Cannabis aus Mazedonien? “Zu einem Top-Lieferanten machen”

by Moritz Förster

Woher kommt zukünftig medizinisches Cannabis? Australien, Kolumbien, Malta, Israel? Ivan Mestrangelo setzt als Gründer von Medicrops auf Mazedonien. Zwar sind die extremen Engpässe vorbei, dennoch wächst der Bedarf in Deutschland rasch. Wann wir mit der ersten Lieferung aus Mazedonien rechnen können? Ivan über regulatorische Hürden, ausstehende Exportgesetze und die Meilensteine auf dem Weg zur EU-GMP-Zertifizierung.

Hallo Ivan, ihr wollt pharmazeutisches Cannabis in Mazedonien produzieren, auch in die EU importieren. Wie weit sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen Export aus Mazedonien in die EU denn fortgeschritten?
Derzeitiger Status ist die Erlaubnis zum Export von cannabinoidhaltigen – THC und andere – Extrakten, Ölen, Destillaten. Nicht erlaubt ist zurzeit der Export von Cannabisblüten. Für MediCrops ist der Export von Blüten weniger relevant, da wir in Extrakten einen größeren therapeutischen Nutzen für eine breitere Zielgruppe sehen.

Welche Rolle würde denn ein EU-Beitritt spielen?
Mazedonien ist ein EU-Bewerberland und wartet derzeit auf die Aufnahme von Verhandlungen über den EU-Beitritt. In den letzten zwei Jahren wurden viele Fortschritte in Richtung EU erzielt. Insbesondere nach der Unterzeichnung des Prespa-Abkommens am zwölften Juni 2018 mit Griechenland. In der Hoffnung auf Fortschritte beim EU- und NATO-Beitritt hat Mazedonien auch einige Änderungen akzeptiert. Der Beitritt zum NATO-Bündnis wird für Stabilität und Sicherheit in der Region sorgen, das Abkommen wurde vom mazedonischen Parlament ratifiziert, die restlichen 29 Mitglieder haben das Beitrittsprotokoll mit Mazedonien unterzeichnet. Allerdings wurde Mazedonien am 18. Oktober 2019 ein Termin für die Aufnahme von Verhandlungen über den EU-Beitritt verweigert. Wie der französische Präsident vorschlug, sollte Mazedonien eine Reihe von Reformen in den Bereichen Wirtschaftspolitik, Menschenrechte, Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit durchführen. Mazedonien hat hier ausreichende Fortschritte gemacht, wird aber offiziell immer noch als Beitrittskandidat genannt. Dieser Beschluss wird vor einem Gipfel über den Westbalkan Anfang nächsten Jahres erneut geprüft. Seit der Ablehnung der Verhandlungen durch Frankreich, haben die mazedonischen politischen Parteien vorgezogene Wahlen beschlossen, die auf den 12. April 2020 angesetzt sind. Alle Parteien haben bestätigt, dass sie Pro EU und NATO eingestellt sind und werden in diesen beiden Bündnissen weiter an einem Beitritt arbeiten. Vom dritten Januar 2020 bis zur Wahl wird eine Interims-Regierung eingesetzt. Wir glauben jedoch, dass die Aufnahme nur eine Frage der Zeit ist.

“Verfahren für Anbaulizenez verkürzen”

