Nordmazedonien im Check – Europas Cannabis-Hub?

by Moritz Förster

Die Preise für medizinisches Cannabis, das ist ein offenes Geheimnis, sind in Deutschland im Sinkflug. Überproduktion und immer mehr Lieferanten weltweit, setzen die Margen unter Druck. Stellt sich die Frage, in welchen Ländern Produzenten angesichts dieses intensiven Wettbewerbs womöglich von Standortvorteilen profitieren können. Pharmarolly und Hapa Pharm setzen auf Nordmazedonien. Zu recht?

Zur Einordnung: Rund 1.500 Tonnen Cannabis lagerten kanadische Produzenten laut einer MJ Biz Daily Analyse im August 2022. Laut Stratcan sind diese Mengen seit einigen Jahren konstant. Von solchen Dimensionen ist man in Europa noch weit entfernt. Schließlich bleibt der Genussmittelmarkt – es kommen in Deutschland nur die Clubs – Zukunftsmusik, und im medizinischen Markt gelten EU-GMP-Kriterien. 2022 haben Unternehmen gut eine Tonne hierzulande produziert und etwa 25 Tonnen medizinisches Cannabis nach Deutschland importiert, aber im gleichen Zeitraum nur 15 Tonnen an Apotheken ausgeliefert. Wo der Rest geblieben ist? Vieles vernichtet, munkelt man. Auch im medizinischen Cannabis-Markt sind die Engpässe der Anfangszeit längst einem Überangebot gewichen.

Erster bewilligter Import: März 2020

Wie die Bundesregierung Ende November 2022 bekannt gab, wurde erstmals am 16. März 2020 eine Einfuhr medizinischer Cannabisblüten aus Nordmazedonien bewilligt. Von den insgesamt 115 Bewilligungen, gezählt ab März 2017 bis zum dritten Quartal 2022, entfallen allerdings alleine 101 auf Kanada und die Niederlande. Immerhin konnten sich zuletzt von den gesamten Importmengen nach Deutschland auch andere Länder ein immer größeres Stück vom Kuchen abschneiden . Uruguay, Jamaika, Australien, Südafrika, Portugal, Kolumbien oder Lesotho tauchen in der Liste der Länder auf, denen das BfArM den Export von Extrakten oder Blüten genehmigt hat.

Und während Drapalin auf Lesotho, Foliumed auf Extrakte aus Kolumbien und Nimbus unter anderem auf Neuseeland setzt, ist Stephen Malloy, CEO der Pharmarolly Holdings mit Hauptsitz in den Niederlanden, von Nordmazedonien überzeugt. Seinen Investoren war die USA mit ihrer teils widersprüchlichen Regulierung auf Bundes- und staatlicher Ebene ein zu heißes Pflaster. 2017 gründete Malloy daher ein eigenes Unternehmen für ein Produktion in Nordmazedonien und flog eigens dafür Züchter aus Kalifornien ein. 2018 folgte die Anbaulizenz, 2019 die eigentliche Produktion in der sieben Hektar großen Anlage. Seit Ende 2022 exportiert Malloy nach eigenen Angaben auch nach Deutschland. Produziert wird vor Ort zu 100 Produzent biologisch in 400-Liter-Kübeln im Greenhouse. Auch eine Bestrahlung der Blüten sei nicht erforderlich, verspricht der CEO. Letzten Monat erreichten erstmals Extrakte des Unternehmens den deutschen Markt. Noch vor Ende des Jahres soll ein weiterer Blüten-Export folgen.

Andere Unternehmen wie die Nysk Holding sind noch etwas länger dabei. Nach eigenen Angaben ist Nysk, Teil der Gruppe Phcann International, seit März 2020 EU GMP zertifiziert und verfügt über eine 18.000 Quadratmeter große Produktionsfläche, in der über 7.500 Quadratmeter für den Indoor-Anbau vorgesehen sind. Während Nysk ein europaweit agierender Konzern mit mehreren Tochterunternehmen ist, hat Pharmarolly hat wie auch Green Medicals das Cannabis aus Nordmazedonien mit Hilfe von Cantourage nach Deutschland importiert.

Auch Hapa Pharm hat nach eigenen Angaben in Spanchevo 2019 eine Anlage fertiggestellt, die im August 2021 auditiert und anschließend EU-GMP und EU-GDP zertifiziert wurde. Erstmals nach Deutschland importiert hat Hapa Pharm nach eigenen Angaben 2022. Die Anlage bestehe aktuell aus zehn Gewächshäusern mit einer Produktionskapazität von ungefähr zehn Tonnen Biomasse jährlich. Mengen, von denen die nordmazedonischen Produzenten noch weit entfernt sind: 300 Kilogramm medizinische Cannabisblüten und Extrakte hat Hapa Pharm nach eigenen Angaben 2022 aus Nordmazedonien nach Deutschland eingeführt. Der nächste Import soll noch in diesem Jahr folgen.

