Was macht eigentlich… Ein Cannabis-Sommelier?

ein Cannabis- Sommelier?

by Hande Savus

In der steig wachsenden Cannabisbranche entstehen neue Berufe beziehungsweise Berufsbezeichnung. Mit der Reihe “Was macht eigentlich…?” wollen wir den Blick auf die Berufe von morgen (eigentlich auch schon von heute) werfen und herausfinden, was die Personen hinter diesen Positionen täglich machen und wie man sich für derartige Berufe qualifizieren kann. Im ersten Teil fragen wir daher “Was macht eigentlich ein Cannabis-Sommelier?”.

Im letzten Jahr schaffte er es quasi aus dem Nichts auf die Titelblätter der großen Tageszeitung: “Erster Cannabis-Sommelier aus Deutschland kommt aus Spenge” titelte die Neue Westfälische im Oktober 2023. “Dieser junge Mann hat den heißbegehrten Job des Cannabis-Someliers ergattert” lautete es bei Leadersnet im Juni 2023. Es geht um den heute 30-jährigen Dominik Benedens, seit Mai 2023 Sommelier bei Cannamedical Pharma.

Nach Angaben des Unternehmens hatten sich über 2.000 Personen aus aller Welt für die ausgeschriebene Stelle beworben. Gleichzeitig scheint es sich auch um einen lukrativen Job zu handeln, so titelte Mitte Januar die Stuttgarter Nachrichten mit Verweis auf einen Galileo Dreh: “100.000€ Jahresgehalt: Cannabis-Sommelier gesucht“.

Was macht eigentlich... Ein Cannabis-Sommelier?

Auch Adele Hollmann (rechtes Bild) und Tim Dresemann (linkes Bild) sind sogenannte Cannabis- Sommeliers bei der Sanity Group. Zuletzt reisten die beiden im Vorfeld des Schweizer Pilotprojekt Grashaus Projects nach Humboldt County, Kalifornien, um am Ganjier-Programm teilzunehmen. Während der einwöchigen Schulung besuchten Tim und Adele verschiedene Workshops und können sich nun als “Ganjiers” bezeichnen – ihre Erfahrungen und Eindrücke vermitteln sie in dem Youtube-Video “HOW TO BECOME A CANNABIS SOMMELIER – with Ganjier“.

Was macht eigentlich... Ein Cannabis-Sommelier?
Was macht eigentlich... Ein Cannabis-Sommelier?

Der Begriff Sommelier stammt aus dem Französischen und soll nach einigen Quellen vom Begriff Saumalier abgeleitet sein. So wurden früher die Führer von Saumtieren (z.B. Esel) genannt. Diese Tiere transportierten damals Lasten und Waren. Es ist zwar nicht bekannt, ob die Führer für die Auswahl der Ladung mitverantwortlich waren, doch soll sich daraus der Begriff Sommelier entwickelt haben. Eine andere Quelle führt den etymologischen Ursprung auf das altfranzösische Wort “somme” zurück. So seien Sommeliers in Klöstern für Geschirr, Tischwäsche, Brot und Wein zuständig gewesen. Der Beruf des Sommeliers ist also aus dem mittelalterlichen Amt des Mundschenks hervorgegangen.

Heute assoziieren viele mit dem Begriff elegant gekleidete Personen in schicken Restaurants und Weinläden, die am Wein riechen und die Kund*innen zum Schlürfen anleiten. Sie beraten Restaurants oder Privatpersonen, welche Weine zu ihren Gerichten passen könnten. Hinter dem Beruf steht in diesem Fall eine mehrjährige Ausbildung.

Dagegen ist die Bezeichnung Cannabis Sommelier in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung. Dahinter verbirgt sich auch keine staatlich anerkannte Ausbildung. Trotzdem haben verschiedene Cannabisunternehmen in Deutschland diese Positionen besetzt. 

Doch was macht ein Sommelier eigentlich in der Cannabisbranche? Wir haben Dominik Benedens von Cannamedical Pharma, Adele Hollmann und Tim Dresemann von der Sanity Group gefragt.

krautinvest.de: Tim, wie bist du auf die Idee gekommen, als Cannabis-Sommelier zu arbeiten?

