Ausgehyped! Der CBD-Markt enttäuscht die Erwartungen

Ein Rückschlag jagt den nächsten

by Moritz Förster

Das dürfte der nächste Rückschlag für eine ohnehin arg gebeutelte Branche sein: Nachdem der Bundesgerichtshof der Revision der Staatsanwaltschaft stattgegeben hatte, müssen die Macher von Bunte Blüte um ihren Freispruch bangen. Das Thema CBD-Blüten dürfte sich in Deutschland damit vorerst erledigt haben. Zuvor hatte Baden-Württemberg bereits angekündigt, gegen die Verkäufer von CBD-Produkten vorzugehen. Betroffen von dieser Drohung dürften nicht nur Blüten sein. Dabei hinkt die Entwicklung auf dem CBD-Markt ohnehin einstigen Erwartungen schon weit hinterher.

Wie das baden-württembergische Landesministerium auf die Idee kam, von einem “boomenden Markt an CBD-Produkten” zu sprechen, bleibt den Verfassern vorbehalten. So waren in einer Linkedin-Umfrage von krautinvest.de fast 60 Prozent der rund 50 Teilnehmenden der Auffassung, dass CBD-Produkte die einstigen Erwartungen enttäuscht hätten.

Auch Tim Philipps, Gründer der Beratungsfirma CBD-Intel, berichtet von einer stagnierenden Nachfrage: “Viele Firmen fokussieren sich nicht mehr auf CBD, sondern versuchen entweder im medizinischen Markt Fuß zu fassen oder sich in Stellung für den legalen Genussmittelmarkt zu bringen.” Nate Erskine, Datenspezialist bei CBD-Intel, pflichtet im gemeinsamen Videocall bei: “Auf dem CBD-Markt findet eine Korrektur statt. Konsumenten haben das Produkt nicht wirklich verstanden und stellten fest, dass CBD nicht die Lösung für ihr Leben ist.” Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann kritisiert rückblickend: “Den Produkten wurden von den Herstellern und Händlern derartig viele Eigenschaften und Heilsversprechen zugeschrieben, die bei weitem nicht mehr seriös waren.”

Dabei waren die Hoffnungen noch vor wenigen Jahren immens groß. 2017 und 2018 erinnert sich Niermann, “fing der globale Hype um Cannabis ‘Light’ an”. 2019 und 2020 sei der CBD-Markt in Deutschland dann auf seinem Höhepunkt gewesen, unzählige Marken und Firmen hätten sich seines Erachtens bis zu diesem Zeitpunkt entwickelt und etabliert.

So hoffte noch im Sommer 2021 Finn Hänsel von der Sanity Group auf einen neuen Boom für CBD-Nahrungsergänzungsmittel, J’tanicals Gründerin Julia Wilde setzte auf hochwertige Hautpflege und Sexual-Wellness und Meira Schmidt ging vor rund eineinhalb Jahren von einer starken Umsatzentwicklung von CBD-Tierfutter in den nächsten drei Jahren aus.

Immerhin: Im Herbst letzten Jahres erklärte Evercanns Meira Schmidt krautinvest.de gegenüber, dass die Nachfragen nach bei Tierbesitzern in den vergangenen drei Jahren gestiegen sei. Ob der Umsatz schlussendlich unter oder über dem prognostizierten Entwicklungen lag, gibt sie mit Verweis auf die Pandemie sowie steigenden Energie- und Rohstoffpreisen dabei nicht Preis. 13 Mitarbeitende zählte das Unternehmen nach eigenen Angaben Ende 2022. Die Nachfrage nach Pflegeprodukten mit CBD-Anteil sei stärker gestiegen als nach anderen Produkten. Als großes Problem nennt Schmidt Herausforderungen mit Payment-Anbietern im Online-Handel: “Obwohl der Verkauf unserer Produkte dem Futtermittelkatalog entspricht, wurden Onlineshops fälschlicherweise gesperrt.”

Und die Sanity Group teilt krautinvest.de mit, dass nach dem CBD-Anfangshype die Nachfrage etwas abgeflacht sei. Der Markt habe sich auch aufgrund der makroökonomischen Lage anders entwickelt, als man das noch vor zwei, drei Jahren erwartet hätte. Trotz dessen habe habe das Unternehmen nach eigenen Angaben ein organisches Wachstum besonders mit der Premiumkosmetiklinie “This Place” verzeichnen können. Auch die Umsätze im Bereich ‘Sanity Care’ seien leicht gestiegen. “Generell hat sich der Trend bestätigt, den wir bereits in 2021 gesehen haben: weg von reinen CBD-only Produkten hin zu funktionalen Produkten”, so ein Sprecher des Unternehmens. Aus der Neuregulierung für Nahrungsergänzungsmittel habe sich leider nichts Neues ergeben.