Laut BfArM landeten 2018 erstmalig Cananbis-Produkte aus Nordmazedonien auf dem deutschen Markt, allerdings beschauliche fünf Kilogramm, 2021 waren es zehn Kilogramm. Erst 2022 nahm der Export aus Normazedonien Fahrt auf: Laut BfArM exportierten Produzenten über 1,3 Tonnen nach Deutschland, 2023 waren es bis zum Ende des dritten Quartals 829 Kilogramm.

Andere hatten im Gegensatz zu Hapa Pharm und Pharmarolly einen nicht ganz so langen Atem. So hatte etwa Ivan Mestrangelo von Medicrops im November 2019 noch den Bau einer Produktionsstätte in Nordmazedonien angekündigt. Anfang Juli 2023 klingt dies anders. Man habe das Geschäftsmodell komplett neu strukturiert, erklärt Mestrangelo gegenüber krautinvest.de. Außer der Forschung und Entwicklung an Sammenbanken betreibe das Unternehmen keine “produktionsrelevanten Teile der Wertschöpfungskette mehr”. Nach einer inzwischen beendeten Beteiligung an einem deutschen Großhändler liege nun der Fokus auf dem Launch in der Schweiz. Mestrangelo pflegt aber, so schreibt er, noch immer einen engen Kontakt zu den nordmazedonischen Produzenten. Von den seines Erachtens einst 100 lizenzierten Anlagen seien inzwischen die meisten still gelegt, berichtet er und verweist im gleichen Atemzug auch auf Qualitätsprobleme des bislang aus Nordmazedonien importierten Cannabis. Aus Sicht “Produktportfolio und Qualität”, so Mestrangelo, bestehe noch einiger Aufholbedarf. Dennoch hofft er, zukünftig mit Medicrops medizinisches Cannabis aus Nordmazedonien in der Schweiz auf den Markt zu bringen.

“Boom-Bust”: Viele lizenzierte Produzenten verschwinden

Stephen Malloy spricht mit Blick auf die letzten fünf Jahre in Nordmazedonien ebenfall von “Boom-Bust”. Denn der großen Hoffnung der bereits lizenzierten Produzenten folgte die rasche Enttäuschung. So hatte das Parlament 2019 im letzten Moment eine Gesetzesanpassung von der Tagesordnung genommen, die den Export von Blüten ermöglichen sollte. Entsprechend blickt der US-Amerikaner, der regelmäßig zwischen seinem Wohnsitz in den Niederlanden und der nordmazedonischen Produktionsstätte pendelt, auf einige ereignisreiche Jahre zurück: Erst das geplatzte Exportgesetz, dann Covid-19, es folgte der Krieg in der Ukraine mit explodierenden Energiekosten – auch in Nordmazedonien. Während Pharmarolly und Hapa Pharm im Greenhouse nicht ganz so stark von den Energiepreisen abhängen, bringen diese vor allem Indoor-Produzenten in die Bredouille. Malloy schätzt, dass die Anzahl der lizenzierten Produzenten allein in den letzten zwölf Monaten von 70 auf 47 gefallen ist.

Wieso Malloy angesichts all dieser Aufs und Abs überhaupt auf Nordmazedonien gesetzt hat – und es immer noch nicht bereut? “Die Umwelt ist ähnlich wie in Nordkalifornien. Nordmazedoniens lange, heiße und trockene Sommer sind für den Cannabisanbau sehr günstig.” Zudem seien die Produktionskosten um ein Vielfaches niedriger als in anderen Ländern. Beispielsweise seien durchschnittlichen Gehälter in Portugal mehr als dreimal höher, rechnet Malloy vor. Das sei seines Erachtens gerade für die arbeitsintensive Produktion von Cannabis ein nicht zu unterschätzender Faktor: Für anspruchsvolle Aufgaben seien Experten für Pharmazie, Qualitätskontrolle, Chargenfreigabe, Agronomen, IPM, Finanzen, Personal, Ingenieurswesen, Wartung, Recht und Compliance erforderlich. Auch Hapa Pharm verweist auf auf günstige klimatische Bedingungen, niedrige Produktionskosten und geeignete regulatorische Rahmenbedingungen.

Inzwischen arbeite Pharmarolly effektiv mit den Behörden wie dem Gesundheitsministerium oder der Arzneimittelaufsicht zusammen. Und mit Blick auf die Höhen und Tiefen schlussfolgert Malloy, dass letztlich “kein einziger Cannabis-Markt in der Welt reibungslos” funktioniere. In vielen anderen Ländern hätten sich die Dinge sogar deutlich weiter hinaus gezögert. In Nordmazedonien, das hört man immer wieder, seien zudem die Wege zu den Behörden kurz – vorausgesetzt der persönliche Draht ist einmal hergestellt. Presseanfragen von krautinvest.de blieben dagegen unbeantwortet.

Disclaimer: Keine Investmentempfehlung. Redaktioneller Inhalt.

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