Tim Dresemann:”Als der Medizinalcannabismarkt sich langsam öffnete, glaubten viele noch, dass die Qualität von Cannabisblüten mit den Vorgaben des Arzneibuches bereits ausreichend gesichert sei. Es wurde aber schnell klar, dass viele Patient:innen bereits mit einem deutlich erweiterten Qualitätsverständnis ausgestattet waren – neben der pharmazeutischen Qualität von Cannabisblüten rückten damit Dinge wie Restfeuchte, Bag-Appeal und vor allem das Aroma in den Fokus. Qualität, weder im pharmazeutischen Sinne noch im Sinne erfahrener Patient:innen, ist aber kein Selbstläufer. Somit musste sich auch unser Ansatz beim Sourcing grundlegend ändern, die Art und Weise also, wie wir bei der Auswahl der Partner und Produkte vorgehen, die wir in unser Portfolio aufnehmen wollen.

Zu der Zeit war ich bereits für die Sanity Group tätig und habe mich aktiv um diese Tätigkeit bemüht. Ich habe Agrarwissenschaften studiert und hatte bereits langjährige Erfahrungen mit Cannabis, auch was den Anbau angeht. Außerdem hatte ich beruflich bereits mit dem Sourcing von Arznei-, Aroma- und Gewürzpflanzen zu tun – es hat also gepasst. Die Bezeichnung “Cannabis-Sommelier” war damals allerdings noch ziemlich exotisch. Ich stehe ihr auch immer noch etwas zwiegespalten gegenüber, weil der Begriff eigentlich fest mit Wein verknüpft ist. Es gibt da aber tatsächlich auch starke Parallelen, also vielleicht passt es ja doch…”

krautinvest.de: Dominik, wie hast du dich bei Cannamedical beworben – und vor allem, wie hast du dich gegen die vielen anderen Bewerber:innen durchgesetzt?

Dominik Benedens: “Mein Weg zu Cannamedical begann mit einem entscheidenden Anstoß durch meine Frau, die mich ermutigte, mich trotz anfänglicher Zweifel zu bewerben. Der Bewerbungsprozess selbst war dann eine intensive Erfahrung, in der mein Fachwissen und meine Leidenschaft für Cannabis auf Herz und Nieren geprüft wurden. Bei einem persönlichen Interview bei Cannamedical Pharma vor Ort hatte ich dann die Gelegenheit, meine Kenntnisse und mein Engagement für die medizinische Anwendung von Cannabis zu präsentieren.
Die tiefgehenden Gespräche während des Bewerbungsverfahrens haben nicht nur meine Eignung für die Position bestätigt, sondern auch mein Verständnis für die Anforderungen und Ziele von Cannamedical geschärft. Die positive Entscheidung von Cannamedical für mich war ein bedeutender Moment, der mir zeigte, wie wertvoll es ist, Chancen zu ergreifen und sich von den Menschen unterstützen zu lassen, die an einen glauben.”

krautinvest.de: Welche Bezeichnung für deine Tätigkeit bevorzugst du, Tim?

Tim Dresemann: “In meiner E-Mail-Signatur steht “Agronomist / Product Expert / Sommelier”. Je nachdem, ob es also gerade um die Einordnung einer Anlage geht, um die vielen Besonderheiten, die Cannabis als komplexes Produkt generell mit sich bringt oder darum, (nicht-pharmazeutische) Qualitätsaspekte von Cannabisblüten einzuordnen und “greifbar” zu machen, steht mal das eine oder das andere im Vordergrund. 

Außerdem darf ich mich als “Certified Ganjier” bezeichnen, seitdem ich die entsprechende Schulung bzw. Prüfung absolviert habe.”

krautinvest.de: Wie haben Familienmitglieder oder Freund*innen auf deine Tätigkeit reagiert, Tim?

Tim Dresemann: “Durchweg positiv. In meinem engeren Umfeld waren meine Leidenschaft für und mein Interesse an Cannabis schon ganz gut bekannt… Dass es nun endlich möglich ist, das auf legale Weise beruflich auszuleben und seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen, ist natürlich noch ziemlich neu und verblüfft deshalb auch teilweise immer noch. Die meisten haben mittlerweile aber auch verstanden, dass es eben nicht darum geht, für Geld zu kiffen… “

krautinvest.de: Wie sieht der Alltag eines Cannabis-Sommeliers aus?