Woran hapert es denn noch? Was muss noch passieren, damit Blüten exportiert werden können?
Der jüngste Vorschlag für die Änderung des Gesetzes zur Kontrolle von Suchtstoffen und psychotropen Substanzen sieht vor, anstelle von kleineren Anpassungen ein völlig neues Gesetz zu schaffen. Der Zweck des neuen Gesetzes ist, klar zwischen wissenschaftlichen Begriffen sowie zwischen den Verantwortlichkeiten mehrerer beteiligter Ministerien zu unterscheiden. Das Leben und Gesundheit der Menschen soll geschützt, Drogenkonsum kontrolliert und die Landesgesetze mit europäischen harmonisiert werden. Es wird eine Agentur eingerichtet, die den Anbau und die Produktion von Cannabis und Cannabisprodukten für medizinische Zwecke kontrolliert. Diese Agentur wird ein neues unabhängiges Organ sein, das über die Regulierung von Pflanzen, Handel, Export und Import, aber auch über die Anforderungen für die Erteilung von Zulassungen für den Cannabisanbau entscheidet und zudem den gesamten Anbau kontrolliert und dokumentiert. Das neue Gesetz wird auch das Verfahren zur Erlangung einer Anbaulizenz verkürzen. Nach der Annahme dieses Gesetzesvorschlags durch die Regierung wird eine öffentliche Debatte geführt, an der alle betroffenen Parteien teilnehmen können, erst dann folgt das parlamentarische Verfahren und schließlich wird über denselben Gesetzesvorschlag abgestimmt.

Wird der Import in die EU auch ohne EU-Beitritt Mazedoniens funktionieren? Und haben Sie bereits einen Vertriebspartner in der EU, um bereit zu sein, wenn der Startschuss erfolgt?
Die Umsetzung von EU-GMP Standards hat für uns höchste Priorität, wenn es um die Herstellung von Cannabisprodukten geht. Sobald diese Standards erreicht sind, bewegt man sich in einem Marktsegment, in dem ein EU-Import an einen Distributor reibungslos möglich wird und aktuell die stärkste Nachfrage herrscht. Wir sind im Gespräch mit einigen Distributionspartnern, die starkes Interesse bekunden, da wir ihnen zertifizierte Pharma-Ready Qualität zu attraktiven Preisen liefern können. 2 Monate Vorlaufzeit reichen im Regelfall aus um alle rechtlichen wie technischen Vorkehrungen für den Import z.B. nach Deutschland zu treffen.
Seit dem 1. Juli 2013 ist Mazedonien Teil des CEFTA-Abkommens, einem Freihandelsabkommen zwischen Nicht-EU-Ländern und der Europäischen Union. Die Hauptziele der CEFTA sind: Ausbau des internationalen Handels mit Waren und Dienstleistungen; Förderung ausländischer Direktinvestitionen durch faire Regulierung; Beseitigung technischer Handelshemmnisse zwischen den Ländern des Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen sowie die Gewährleistung eines angemessenen Schutzes der Rechte an geistigem Eigentum und Harmonisierung der Bestimmungen über die regionale Handelspolitik.

Ein weiteres heiß diskutiertes Thema in der Branche ist EU GMP. Wie gut stehen die Chancen auf EU GMP zertifizierte Hallen in Mazedonien? Ab wann kann damit realistisch gerechnet werden?
Man kann sagen, dass die mazedonischen Grower den Aufwand für eine GMP konforme Produktion für den EU Pharma-Markt sträflich unterschätzt haben. Das führte nun dazu, dass aktuell viele Produzenten auf ihrer Ware sitzen bleiben, weil Standards nicht erfüllt wurden. Wir arbeiten mit einem deutschen Team aus der Pharma-Industrie zusammen, das GMP-Anlagen abnimmt. Es wurde uns berichtet, dass zwei zu prüfende Betriebe mit Pauken und Trompeten durchgefallen sind.

