Melanie Dolfen über Cannabis in der Apotheke: “Gehört zum Versorgungsauftrag”

by Lisa Haag

Apotheken sind hierzulande der Bezugspunkt für medizinisches Cannabis. Allerdings war für viele Apotheker:innen Cannabis komplettes Neuland, als im März 2017 das Gesetz “Cannabis als Medizin” in Kraft trat. Nicht so für Melanie Dolfen. Als Inhaberin der BEZIRKSapotheke versorgte sie bereits 2013 mit einer speziellen Ausnahmegenehmigung die ersten Patient:innen hierzulande. Sieben Jahre später gehört sie zu den Pionieren für pharmazeutisches Cannabis und hat mit der BEZIRKSapotheke ein Kompetenzzentrum für Cannabis aufgebaut. Denn, Melanie Dolfen sieht sich nicht nur als Apothekerin. Sie ist Unternehmerin.

Seit 2010 ist sie Inhaberin der BEZIRKSapotheke in Berlin. Mit ihrer Hauptapotheke am Alexanderplatz widmet sie sich schwerpunktmäßig Medizinal-Cannabis. Schon 2013 hat die Bezirksapotheke mit einer speziellen Ausnahmegenehmigung die ersten Patient:innen unter großen bürokratischen und organisatorischen Schwierigkeiten versorgt. Seitdem die Therapie mit Medizinal-Cannabis 2017 anerkannt wurde und von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden kann, gehört die kompetente und umfassende Versorgung mit dieser alternativen Heilmethode für Melanie Dolfen und ihrem Team als fester Bestandteil zum Alltag. Sie ist Mitglied des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA e.V.) und eine der wenigen Schwerpunkt-Apothekerinnen in Deutschland. Aktuell versorgt sie regelmäßig zwischen 500 und 700 Patient:innen. Ihre Apotheke zählt damit zu den wichtigen Schnittstelle zwischen Arzt:in und Patient:in. Die BEZIRKSapotheke versteht sich dabei nicht nur als Bezugspunkt für medizinisches Cannabis, sondern auch als “Gesundheits-Berater” für verschiedene Patienten:innen.

Melanie beschreibt sich Selbst als mutig, willensstark und (mega) ungeduldig. Das Thema Cannabis treibt sie an. Als Speakerin und Expertin auf renommierten Fachveranstaltungen, aber auch öffentlich setzt sie sich unermüdlich für Aufklärung und die Entstigmatisierung der Cannabis-Therapie ein. Ein Interview über ihre Apotheke und über die aktuelle und zukünftige Situation zu medizinischem Cannabis in Deutschland.

krautinvest.de: Melanie, die BEZIRKSapotheke ist schon seit langem eine der wenigen Cannabis-Schwerpunkt-Apotheken, die wir in Deutschland haben. Wie habt ihr angefangen?

Melanie Dolfen: Angefangen hat alles mit meiner Einstellung zum Apothekerberuf. Die Apotheken in Deutschland sind für die sichere und zeitnahe Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zuständig – und dieser Versorgungsauftrag ist für mich kein abstrakter Begriff in einem Gesetzestext, sondern eine tägliche Mission. Also habe ich auch nicht gezögert, als eine Kundin sich 2013 mit der Bitte um Hilfe bei der Realisierung ihrer in Deutschland noch nicht zugelassenen Therapie mit Medizinal-Cannabis an uns gewandt hat. Rechtliche und finanzielle Hürden dürfen kein Hindernis sein, wenn es darum geht, einem Menschen die für ihn optimale Therapie zu ermöglichen. Das ist unser Job.

krautinvest.de: Wie hat sich das Thema seither entwickelt?

Melanie Dolfen: Seit Medizinal-Cannabis eine zugelassene Therapieoption ist und von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird, steigt die Anzahl an Patient:innen kontinuierlich. Es gibt auch immer mehr Mediziner:innen, die sich mit dieser alternativen Heilmethode befassen. Trotzdem steckt alles noch in den Kinderschuhen. Es gibt auch nach fast vier Jahren kaum Fortbildungsmöglichkeiten für Ärzt:innen und Apotheker:innen, die bürokratischen Hürden für eine Kostenübernahme sind für Patient:innen immer noch gewaltig und es gibt große Vorbehalte in der Bevölkerung und bei Fachpersonen. Daher gibt es im Gesundheitswesen immer noch zu wenige Menschen, die sich gezielt mit diesem Thema befassen. In Deutschland gibt es nur wenige Schwerpunkt-Apotheken für Medizinal-Cannabis.

krautinvest.de: Medikamente sind in der Regel standardisiert und schon formuliert. Was ist bei Cannabis das Besondere?