Dominik Benedens: “Mein Alltag als Cannabis-Sommelier bei Cannamedical ist vielfältig und anspruchsvoll. Als Qualitätsführer in Deutschland liegt unser Fokus auf der kontinuierlichen Verbesserung der Produkteigenschaften: Geruch, Aussehen, Wirkung. Ich führe Gespräche mit unseren Zulieferern, definiere Standards für die Beschaffenheit der Cannabis-Buds, darunter Aspekte wie das Trimming und die Mindestgröße der Blüten. Auf die anstehende Re-Klassifizierung von einem Betäubungsmittel zu einem einfach zu verschreibenden Arzneimittel im Rahmen der anstehenden Legalisierung haben wir uns bereits vorbereitet: Wir sind in der Lage, bis zu 5 Tonnen Medizinalcannabis monatlich bereitzustellen und können mit den Ressourcen der PS Pharma bis zu 100t verpacken, sortieren und etikettieren. Qualität ist für unsere Patient:innen essenziell, daher umfasst mein Job auch Besuche bei Herstellern im Ausland, um mit diesen gemeinsam die besten Strains zu entdecken und in den Markt zu bringen.”

Tim Dresemann: “Eine meiner zentralen Aufgaben besteht darin, die internationale “Angebots-Landschaft” für Medizinalcannabis genau zu beobachten: wer baut wo und unter welchen Bedingungen welche Sorten / Genetiken an? Wie werden die Produkte nach der Ernte behandelt? Wem trauen wir die nötige logistische Reife zu, konsistent hochwertige Produkte zu liefern, die außerdem noch arzneibuchkonform sind? 

So haben wir uns bereits mehr als 300 potenzielle Anbaupartner weltweit angeschaut. Mittlerweile läuft viel über Empfehlungen – wir sind ziemlich bekannt im Markt und viele Anbauer kontaktieren uns direkt. Wenn beidseitiges Interesse da ist, gibt es ein Kennenlernen, z.B. per Videocall: Passt unser Qualitätsverständnis zueinander? Welche Geschichten erzählen die Produkte, die Anlage, das Team? Wie ist der Vibe? 

Alle diese Punkte sind in einer Partnerschaft, wie wir sie uns vorstellen, von zentraler Bedeutung. Natürlich gibt es aber auch noch konkrete Dinge zu klären: Rahmenbedingungen, verfügbare Produkte, zeitliche Abläufe, Volumina, Logistik, Lizenzen…  Passt weiterhin alles, wird es “ernst”: wir besuchen die Anlage und testen das Produkt – in dem Umfang, in dem das die rechtlichen Bedingungen zulassen. Das ist insgesamt keine Kleinigkeit und auch oft mit großem Aufwand verbunden – wir betrachten das aber als integralen Bestandteil unserer Sourcing-Philosophie und das Feedback der Patient:innen bestätigt uns darin.”

Adele Hollmann: “Mein Hauptprojekt, ist das wissenschaftlich begleitete Pilotprojekt „Grashaus Projects“ in der Schweiz, bei welchem wir in den nächsten 5 Jahren in den ersten beiden legalen Cannabis-Verkaufsstelle Europas Studienprodukte an knapp 4.000 Studienteilnehmer abgeben können.

In diesem Projekt habe ich unter anderem die Antragstellung begleitet, Produkte von den Produzenten ausgewählt, Dokumente wie das Präventionskonzept geschrieben und ein Schulungskonzept für die Budtender erstellt und durchgeführt. 

Der Ganjier Kurs zusammen mit meinem akademischen Hintergrund hat mir dabei geholfen, das Schulungskonzept des Fachpersonals aufzusetzen, bei dem es auch um die risikominimierende Produktempfehung und den Kundenkontakt geht. Aber auch bei der richtigen Produktauswahl und Produktentwicklung der Edibles zusammen mit dem Produzenten hat mir das Qualitätsverständnis des Ganjier Kurses sehr geholfen. In den Pilotversuchen begeistert mich vor allem die Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Bildung und Business Development, um innovative Ansätze auf dem europäischen Cannabis-Markt zu fördern.”

krautinvest.de: Wie bewertet man unterschiedliche Cannabisproben? Gibt es Beschreibungen von Geschmack (wie beim Wein)? Blumig, erdig?

