Die Stadt Wiesbaden kündigte Mitte August an, in einem Pilotprojekt die Abgabe von Cannabis in Apotheken erforschen zu wollen. Gesundheitsdezernentin Milena Löbcke unterzeichnete eine entsprechende Erklärung. Allerdings fehlt für solche Pilotprojekte ein Gesetz – oder wie seit Frühjahr der Plan, im Cannabis-Gesetz (CanG) das Ernennen einer entsprechende Behörde, bei der die Stadt Wiesbaden überhaupt ein solches Pilotprojekt beantragen könnte. Wie ein Sprecher des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) krautinvest nun mitteilt, soll sich dies aber ändern: Es wird die „hierfür zuständige Behörde durch Rechtsverordnung des BMEL festgelegt“, verspricht er – ohne allerdings einen Zeitpunkt zu nennen, wann dies der Fall sein wird.
Konkret heißt es in der Antwort aus dem BMEL: „Sofern kein medizinisch-wissenschaftlicher Zweck im Sinne des Medizinalcannabis-Gesetzes vorliegt, sieht das KCanG vor, dass eine Erlaubnis für den Umgang mit Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken beantragt werden kann. Die hierfür zuständige Behörde wird durch Rechtsverordnung des BMEL festgelegt.“ Der Sprecher führt aus, dass die Beteiligung der Länder und Verbände an dem Verordnungsentwurf bereits durchgeführt worden sei. „Die weiteren Verfahrensschritte folgen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Der Zeitpunkt der Verkündung der Verordnung lässt sich derzeit nicht genau vorhersagen.“
Interessanterweise soll parallel dazu – laut BMEL – unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ein Referentenentwurf für das Gesetz zur zweiten Säule entstehen, um die „Möglichkeiten einer kommerziellen Lieferkette wissenschaftlich“ zu konzipieren.
Stellt sich die Frage, wieso das BMG überhaupt noch am Referentenentwurf arbeiten soll, während das BMEL schon Fakten schafft. Denn der Tenor aus Wiesbaden geht sehr wohl Richtung „kommerzieller Lieferkette“. Der Verein „Cannabis Forschung Deutschland“ werde zeitnah ein bundesweites und forschungsbasiertes Modellprojekt unter wissenschaftlicher Begleitung des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung Hamburg auf der Bundesebene beantragen, heißt es in einer entsprechenden Pressemitteilung. Neben Wiesbaden würden sich weitere Städte aus dem ganzen Bundesgebiet und der Rhein-Main-Region anschließen. Als künftige Abgabestellen für Wiesbaden sollen „auf Wunsch des Gesundheitsdezernats die in der Stadt etablierten und mit hoher Fachkenntnis versehenen Apotheken ins Auge gefasst werden“. Aufgrund des Modellprojektcharakters werde es eine Registrierung geben müssen und es gelte das Wohnortprinzip. Anvisiert werde eine Laufzeit von fünf Jahren. Die Evaluation solle durch das ZIS Hamburg als wissenschaftlichem Projektpartner erfolgen.
Löbke dazu: „Der Aufbau einer zweiten Säule neben dem privaten Anbau und den Anbauvereinigungen ist essentiell, um den Schwarzmarkt zu marginalisieren und die Zielstellungen eines erfolgreichen Kinder-, Jugend- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Mit der Abgabe über Apotheken werden wir dafür Sorge tragen, dass die hohen pharmazeutischen Standards auch für die Abgabe von Cannabis greifen.“
In der gleichen Pressemitteilung heißt es zudem: Über eine endgültige Beteiligung der Landeshauptstadt Wiesbaden am Forschungsvorhaben wird nach Bewilligung des Antrags durch das Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft entschieden, wenn durch dieses die finalen Rahmenbedingungen festgelegt wurden. Stellt sich die Frage, wie solche „finalen Rahmenbedingungen“ aussehen können? Und ob mit dem „Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft“ nicht die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gemeint ist. Ein Sprecher der Stadt Wiesbaden gesteht, dass es bisher keinen „Kriterienkatalog“ gebe. Deshalb orientiere sich „das in Vorbereitung befindliche Modellprojekt an den aus dem KCanG erkennbaren Rahmenbedingungen. Gegebenenfalls werden dann zu einem späteren Zeitpunkt Anpassungen notwendig sein“.
Weiterhin heißt es: „Die meisten Details müssen im weiteren Prozess und auch in Abstimmung mit dem BLE erst noch festgelegt werden.“ Damit deutet der Sprecher aus Wiesbaden an, wovon aktuell viele ausgehen: Hinter den Kulissen hat man sich geeinigt, dass die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, kurz BLE, die Anträge schlussendlich bewilligen oder ablehnen soll.
Und während das BMLE zum genauen Zeitpunkt schweigt, wann die Verordnung die BLE zur zuständigen Behörde küren soll, ist man zumindest in Wiesbaden guter Dinge, dass es bald losgehen kann. „Nach unseren Informationen ist eine Zuordnung der entsprechenden Zuständigkeiten in Vorbereitung. Unsere Projektpartner befinden sich hierzu auch mit der Bundesebene im Austausch.“ Bleibt noch die Frage, was das BMG dann mit einem ergänzenden Referentenentwurf bezwecken will. Von dort heißt es: Einen Zeitplan und inhaltliche Details könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen.
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- Cem özdemir: © BMEL/Janine Schmitz/Photothek