Shlomo und Lauren Booklin über Qualität im Cannabis-Anbau, EU-GMP, CACP – und Covid-19

by Lisa Haag

Ein Experteninterview mit Mastergrower Shlomo Booklin und GMP-Spezialistin Lauren Booklin

Weltweit entstehen und wachsen neue legale Cannabis-Unternehmen in verschiedenen Industriezweige. Immer mehr Länder entwickeln regulatorische Rahmenbedingungen für legale unternehmerische Aktivitäten für medizinisches Cannabis, Recreational, CBD oder auch für die industrielle Anwendung. Dabei übersehen wir häufig: Es handelt sich nicht um per se neue Industrien. Vielmehr entstehen für einst illegale Märkte legale Strukturen.

Die Transformation ist in vollem Gange: Professionelle Geschäftsmänner und -frauen bauen legale Unternehmen und Industrie auf. Einhergehend mit der weltweiten Nachfrage erlauben zunehmend mehr Länder Unternehmen, medizinisches und “recreational” Cannabis anzubauen und zu produzieren. Allerdings erfordern Einrichtung und Betrieb dieser Anlagen nicht nur Fachwissen für die Kultivierung der Pflanzen, sondern auch regulatorische Expertise.

Diese Expertise ist weltweit rar gesät. Zu den seit Jahren anerkannten Fachleuten zählen Shlomo Brooklin und seine Frau Lauren. Shlomo, ein angesehener Experte für Anbau und Kultivierung, hat international mit vielen legalen Cannabis-Produzenten zusammen gearbeitet – etwa als Master Grower für Tilray und Medreleaf – und begleitete in den letzten vier Jahren unter anderem in Kolumbien, Kanada, Europa, Afrika den Anbau nach G.A.C.P.-Standards. Lauren ist vor etwa zwei Jahren zum gemeinsamen Unternehmen dazugestoßen, managt seit einigen Jahren als Beraterin die Kundenbeziehungen, beaufsichtigt die Projekte und konzentriert sich inhaltlich auf EU-GMP Compliance und Produkt-Rezepturen. Als Team unterstützen die beiden ihre Kunden als Dienstleister bei verschiedenen Themen vom Anlagendesign, der Umsetzung des Projekts, der Einhaltung von Standards, der Verbesserung von Anbau- und Produktionsmethoden bis hin zur Einführung von Gesamteffizienz.

Shlomo und Lauren Booklin über Qualität im Cannabis-Anbau, EU-GMP, CACP - und Covid-19
Shlomo hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Arbeit mit kommerziellen Cannabis-Großbetrieben und -Anlagen.
Er arbeitete zunächst in Israel, Australien, Europa und in den letzten 20 Jahren in Kanada.
Shlomo und Lauren Booklin über Qualität im Cannabis-Anbau, EU-GMP, CACP - und Covid-19
Laurens beruflicher Schwerpunkt liegt in der Beratung zu EU-GMP-Angelegenheiten und Rezepturen in Bezug auf Cannabis.
Lauren hat viele Jahre an der Seite von Shlomo gearbeitet und verfügt über ein ausgeprägtes und prozessorientiertes Verständnis für die Anbaupraktiken in kommerziellen Gewächshäusern.

Beispielsweise bereitet und begleitet das unternehmerische Ehepaar in Portugal gemäß der strengen EU-Pflanzenschutzbestimmungen den Export von sechs bis sieben Millionen Cannabis-Pflanzen je Saison (etwa 250.000 Pflanzen pro Woche!) nach Holland und Großbritannien.

krautinvest.de hat mit Lauren und Shlomo über ihre Erfahrungen auf dem Gebiet des professionellen Cannabisanbaus und das Betreiben der Anlagen gesprochen. Wie hat sich die Branche im Laufe der Zeit entwickelt? Was glauben die beiden, werden die zukünftigen Trends sein? Shlomo und Lauren berichten auch, wie sich Covid-19 auf ihre Arbeit und die Abläufe im Anbau und Export ausgewirkt hat.

“Wenn man nicht exzellent ist, wird man nicht bestehen”

krautinvest.de: Im Laufe der Jahre habt Ihr viele Anbaubetriebe rund um den Globus mit aufgebaut. Was sind Eure wichtigsten Erkenntnisse für den Cannabisanbau?       