Dominik Benedens: “Die Bewertung von Cannabisproben basiert auf einem neuen Standard, der von Expert:innen von Cannamedical und mir entwickelt wurde. Dieser umfasst unter anderem Optik, Haptik und Geruch. Ein zentraler Aspekt hierbei sind zudem die Terpene. Terpene sind aromatische Verbindungen, die in vielen Pflanzen und Früchten vorkommen und für den charakteristischen Geruch von Cannabis verantwortlich sind. Sie tragen nicht nur zum Aroma bei, sondern können auch die Wirkung der Cannabinoide modulieren und verstärken, was das therapeutische Potenzial von Cannabis beeinflusst. Unsere Bewertung nimmt daher Terpenprofile gezielt in den Blick, um eine hohe Produktqualität und ein angenehmes Patientenerlebnis zu gewährleisten. Die Adjektive zur Beschreibung des Geschmackprofils ähneln aber in der Tat denen aus anderen Branchen, in denen der Geschmack eine Rolle spielt. Wir streben nach Stabilität in der Produktion und haben einen neuen Standard etabliert, der die natürliche Variabilität von Cannabis berücksichtigt und gleichzeitig höchste Qualität gewährleistet.”

Tim Dresemann: “Tatsächlich hat die Bewertung von Cannabisblüten viele Gemeinsamkeiten mit der Bewertung von Wein. Vor diesem Hintergrund wurde auch das Bewertungssystem von Ganjier entwickelt. 

Danach werden systematisch alle relevanten Kategorien abgeprüft: Aroma, Erscheinung (‘Appearance’), Flavor (‘Geschmack’) und die Erfahrung (‘Experience’). Jede Kategorie besteht aus verschiedenen Parametern, von denen die meisten numerisch, also auf einer Skala von 1-10 bewertet werden. Zur Kategorie Aroma gehören bspw. Parameter wie Intensität, also wie stark das Aroma ist, und Komplexität, die beschreibt, wie viele unterschiedliche Noten sich im Aroma finden lassen. Diese Noten werden natürlich auch so gut es geht benannt und es gibt auch 5 aromatische Hauptgruppen: Fruit, Floral, Earth, Fuel und Sweet.

So arbeitet man sich durch die Kategorien und es ergibt sich ein Gesamt-Score zwischen 0 und 100. Dabei ist wichtig, dass hier eben nicht meine persönlichen Vorlieben dokumentiert werden – wenn ich bspw. die Komplexität eines Aromas bewerte, geht es für mich zunächst nur darum, wie viele verschiedene Noten wahrnehmbar sind. Ob und wie sehr das Aroma einer Blüte mir persönlich gefällt, ist am Ende nicht so wichtig – was zählt ist, ob sie in unserem Portfolio einen echten Mehrwert für die Patient:innen darstellen kann.”

krautinvest.de: Neben Geschmack geht es um (medizinische) Wirkungen der Sorten. Wie bewertest oder ordnest du diese Wirkung ein?

Dominik Benedens: “Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen und der individuellen Wirkung von Cannabis ist es mir nicht möglich, direkt die Effekte jeder Sorte zu bewerten. Unsere Bewertungen und Empfehlungen basieren auf umfassenden Laboranalysen und der genetischen Zusammensetzung der Pflanzen, um potentielle Wirkungen zu verstehen. Da Cannabis als hochindividuelles Arzneimittel wirkt, ist für Patient:innen die enge Absprache mit dem behandelnden Arzt oder Ärztin wichtig für den individuellen Therapieerfolg. Pauschalaussagen zu den medizinischen Wirkungen kann ein Hersteller also grundsätzlich nicht treffen. Mit der Bereitstellung unserer analytischen Daten und der genetischen Informationen über die Cannabis-Sorten verfolgen wir jedoch das Ziel, eine optimale therapeutische Wirkung zu gewährleisten, unerwünschte Nebenwirkungen zu minimieren und die Lebensqualität der Patient:innen zu verbessern.”

Tim Dresemann: “Das ist sicherlich eine der größten Herausforderungen in meinem Job. Die Wirkung, die eine Sorte Cannabis auf mich hat, kann sich von der Wirkung, die sie auf jemand anderen hat, unterscheiden – Cannabis hat somit einen sehr persönlichen Aspekt. 