Melanie Dolfen: Medizinal-Cannabis ist ein Naturprodukt. Seine Qualität und Zusammensetzung unterliegen vielen äußeren Faktoren, auf die man kaum Einfluss nehmen kann. Trotzdem muss sichergestellt werden, dass – wie bei jedem anderen zugelassenen Arzneimittel – der Gehalt an Inhaltsstoffen, die Qualität der Pflanze und ihre Unbedenklichkeit in Bezug auf Verunreinigungen jederzeit gewährleistet ist. Dazu benötigt man einen streng kontrollierten Anbau und engmaschige Qualitätskontrollen. Und trotzdem hat jede Charge individuelle Unterschiede, die bei der Verarbeitung und Dosierung berücksichtigt werden müssen. Wir in der BEZIRKSapotheke verarbeiten die Produkte auch auf ärztliche Anweisung weiter und können so für die Patienten noch individuellere Möglichkeiten in der Cannabinoid-Therapie schaffen.

krautinvest.de: In welches Thema habt ihr besonders investiert?

Melanie Dolfen: Qualitätssicherung und Beratungskompetenz waren die wichtigsten Grundvoraussetzungen, um unsere Kunden optimal zu versorgen. Auf beiden Gebieten wird man auch heute noch von Standesvertretung und Politik weitestgehend alleingelassen. Wir haben schon früh unsere Laborausstattung aufgerüstet, eigene Extraktionsverfahren entwickelt und können damit auch andere Therapieoptionen wie Kapseln, Öle oder Zäpfchen anbieten. Meine Mitarbeiter:innen haben jede der seltenen Möglichkeit für Schulungen wahrgenommen, vieles selbst recherchiert und sich regelmäßig mit Fachpersonal und Betroffenen ausgetauscht. Allmählich entwickelt sich aus unseren täglichen Bemühungen ein großer Wissensschatz, den wir bis heute kontinuierlich erweitern und erneuern, um unsere Kunden immer auf höchstem Niveau beraten und umfassend versorgen zu können.

krautinvest.de: In der Bezirksapotheke seid ihr also auf Cannabis-Rezepturen verschiedenster Art spezialisiert. Ihr stellt auch eigene Produkte her. Welche Produkte aus Cannabis bietet ihr an?

Melanie Dolfen: Wir bieten alle Darreichungsformen an, die für eine optimale Versorgung der Patient:innen benötigt werden. Am häufigsten werden bisher die unverarbeiteten oder zerkleinerten Blüten genutzt. Diese werden in einem speziellen Verdampfer erhitzt und die Inhaltsstoffe inhaliert. Wir stellen aber auch Kapseln zum Einnehmen her oder Zäpfchen, damit das Passieren des Magens vermieden wird. Außerdem gibt es Öle und Vollextrakte als Tropfen. Man kann als Apotheker viel machen. Wenn man es denn will und bereit ist sich dem Thema zu öffnen.

krautinvest.de: Cannabis-Rezepturarzneimittel sind sehr individuell. Welche Rolle spielt ein enger Austausch zwischen dem behandelnden Ärzt:innen, der Apotheke und den Patient:innen? Warum ist es wichtig, sich eng abzustimmen um eine individuelle Cannabis-Therapie für Patient:innen zu finden?

Melanie Dolfen: Jeder Organismus reagiert unterschiedlich auf Arzneistoffe. Der Stoffwechsel verarbeitet auch standardisierten Fertigarzneimittel bei dem einen schlechter, bei dem anderen besser. Aber meist ist die Abweichung hier sehr gering. Bei einem Naturprodukt wie Medizinal-Cannabis ist jede Ernte unterschiedlich und der Körper muss mit einer anderen Zusammensetzung an Haupt- und Nebenwirkstoffen zurechtkommen. Deshalb ist es wichtig auch gut eingestellte Patient:innen zu begleiten und immer genau nach der Verträglichkeit und dem Wirkverhalten der jeweiligen Charge zu fragen. Oftmals sind auch Produkte nicht verfügbar und wir unterstützen dabei, die passende Alternative zu finden. Zu Therapiebeginn muss sich der Körper erst an die Substanzzusammensetzung gewöhnen und es ist eine engmaschige Überwachung durch die verschreibenden Ärzt:innen, sowie die abgebende Apotheke notwendig. Somit werden die Nebenwirkungen so gering wie möglich gehalten. Es dauert manchmal sehr lange, bis die richtige Dosis und eine im Alltag praktikable Einnahmeform gefunden sind. Da es noch kaum Erfahrungswerte und Leitlinien gibt, kann man nur in enger Zusammenarbeit mit den Patient:innen und dem Arzt die optimale Therapie erarbeiten.

krautinvest.de: Herzlichen Dank für diesen Einblick.

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