprodukt weiterverarbeitet werden. Auch weitere Biomasse, die die Staatsanwaltschaft beschlagnahmen ließ, sollte demnach nicht als solche in den Verkehr gebracht werden.

Zudem seien weitere beschlagnahmte Produkte wie Räucherhanf oder Duftkissen laut Hanf-Zeit nicht für den Verkauf an Endkunden in Deutschland bestimmt gewesen, sondern zur Weiterverarbeitung an Großhändler oder für den Versand ins Ausland.

Der Fall ist deswegen so brisant, weil das Gericht insbesondere darüber entscheiden muss, ob sich Unternehmer, die Hanf anbauen oder weiterverarbeiten, auch dann strafbar machen, wenn erst im Laufe der Weiterverarbeitung – beispielsweise in Abfallprodukten – der THC-Wert dort auf über 0,3 Prozent steigt. Zudem stellt sich die Frage, wie das Gericht die Lagerung von Hanf-Produkten und den Vertrieb an andere Großhändler oder ins Ausland bewertet, selbst wenn ein Verkauf an Konsument:innen in Deutschland nicht vorgesehen ist.

Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann warnt: “Sollte das Gericht selbst bei der Biomasse und den Beiprodukten einen Missbrauch zu Rauschzwecken bei der gewerblichen Weiterverarbeitung nicht ausschließen wollen, und eine solche Rechtsprechung herrschend werden, würde der Hanfanbau in Deutschland zum Erliegen kommen. Und das in einer Zeit, in der die Landwirtschaft und die Industrie für den ‘New Green Deal’ eigentlich dringend Alternativen zu herkömmlichen Fruchtfolgen, Baumaterialen und Plastikersatz brauchen. Schon jetzt wird Nutzhanf in großem Stil aus dem Ausland, insbesondere China, importiert.”

Die Quintessenz eines solchen – zumindest aus Sicht der Hanfunternehmen – Worst-Case-Szenarios: Alle Hanf produzierenden und verarbeitenden Unternehmen haften durchgehend für den THC-Gehalt aller Produkte, auch von Abfallprodukten, ganz gleich für welchen Verwendungszweck.

Geht der Fall für Hanf-Zeit und andere Hanfunternehmen dagegen günstig aus, urteilt das Amtsgericht, dass lediglich die Biomasse eingangs geprüft werden muss und auch Schwankungen des THC-Gehalts durch Weiterverarbeitung oder im Laufe der Lagerung nicht strafbar sind. Zudem bezieht sich in diesem Fall, die “Rauschklausel” ausschließlich auf Produkte, die unmittelbar zum Verkauf an Endkunden in Deutschland vorgesehen sind.

Niermann fordert: “Allein richtig kann sein, dass die Hanfbiomasse nach Erntefreigabe durch das BLE weiterverarbeitet werden kann, und für die Abgabe an Verbraucher nur die sektoralen Vorschriften des jeweiligen Anwendungsbereiches gelten, z.B. der ARfD der EFSA für den THC-Gehalt bei Lebensmitteln, die EU-Kontaminantenverordnung für Hanfsamenprodukte, die Kosmetikverordnung oder die Regularien für Futtermittel für Tiere.” Der Staatsanwaltschaft und dem Gericht wirft der Anwalt vor, “sich nicht ausreichend mit der Rechtslage und der Problematik beschäftigt zu haben” und die Existenz des Angeklagten aufs Spiel zu setzen, “obwohl es in der ganzen Zeit nie um den ‘Handel mit Betäubungsmitteln’ ging.“

Der 31. Januar könnte somit sowohl für den Angeklagten als auch für eine ganze Industrie zum Schicksalstag werden. Entweder drohen in der Folge bundesweit Hanf-Unternehmer:innen weitere Strafverfolgungen, bis der Ritt durch alle Instanzen erfolgt ist, oder aber die Industrie atmet auf – und es schließt sich der Kreis zum Hanfbar-Urteil.

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