Werden wir konkreter. Wie weit seid ihr dabei, selbst EU GMP zertifizierte Hallen zu errichten und in Betrieb zu nehmen? In welchem Umfang soll dies geschehen?
Der Bau und der Umbau von Kultivierungs-, und Produktionsanlagen, die Mitarbeiterschulungen und die Kosten für die Zertifizierung durch EU-Prüforgane sind enorm. Wir beabsichtigen, die erforderlichen Zertifizierungen für eine ganze Palette an GMP-Standards zu erhalten. Exakt definierte Abläufe in einer kontrollierten Umgebung sind notwendig um ein qualitativ hochwertiges Produkt zu liefern. Wir haben bereits mit der Schulung der Mitarbeiter zu GMP-Vorschriften begonnen. Vor allem sind GMP Spezialisten aus der pharmazeutischen Industrie, die Produktionsanlagen für medizinische Rohstoffe und Präparate aufgebaut und abgenommen haben. Die Anlagenpläne sind für die praktische Umsetzung der Standards entworfen. Die Produktionsanlagen werden von höchster Qualität in Europa hergestellt. Mit dem Beginn der Kultivierung wird das Produkt von externen Kontrolleuren fortlaufend auf Zusammensetzung und Qualität geprüft. Das Unternehmen muss mindestens drei getrennte Ernten kultivieren und das gleiche Produkt mit Wirkstoffschwankungen, also des Cannabinoidgehalts, von maximal zehn Prozent produzieren, um schließlich die GMP-Zertifizierung zu erhalten. Neben der und die Homogenität des Wirkstoffgehalts wird hier auch hinsichtlich der Schadstoffbelastung der Cannabis-Blüten geprüft. Geringe Grenzwerte und Schwankungen müssen kontinuierlich erreicht werden. Zudem werden Mitarbeiter auf ihre Kompetenz geprüft. Das sind mehrere Inspektionen vor Ort, Dokumentationen und natürlich das hochwertige GMP-taugliche Equipment, wie zum Beispiel Reinräume mit HePa-Filtersystem und viele kleine Details wie wasserdichte Leuchtmittel, die mit Hochdruckreinigern gesäubert werden können.

“Sammelsurium an zertifizierten Prozessen”

Wieso ist die von dir angesprochene Schulung der Mitarbeiter so wichtig?
Damit meinen wir vor allem auch die Schulungen des Hilfspersonals, das für einfacherer Aufgaben eingesetzt wird. Vorrangig geht es um Einhaltung klar definierter Prozesse und Abläufe beim Anbau und der Verarbeitung. Themen sind hier Hygiene, eine kontrollierte Umgebung – also Reinräume –, die Dokumentation aller Vorgänge, fortlaufende Laboranalysen der Produkte oder auch Rückruf-Management bei Fehlerhaften Batches. Jegliche Änderungen im Produktionsablauf muss erst von der Fachgruppe validiert werden. Abgesehen von GMP Compliance, möchten wir vor allem Innovation fördern, deshalb hat der Aufbau eines in-house Labors mit Spitzenpharmazeuten eine Priorität.

Hört sich insgesamt nach strengen Vorgaben an, die es zu erfüllen gilt…
In der Tat. Selbst das Wasser ist Quellwasser von einer Bergquelle mit geringem Feststoffgehalt und ohne chemische Verunreinigungen oder Mikrobenbelastung und mit einem hohen, basischen PH Wert. Wir sehen die gesamte Cannabis-Industrie in einer Vorbildfunktion für die Wirtschaft allgemein. Besonders bei Begriffen wie Nachhaltigkeit, Corporate Responsibility und Social Impact. MediCrops sehen wir als Schweizer Pharmaunternehmen in der Pflicht, den Ruf eines Landes hochzuhalten, dessen Regierung sich fortschrittlich in der Cannabis-Frage verhält und wir möchten aktiv dazu beitragen, die Marke Mazedonien als Qualitätssiegel für hochwertige Cannabisprodukte zu entwickeln.

An welchen Standards zeigt sich diese Vorbildfunktion der Industrie?
Es handelt sich hierbei um ein ganzes Sammelsurium an zertifizierten Prozessen. GAP und GACP betreffen die Pflanzenkultivierung und Extraktion von Rohstoffen, GMP, GSP und GDP die Weiterverarbeitung und Distribution. Zurzeit besteht hier am Markt ein Vakuum bei den Anbietern mit hohen Standards. Diese Lücke möchten wir füllen.