Im Hinblick auf den Effekt versuche ich daher vor allem, einen guten Eindruck zu bekommen, was die wesentlichsten Eckpunkte betrifft: Einerseits ist das natürlich die Stärke bzw. Potenz, die sich deutlich schlechter nur über den THC-Gehalt ablesen lässt, als oft angenommen wird. Außerdem hat jede Sorte auch gewisse “Grundrichtungen”, oder Tendenzen, was ihre Wirkung betrifft. Cannabis kann energetisierend wirken, aber auch stark beruhigend; es gibt Sorten, die eher gesprächig machen oder eher zum Nachdenken anregen, den Fokus enger oder weiter werden lassen, den Appetit anregen oder zügeln, die Schleimhäute mehr oder weniger austrocknen usw. …

In Kombination hat das alles natürlich einen riesigen Einfluss darauf, ob und wie sehr sich eine bestimmte Sorte für ein bestimmtes Individuum in einer bestimmten Situation eignet – oder eben nicht. Und ja, natürlich kann das subjektiv von Individuum zu Individuum sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Daher ist es uns auch wichtig, hier keine endgültigen Aussagen zu treffen, nicht ZU spezielle Erwartungen zu wecken, sondern vor allem die Grundrichtung anzudeuten

So kann es letztlich gelingen, aus der riesigen, manchmal überfordernden Vielfalt, die Cannabis bietet, individualisierte Therapieansätze zu schaffen, die Patient:innen im Idealfall dort abholen, wo sie sind.”

krautinvest.de: Gibt es international auch andere Sommeliers? Gibt es einen Austausch von Wissen?

Dominik Benedens: “Ich bin regelmäßig im Ausland unterwegs und im Austausch mit der internationalen Cannabis-Community, insbesondere mit Anbauern und deren Master Growern. Dieser Austausch ist wertvoll, um Einblicke in neue Methoden und Trends zu erhalten und unser Wissen kontinuierlich zu erweitern.”

krautinvest.de: Tim Dresemann und Adele Hollmann, ihr wart bei Ganjier – würdet ihr sagen, dass dies ein Beispiel für ein internationales Netzwerk des aktiven Wissensaustausch darstellt? Wie war das Programm bei Ganjier?

Adele Hollmann: “Der Ganjier-Kurs besteht zum einen aus 40 Stunden Videocontent, der alle Aspekte von Cannabis abdeckt – von der Geschichte über Produktion und Verkauf bis hin zur Beratung und Qualitätsanalyse. Zum Anderen besteht es aus einem Live-Training in Nordkalifornien, wo wir direkt von lokalen Legenden des Cannabisbereichs lernen konnten Qualität einzuschätzen. Hierbei analysiert man Cannabisblüten nach Aussehen, Geruch, Geschmack und Effekt, um am Ende ein Scoring zu vergeben und die Blüten vergleichbar zu machen. Zum Abschluss des Kurses gab es eine Prüfung, bei welcher theoretisches Fachwissen abgefragt wurde, wir ein Beratungsgesprächs imitiert haben und die Qualität einer Cannabis-Sorte analysiert wurde.Dieser Kurs und der Besuch in Nordkalifornien waren mein Arbeits-Highlight von 2022 und ich kann ihn jedem ans Herz legen, der sich mehr mit dem Thema auseinandersezten möchte.”

Tim Dresemann: “Ja, definitiv! Das ist auch das, was mich rückblickend am meisten an dem Programm beeindruckt hat: Es ist dort gelungen, Menschen aus sehr unterschiedlichen Richtungen zusammenzubringen und Teil einer Gemeinschaft werden zu lassen – vereint von ihrer tiefen Leidenschaft zu Cannabis und dem Wunsch, die Beziehung zu dieser wunderbaren Pflanze noch weiter zu vertiefen. Teil dieser Community zu sein, ist schon etwas Besonderes. “

krautinvest.de: Da es sich um einen neuartigen Beruf handelt: Welche Qualifikationen sollte ein Cannabis- Sommelier besitzen? Welche Eigenschaften, Voraussetzung und Talente, sowie Berufserfahrung brauchen die Sommeliers von morgen?