Bei Synbiotic verweist man mit Blick auf 2022 ebenfalls auf die angespannte wirtschaftliche Lage und der daraus resultierenden gesunkenen Kaufkraft. Man beobachte inzwischen eine Stabilisierung der Nachfrage. Entsprechend habe sich das Angebot am Markt 2022 auch ausgedünnt, einige nicht-profitable Unternehmen seien, so die Synbiotic-Analyse, gezwungen gewesen, ihren Geschäftsbetrieb einzustellen. Synbiotic selbst habe mit der CBD-Marke Hempamed daher den Fokus daher bewusst auf einen medizinischen Schwerpunkte gelegt.

“Jeder Hype kommt zu einem Ende”

Prohibition Partners im CBD-Report geht davon aus, dass in ganz Europa 2022 immerhin CBD-Produkte für unter drei Milliarden Euro verkauft werden, darunter aber auch medizinische. Keine Kleine Summe, aber schlussendlich noch nicht die Dimension, auf die CBD-Pioniere einst gehofft hatten. Kai-Friedrich Niermann erklärt gegenüber krautinvest.de: “Wie jeder Hype einmal zu einem Ende kommt, sind die Aussichten für einen weiter wachsenden CBD-Markt eher trüb.” Den ersten Dämpfer verpasste die EU-Kommission, erinnert sich Niermann, der Industrie im Januar 2019, als sie entschied, Extrakte aus der Hanfpflanze als neuartiges Lebensmittel zu klassifizieren. “Eine Vermarktung als Lebensmittel war damit nicht mehr möglich”, so Niermann. Die eingegangenen Anträge sind noch in der Schwebe. Zuletzt hieß es, die EU sei unzufrieden mit der Qualität der Anträge gewesen.

Zudem dürfte sich auch das Thema CBD-Blüten, nicht nur aufgrund der Revision gegen Bunte Blüte, sondern auch nach dem – zugegeben kaum nachzuvollziehendem Urteil – des BGH im Sommer des letzten Jahres dem Ende neigen. Der BGH hatte ein Urteil des Landgerichts Berlin bestätigt, dass den Handel mit CBD-Blüten als Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz wertete.

Was im nicht-pharmazeutischen Markt bleibt, sind neben Tierfutter als Kosmetika deklarierte CBD-Produkte. Wobei auch dort Vorsicht geboten ist. In Baden-Württemberg sollen die Beamten auch gegen Produkte wie Aromaöle vorgehen, da erwartet werden könne, dass diese verzehrt werden würden – selbst wenn der Inverkehrbringer entgegengesetzte Warnhinweise angegeben habe.

CBD-Mundpflegesprays: die legale Alternative?

Immerhin ein legaler Ausweg im Rahmen der regulatorischen Vorgaben scheint sich abzuzeichnen. Niermann: “Derzeit noch im Markt befindliche CBD-Öle sind überwiegend als kosmetisches Mundpflegespray gekennzeichnet, da durch kosmetische Studien nachgewiesen werden konnte, dass Vollspektrumextrakte im Mundraum eine antibakterielle Wirkung entfalten. Diese Kennzeichnung wurde vom hanseatischen Oberlandesgericht letztes Jahr in zweiter Instanz bestätigt.” Seine Prognose: “Ob CBD-Öle mit kosmetischer Kennzeichnung dauerhaft im Markt verbleiben können, auch ohne erfolgter Zulassung als neuartiges ‘Lebensmittel’ durch die EU-Kommission, wird sich in 2023 entscheiden.”

Doch auch ohne dass die Beamten vor der Tür stehen, haben es Verkäufer von CBD-Kosmetika schwer genug. “CBD Kosmetika sind teurer als andere Kosmetika und viele Unternehmen haben nicht den erhofften Erfolg”, berichtet Datenexperte Erskine. Die ausbleibende Nachfrage macht sich laut Erskine dabei entlang der gesamten Wertschöpfungskette bemerkbar. “Isolate und Destillate haben den Tiefpunkt erreicht. Auch der Preis für alle erdenklichen Rohstoffe ist am Boden.” Laut des CBD-Reports von Prohibition Partners haben in Europa alle neun börsennotierten Unternehmen, die mit CBD handeln, bis Mitte 2022 Verluste eingefahren, 2021 summa summarum ein Minus von rund 62 Millionen Euro. Und die im Sommer 2020 gegründete Initiative Pro CBD reagierte gar nicht erst auf Anfragen von krautinvest.de. Die letzte Pressemitteilung datiert auf den elften März 2021. Die jüngsten BGH-Urteile ließ man unkommentiert.

Der stark fragmentierte und immer noch extrem unübersichtliche Markt wird sich daher mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter konsolidieren. Insbesondere kleinere Betriebe dürften es weiter schwer haben. Die ersten Akteure, so Phillips würden von CBD bereits auf HHC überwechseln. Ein weiterer Graubereich. Und die Ende der Fahnenstange ist damit noch nicht erreicht: In der Cannabis-Pflanze gibt es bekanntlich weit über 100 Cannabinoide.

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