Ohne Genehmigungsvorbehalt Cannabis verordnen – G-BA definiert Ausnahmen

by Moritz Förster

Der G-BA hat heute festgelegt, unter welchen Ausnahmen Ärztinnen und Ärzte auch ohne vorherige Genehmigung der Kostenübernahme durch den Medizinischen Dienst (MDK) medizinisches Cannabis verordnen dürfen.

Bislang galt die Regel, dass die erste Verordnung von Cannabisprodukten in der Regel von der Krankenkasse genehmigt werden muss; bei Folgeverordnungen nur bei einem Produktwechsel. Der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) hat jetzt insgesamt 16 Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen sowie 5 Zusatzbezeichnungen aufgelistet, bei denen der Genehmigungsvorbehalt zukünftig entfällt, darunter Palliativmedizin und spezielle Schmerztherapie. Bei Ärztinnen und Ärzten, die diese Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung führen, geht der G-BA davon aus, dass sie die Voraussetzungen für eine Cannabisverordnung abschließend einschätzen können. Bestehen jedoch Unsicherheiten, können auch diese Vertragsärztinnen und Vertragsärzte eine Genehmigung der Verordnung bei der Krankenkasse beantragen.

Gerade um diesen Punkt hat es im Plenum eine Debatte gegeben. Auf diesem Wege können sich Ärztinnen und Ärzte vor möglichen Regressansprüchen schützen.

Dazu Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel, lässt sich wie folgt zitieren: „ Uns erreichten zu unserem ursprünglichen Beschlussentwurf gute und wichtige Rückmeldungen, die sich jetzt auch im Beschluss wiederfinden. Um Unklarheiten zu vermeiden, werden keine bestimmten Krankheitsbilder genannt, da der Genehmigungsvorbehalt eben nicht nur dort entfällt. Zudem ist bei den nun gelisteten Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen eine Zusatzweiterbildung nicht zwingend notwendig. Aus meiner Sicht haben wir insgesamt eine ausgewogene Lösung gefunden. Ohne Einbußen bei der Patientensicherheit verringert sich der bürokratische Aufwand erheblich.“

Durchaus kritische hatte sich im Plenum Hecken eingangs Hecken geäußert: Es handele sich bei medizinischem Cannabis schließlich nicht um ein Fertigarzneimittel, Nebenwirkungen und Wirkungen seien nicht immer zu 100 Prozent identisch und die Dosierung problematisch. Für ihn gelte weiterhin der Vorrang von Fertigarzneimitteln. Auch die Patientenvertreterin, Anja Haas, sprach von einer schlechten Evidenzlage. Bei Frauenärzten betonte Haas die Relevanz von medizinischem Cannabis beispielsweise im Fall von Endometriose, bei Orthopäde verwies sie unter anderem auf Rückenschmerzen. Rund um den Einsatz von medizinischem Cannabis bei Kinder- und Jugendlichen betonte Hecken, dass dies für ihn persönlich ein „No-Go“ sei. Patienten- und GKV-Vertreter gaben an dieser Stelle ihre Position auf. Sibylle Steiner, KBV, warnte davor, diejenigen, die am meisten Erfahrung hätten, mit Zusatzqualifikationen zu belegen. Man müsse die Verordnungsfähigkeit in palliativ Situationen aufrecht erhalten. Angesichts des exponentiell ansteigenden Ausgabevolumen verwies Hecken auf eine Evaluierung nach 15 Monaten. Man müsse schauen, wie es läuft, und ob medizinisches Cannabis sich zur Allgemeinmedikation entwickele, was nicht Sinn und Zweck des Beschlusses sei.

In einer Pressemitteilung begrüßt Stefan Fritsch, CEO der Grünhorn Gruppe, den Beschluss: „Die Regelung ist ein entscheidender Schritt, um den Zugang zu medizinischem Cannabis für die zu erleichtern, die es benötigen. Wir haben aus erster Hand erfahren, wie schwierig es oft war, notwendige Behandlungen zu erhalten.“ Eine Vereinfachung der Regelung für die Verschreibung von medizinischen THC-haltigen Produkten führe zu weniger Wartezeit für Patientinnen und Patienten – und zu mehr Vertrauen in die Ärzte. Der Mediziner Dr. Lorenz Eberle ergänzt in der gleichen Mitteilung des Unternehmens: „Wenn der Arzt das Cannabis-Medikament verordnet, soll es die Kasse auch bezahlen. Bei einem Diabetes-Medikament wird auch nicht jedes Mal nachgefragt. Die geplanten Zusatzqualifikationen sind zielführend, damit sich die Fachärzte nachweislich gut mit Cannabis auskennen.“

Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung ist keine Genehmigung zwingend erforderlich, sobald der Beschluss in Kraft tritt: Fachärztin/Facharzt für Allgemeinmedizin, Fachärztin/Facharzt für Anästhesiologie, Fachärztin/Facharzt für, Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Angiologie, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, Fachärztin/Facharzt für Neurologie
Fachärztin/Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Fachärztin/Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Zusatzbezeichnungen, Geriatrie, Medikamentöse Tumortherapie, Palliativmedizin, Schlafmedizin, Spezielle Schmerztherapie

Bildquellen

  • Hecken-Josef_Pressefoto-Reibke_web: © Rosa Reibke/G-BA

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