Aber wie ist eure Infrastruktur bereits voran geschritten?
Wir befinden uns auf einem Areal von 10.000 m². Dies ist mit 3.500 m² in hochwertiger Massivbauweise bebaut. Eine behördliche Baugenehmigung für eine Erweiterung um 3.500 m² Grundfläche bis 12,5m Höhe für weitere 10.000m² Blüteräume liegt bereits vor. Unser Standort ist umgeben von ca. 150 Hektar fruchtbares Ackerland, was sukzessive für die Freiluftkultivierung von Industriehanf und Gewächshäuser genutzt werden kann. Damit sind wir in Vevcani sehr flexibel. Der Standort wächst mit uns.

Und wie habt ihr euch bis dato finanziert?
Bisher wurde das Unternehmen ausschließlich aus Privatmitteln des Gründers finanziert. Mitte Oktober wurde eine Kapitalerhöhung mit einem Volumen von 4,2 Millionen Schweizer Franken beschlossen. Diese Mittel fließen in den Ausbau Bestückung unserer Hallen mit Equipment, in eine Co2 Extraktionsanlage und in dem Lizenzierungs- und Zertifizierungsprozess. Aktuell befinden wir uns im Entscheidungsprozess.

Nun hat sich Mazedonien bereits frühzeitig als Produzent von medizinischem Cannabis in Stellung gebracht. Wie wichtig ist dieser Wirtschaftszweig für das Land?
Mazedonien ist ein Entwicklungsland mit einer kleinen Wirtschaft und einem BIP von 12,6 Milliarden Dollar. Bisher wird Cannabis auf einer Fläche von etwa 30 Hektar angebaut, bei zwei Ernten pro Jahr werden 300 Tonnen Blüten produziert, was etwa 30 Tonnen Öl entspricht. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass der Export dieser Ölmenge dem Land Kapitalzuflüsse von 1,5 Mrd. EUR jährlich bringen kann. Es kann leicht verdoppelt werden, indem man die Menge der Ernten pro Jahr erhöht. Es wurde, wie in Kanada, ein marktwirtschaftlicher Ansatz umgesetzt, bei dem private Unternehmen Cannabis anbauen und vertreiben können, anstatt eine staatliche Monopolproduktion zu betreiben. Damit ist man optimistisch, dass Mazedonien die Führungsrolle in diesem Bereich übernehmen wird, da eine starke Entwicklung privater Unternehmen in diesem Bereich erwartet wird, innovative Produkte anzubieten und wettbewerbsfähig zu werden. Das Gros der Parteien unterstützt die Branche nachdrücklich und ist bereits bestrebt, ausländische Investoren für diesen Sektor zu gewinnen, die die Branche professionell betreiben und entwickeln und Mazedonien zu einem Top-Lieferanten machen werden.

Dafür braucht es aber nicht nur politische wie finanzielle Unterstützung. Wie ist die Stimmung innerhalb des Landes? Wer sind die Unterstützte der Cannabis-Industrie, wer die Gegner?
70 Prozent der Bevölkerung unterstützt den Konsum von medizinischem und industriellem Cannabis. Die Stärke dieser Industrie wurde von vielen erkannt, die Menschen haben die Industrie akzeptiert und sind bestrebt, ein Teil davon zu sein. Derzeit beschränkt das Gesetz den Zugang der breiten Bevölkerung zum medizinischen oder industriellen Sektor, da es eine übermäßige Finanzierung erfordert. Auf jeden Fall ist die Bevölkerung aber optimistisch, dass sie die Auswirkungen des Wirtschaftswachstums dieser Branche spüren werden.

Ivan, vielen Dank für dieses Interview!

Hinweis: Die Meinungen des Gesprächspartners müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Laut Marijuana Business Daily ist gerade erst wieder eine Abstimmung über rechtliche Rahmenbedingungen für den Export vertagt worden.

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