Shlomo: Die wichtigsten Punkte sind: von Anfang an die Gesamtziele des Betriebs zu kennen, zu entscheiden und zu vereinbaren, wie diese erreicht werden können. Es ist wichtig, ein klares Bild davon zu haben, an welchem Teil der Industrie man mitarbeiten möchte: Anbau, Extraktion, Import/Export, Fertigprodukt, Formulierung und/oder andere. Der Markt wird immer anspruchsvoller und man kann nicht in allen Bereichen brillieren! Unternehmer müssen sich auf einen Bereich konzentrieren und sich dort hervorheben – wenn man nicht exzellent ist, wird man in diesem hart umkämpften Markt nicht bestehen können.

Lauren: Die Qualitätsanforderungen werden auf dem gesamten Markt strenger, weil neue Akteure in Portugal und außerhalb Europas in den Markt einsteigen. Der Preis wird einen gewissen Einfluss haben, aber hauptsächlich wird es die Qualität sein! Beständigkeit ist und wird ein noch entscheidenderer Punkt sein, wenn es um die Wahl eines Cannabis-Lieferanten geht. Für medizinisches Cannabis muss man die GACP- und EU-GMP-Standards einhalten und sich über all diese Anforderungen bewusst sein und den Betrieb entsprechend planen.

“Qualität, Konformität, Effizienz und Beständigkeit”

krautinvest.de: Was sind die wichtigsten Faktoren beim Aufbau und der Planung einer Cannabisanlage?

Shlomo: Compliance und Qualität sind sicherlich die wichtigsten Faktoren, GACP und EU-GMP sind zweifelsohne am wichtigsten, aber man muss auch den Markt kennen. Effizienz ist auch sehr wichtig und die Planung einer Anlage im Voraus, um ihr die Flexibilität zu geben, sich an regulatorische Änderungen und einen dynamischen Markt anzupassen. Man muss auf Details achten, in der Planungsphase auf den Personal- und/oder Produktfluss und auch zukünftige Erweiterungen berücksichtigen.

Lauren: Die wichtigsten Faktoren sind Qualität, Konformität, Effizienz und Beständigkeit.

krautinvest.de: Ihr habt viele Jahre Erfahrung in dieser Branche und habt sie entstehen sehen. Wie hat sich die legale Cannabisindustrie Eurer Meinung nach in den letzten Jahren entwickelt?

Shlomo: Ich habe schon vor Jahren gesagt, dass die legale Cannabis-Industrie (vor allem in den USA und Kanada) eine “Fusion” aus Silicon Valley und “illegalen Cannabis-Growern” ist. Einige Unternehmer mit einem Konzept und Geld stiegen in den Cannabis-Schwarzmarkt ein. In den letzten drei bis fünf Jahren oder so ist der Markt etwas gereift und immer mehr Leute mit Anzug und Krawatte besuchen Cannabis-Konferenzen und man bemerkt eine seriösere und professionellere Herangehensweise sowie sehr große Unternehmen, die der Branche beigetreten sind.

Aus der Perspektive des Anbaus gibt es mehr und mehr “Professionalität”, wenn es um Grower und/oder andere Positionen geht. In den legalen Märkten sehen wir eine stetige Nachfrage nach Cannabisprodukten von älteren Menschen, den Baby Boomers, die mittlerweile etwa 60 Prozent der Nachfrage auf dem medizinischen Cannabismarkt ausmachen. Cannabis wird zu einem wertvollen Gut für eine vielfältige Gruppe von Patienten und Konsumentengruppen einer breiten Altersspanne.

Lauren: Die Anpassung an höhere Produktionsstandards, die Einhaltung von GACP und vor allem EU-GMP werden immer mehr zur Norm und zum Fokus der Mainstream-Züchter. Ein Beispiel: Von etwa hundert lizenzierten (!) Züchtern in Kanada haben bisher nur etwa sechs eine EU-GMP-Akkreditierung erreicht.

“Höhere Produktionsstandards werden Norm”

krautinvest.de: Wie wirkt sich die aktuelle Situation mit Covid19 auf die Anbaubetriebe aus?