Dominik Benedens: “In Deutschland gibt es keine klassische Ausbildung für diesen Beruf, doch in Ländern wie Kanada und den USA existieren spezifische Kurse. Wichtig sind vor allem umfangreiches Fachwissen über Cannabis und die relevanten Zertifikate für die pharmazeutische Herstellung und Abgabe sowie eine Leidenschaft für das Thema. Meine zehnjährige Erfahrung als Cannabis-Aktivist und mein Fachwissen waren ausschlaggebend für meine Position bei Cannamedica

Tim Dresemann: “Ich glaube, dass es gut ist, sich zunächst mal grundsätzlich Gedanken zu machen, auf welcher Ebene man mit dem Thema (mit Cannabis!) arbeiten möchte. Die Konsum-Ebene, auf der sich der Sommelier viel bewegt, ist dabei nur eine der vielen spannenden Facetten. Auf dieser Ebene ist vor allem langjährige Erfahrung nicht zu ersetzen, denn nur so kann ein ausreichend großes Vergleichsspektrum entstehen. Eine Frage könnte ja sein: ist das hier WIRKLICH eine außergewöhnliche Cannabisblüte oder ist sie das nur für mich, weil ich so etwas zum ersten Mal sehe. Das ist ein sehr relevanter Unterschied und war auch einer der Hauptgründe für die Entscheidung, am Ganjier-Programm teilzunehmen; hier hat man die Möglichkeit, die eigenen Einschätzungen mit denen von echten Urgesteinen der Szene zu kalibrieren – das ist in der Tiefe schon ziemlich einmalig.

Darüber hinaus kann es viel Sinn ergeben, sich mit Themen wie Anbau, Weiterverarbeitung / Veredelung, Extraktion, Marketing, Events oder auch den Business-Aspekten von Cannabis zu befassen.”

krautinvest.de: Wird sich eine Cannabis-Sommelier-Ausbildung etablieren? Was sollte in einer solchen Ausbildung auf dem Lehrplan stehen?

Dominik Benedens: “Zwar wächst die Cannabisbranche, aber der Beruf des Cannabis-Sommeliers wird vermutlich kein klassisches Berufsbild. Die Besonderheit dieses Feldes liegt in der Kombination aus fundiertem Fachwissen, praktischer Erfahrung und einem tiefen Verständnis für die Qualitätsbeurteilung von Medizinalcannabis. Bei Cannamedical, wo wir unter anderem unter strengen GMP-Standards anbauen, ist es essenziell, dass Mitarbeiter:innen auch mit den komplexen Prozessen der Qualitätssicherung und -kontrolle vertraut sind.

Eine fundierte Ausbildung sollte Module zur Botanik von Cannabis, zur Pharmakologie der Cannabinoide und Terpene, zu rechtlichen Rahmenbedingungen, sowie zur Handhabung und Lagerung von Cannabisprodukten umfassen. Darüber hinaus sollten Kenntnisse über die Abwesenheit von Schadstoffen, Keimarmut und die spezifischen Anforderungen an die Produktqualität Teil des Lehrplans sein. Ein tiefgehendes Verständnis für die Prozesse, die eine langfristige Qualitätssicherung ermöglichen, wie die Bewertung der Mutterpflanze, die Überwachung der Anbaubedingungen und die Analyse von mehreren Batches, ist unerlässlich. Angesichts der individuellen Wirkung von Cannabis auf Patient:innen ist zudem ein fundiertes Verständnis für die medizinischen Aspekte des Cannabisgebrauchs unabdingbar.”

Adele Hollmann: “Das von mir aufgestellte Schulungskonzept des Fachpersonals bei Grashaus Projects ist in 5 verschiedene Schulungen (Pilotversuch, Prozesse, Cannabis, Produkte, Kundenkontakt) à 2 Stunden aufgeteilt umfasst unter anderem folgende Punkte: 

  • Einführung Cannabis (Politische Ausgangslage; Geschichte; Die Cannabispflanze; Produktion und Post-Harvest; Cannabisprodukte; Sensorische Qualitätsanaylse; Wirkungsweise von Cannabis; Safer- Use und Prävention; Risiken des Cannabiskonsums)
  • Kundenkontakt (Allgemeiner Umgang (Exzellenter Service, Kommunikation, Teamarbeit); Produktberatung; Beratung Substanzkonsumproblem; Auffälligkeiten)

Ich könnte mir sehr gut vorstellen auch in Deutschland an einem Schulungskonzept oder Ausbildungsberuf als Cannabis-Sommelier mitzuwirken, da es auch hier in Hinblick auf die Cannabis Social Clubs von immenser Wichtigkeit ist als Budtender die Konsument:innen professionell und risikominimierend beraten zu können.”

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