Shlomo: Es gibt viele Ebenen, auf denen man das betrachten kann. Erstens: Reisen. Die meisten unserer Projekte sind international. Die Tatsache, dass ich nicht reisen konnte, war sehr hart, die Projekte sind in verschiedenen Stadien. Auch der Mangel an Fachkräften war in der Branche ein Thema. Es gibt nur wenige Experten auf der ganzen Welt, und der internationale Know-how-Transfer ist essentiell für Unternehmen, die nach den modernsten Standards der Branche arbeiten. Einige Projekte in der Fundraising-Phase befanden sich in der Warteschleife, da Investitionen auf Eis gelegt wurden – mit Investoren, die abwarten, wie es weitergeht.

Internationale Reisen sind immer noch ein Thema. Es ist eine sehr fließende Situation, abhängig von den Covid-19-Fällen in den verschiedenen Städten und Ländern. Pläne für Reisen zu verschiedenen Projekten müssen fast täglich überwacht werden. Als Kanadier muss ich jedes Mal, wenn ich nach Kanada zurückkehre, 14 Tage lang in “Selbstisolation/Quarantäne” in einem Hotel verbringen. Selbst jetzt, in diesem Moment, befinde ich mich in einem Hotel in Quarantäne. Ich bin in den letzten drei Monaten dreimal gereist und habe bereits sechs Wochen in Selbstisolation verbracht – das ist sehr kostspielig und belastend für die Familie.

Es schien so, als ob der europäische Markt in Schwung gekommen war, mit internationalen Konferenzen wie der ICBC und anderen in London, Cannabis Europa Madrid und anderswo. Das waren großartige Gelegenheiten, Gleichgesinnte und Kollegen zu treffen und B2B-Verbindungen zu fördern. Dass all diese Veranstaltungen nicht stattfanden, war meiner Meinung nach wirklich schädlich für die Dynamik, die Europa aufgenommen hatte.

Lauren: Die Reisebeschränkungen haben definitiv einige der endgültigen Übergaben und Genehmigungen der Anlagen aus der GMP-Perspektive behindert, da die Inspektoren nicht mehr ins Ausland reisen konnten, um GMP-Inspektionen durchzuführen. Dies wurde teilweise dadurch gelöst, indem einige Inspektoren Ferninspektionen ermöglichten und eine vorläufige GMP-Zertifizierung erteilten, bis zur endgültigen physischen Inspektion – also solange bis die Reisebeschränkungen kein Problem mehr darstellen. Wir wissen von mehreren Einrichtungen, beispielsweise in Kanada, die auf diese Weise ihre EU-GMP-Zulassung erhalten haben.

“Dritte Phase der Cannabis-Revolution”

krautinvest.de: Wohin geht die Reise in der Zukunft? Wo denken Ihr, wird die Branche in fünf bis zehn Jahren stehen?

Shlomo: Ich denke, der Markt wird weiter wachsen. Mehr und mehr Länder werden eine Art medizinisches Cannabisprogramm einführen. Wenn mehr klinische Studien stattfinden, werden mehr und mehr medizinische Beschwerden mit Cannabis gelindert werden können. Mehr Studien werden auch eine Feinabstimmung in Bezug auf die angewandten Dosen von THC/CBD und anderen Cannabinoiden bringen.

Lauren: Es gibt einige neuere Cannabinoide, die derzeit untersucht werden, wie beispielsweise CBN oder CBG, die erst jetzt mehr und mehr bei Ärzten und Patienten gleichermaßen bekannt werden. Genauso wie in den letzten drei bis vier Jahren alle über THC und CBD gesprochen haben, werden sich die nächsten Jahre auf die “neueren” erforschten Stoffe konzentrieren, die entdeckt, untersucht und isoliert wurden, und die Genetik, die einen bestimmten Prozent-Anteil an CBN und oder CBG hat, wird kommen.

Shlomo: Jede Revolution hat drei Stufen. Ob Autos gegen Pferde oder Elektrizität gegen menschliche Kraft oder jede andere große Veränderung in der Geschichte der Menschheit – sie kommen immer in diesen drei Stufen: zuerst werden sie ignoriert, dann werden sie bekämpft und dann werden sie als selbstverständlich angesehen. Ich denke, dass wir uns gerade in der dritten Phase der Cannabis-Revolution befinden. Die Zukunft ist rosig – sowohl für Patienten als auch für Produzenten/Hersteller.

Über Lauren Booklin:
Lauren ist Mitgeschäftsführerin von S.Booklin Consulting, einer internationalen Beratungsfirma auf dem Gebiet von Cannabis. Sie verwaltet die Kundenbeziehungen und hilft bei der Überwachung der Projekte. Sie berät auch in EU-GMP-Angelegenheiten und Produktrezepturen. Lauren besitzt ein Zertifikat der maltesischen Arzneimittelbehörde für die Absolvierung eines Workshops über Regulatory Sciences im Zusammenhang mit Cannabis und Forschung. Außerdem besitzt sie ein Zertifikat für den Abschluss eines Workshops über GMP für Cannabis, der von der ECA in Heidelberg, Deutschland, veranstaltet wurde. Darüber hinaus ist sie derzeit dabei, eine EU-GMP-Auditorenzertifizierung zu erlangen.

Sie hat auch eine GMP-Schulung (Good Manufacturing Practices) für natürliche Gesundheitsprodukte absolviert. Darüber hinaus ist Lauren eine NAHA (National Association for Holistic Aromatherapy – Level 2) zertifizierte professionelle Aromatherapeutin, sowie eine CFA (Canadian Federation of Aromatherapists) zertifizierte Aromatherapie-Gesundheitsfachkraft. Ihre bisherige Berufserfahrung umfasst Positionen in der Medizin- bzw. Wellnessbranche, die beide stark regulierte Branchen sind.

Über Shlomo Booklin:
Shlomo ist in Jerusalem, Israel, geboren und aufgewachsen und hat das Horticulture-Programm am JTI (Jerusalem Technological Institute) absolviert. Nachdem er mehrere Jahre als Züchter bei einigen der führenden Landwirtschaftsunternehmen in Israel gearbeitet hatte, nahm Shlomo ein Angebot an und reiste nach Australien, um einen sehr großen Betrieb (350 Hektar) bei einem Produzenten von Schnittblumen zu leiten. In dieser Zeit war er auch an einem IPM-Forschungsprojekt der Universität Sydney beteiligt, das den Einsatz von Insekten zur Schädlingsbekämpfung in Nutzpflanzen kombiniert, um den Einsatz von Pestiziden zu vermeiden. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit hielt Shlomo auch Vorlesungen für Studenten an der Fakultät für Gartenbau.

Als das Projekt in Australien endete, zog Shlomo nach Portugal, um ein weiteres Großprojekt (24 Hektar) zu leiten, wo er außergewöhnlich große und moderne Gewächshäuser baute, die für die Produktion von mehreren Millionen Jungpflanzen pro Saison für den Exportmarkt ausgelegt sind. Das Unternehmen produzierte unter Shlomo Booklins Leitung durchschnittlich etwa sechs bis sieben Millionen Jungpflanzen pro Saison und produzierte etwa 250.000 Jungpflanzen pro Woche. Die Firma exportierte ihr Produkt unter sehr strengen EU-Pflanzenschutzbestimmungen, hauptsächlich nach Großbritannien und Holland, aber auch nach Kroatien, Dänemark, Belgien sowie in andere nordeuropäische Länder.

Nach zehn Jahren in Portugal wanderte Shlomo 2002 mit seiner Familie nach Kanada aus und arbeitete als Head Grower, zunächst in B.C. und in jüngerer Zeit in Ontario, bei einigen der führenden Jungpflanzenerzeugern der Branche. Seit 2014 hat Shlomo mit einer Reihe der größten L.P.s’ in Kanada zusammengearbeitet, wo er als Master Grower bei der Maximierung der Produktion half und das “Know-How” vermittelte, das man braucht, um erfolgreich im kommerziellen Maßstab anzubauen und dabei die Health-Canada-Vorschriften einzuhalten.

Parallel dazu hat Shlomo mehrere LPs bei der Erlangung einer Anbaulizenz von Health Canada beraten. Shlomo hat auch eng mit den führenden medizinischen Cannabis-Züchtern, Forschern und Wissenschaftlern in Israel zusammengearbeitet, um exklusive spezifische medizinische Sorten zu produzieren. Derzeit ist er an mehreren internationalen Cannabis-Anbauprojekten beteiligt, nämlich in Kolumbien, Griechenland, Mazedonien, Portugal, Spanien, Simbabwe, Barbados und Australien. Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung in der Arbeit mit profitablen kommerziellen Großbetrieben und seiner einzigartigen Vertrautheit mit der Cannabisindustrie sowohl in Kanada, Israel (beides führende Cannabis produzierende Länder) als auch in Südamerika ist er ein Aktivposten in der Branche.

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