Die Kraft von Lieferkettendaten für einen kommerziellen Cannabiskonsum

by Gastautor

Ein Gastbeitrag von Lewis Koski, Metrc

Die großen Hoffnungen vieler auf eine kommerzielle Cannabislegalisierung in Deutschland dürften in den vergangenen Monaten enttäuscht worden sein. Insbesondere Unternehmen mit kommerziellen Absichten stellt das Konsumcannabis-Gesetz vor Herausforderungen. Die Erfahrung aus anderen Märkten kann hilfreich sein, um eine Perspektive auf den Regulierungsvorschlag – und somit die Zukunft des deutschen Marktes – zu gewinnen.

In den USA war die regulierte Industrie ein wichtiger Akteur, der die Entwicklung von illegalen Märkten zu legalen Märkten vorantrieb. Die Regulierung war dabei immer das Herzstück der Entwicklungen. Der Prozess ist und war eine Spielwiese für Unternehmen und diejenigen, die wendig und ausdauernd genug waren, um am Ball zu bleiben. Die Ähnlichkeiten mit dem aktuellen Status quo in Deutschland sind bemerkenswert.

Lieferkettendaten in Aktion – Aufbau professioneller Plattformen

Die von der Regierung mit der Legalisierung verfolgten Ziele der Bekämpfung sind die Leitplanken der Regulierung. Sie werden verfolgt durch ein Streben nach Transparenz, Verlässlichkeit und Effizienz. Erfolgreiche Unternehmen sind klug beraten damit, anhand dieser Werte ihr Geschäft auszurichten. So beweisen sie ein glaubwürdiges Interesse an einem nachhaltigen, langfristigen Markt und das trotz der aktuell angespannten Stimmung. In den USA sind Systeme zur Einhaltung von Vorschriften, mit denen sich Produkte über die gesamte Lieferkette hinweg verfolgen lassen, das bevorzugte Instrument von Regierungen, die mit der Regulierung ihrer Märkte beauftragt sind. Diese Rückverfolgbarkeitsplattform hat sich in allen Märkten zum Rückgrat der regulierten Rahmenbedingungen entwickelt, da sie Einblicke in den Lebenszyklus des Produkts bietet und die Rechenschaftspflicht für Unternehmen und Behörden erleichtert. Es war ein klares Signal der lizensierten Unternehmen an die US-Regierungen: als Industrie sind wir bereit zu tun, was nötig ist. Gleichzeitig wurde durch die Bereitstellung von lückenloser Marktübersicht der erste Schritt zur Kommerzialisierung gewagt.

Ein Blick über den großen Teich – Gelernte Lektionen

In den ersten Tagen der Legalisierung in Colorado waren die politischen Ziele klar formuliert: die Bekämpfung des illegalen Marktes, der Schutz der Jugend und der öffentlichen Gesundheit. Diese Ziele stimmen mit den aktuellen Bestrebungen in Deutschland überein, was den Blick auf amerikanische Lehren und Best Practices umso wichtiger macht.

Lektion Nr. 1: Datenlücken sind schlecht fürs Geschäft

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Datenlage zur Neubegründung eines Marktes oft unvollständig ist. Daten sind jedoch eine Notwendigkeit, um ein nachhaltiges Geschäft aufzubauen. Dieser Mangel an zuverlässigen Daten ist eine Herausforderung, mit der Europa derzeit konfrontiert ist. Die Nachverfolgung von Lieferkettendaten könnte hier Abhilfe schaffen, indem sie eine solide Grundlage für alle Beteiligten schafft. Ein erfolgreiches Business zu planen, wird einfacher.

Lektion Nr. 2: Legale Märkte entstehen nicht über Nacht

Legale Märkte brauchen Zeit, um sich zu etablieren und den illegalen Markt langfristig zu verdrängen – Zeit, datenbasierte Entscheidungen zu treffen. Die Erhebung von Lieferkettendaten spielt eine entscheidende Rolle bei der Überwachung und Erleichterung dieses Übergangs. Modellprojekte, wie sie im Rahmen der zweiten Säule der deutschen Regulierung vorgeschlagen werden, sind der Schlüssel: sie könnten datengestützte Argumente für die vollständige Legalisierung sammeln. Fraglich ist, ob ein fünfjähriger Versuchszeitraum dafür ausreicht. Es dauert seine Zeit, bis illegale Geschäfte legal werden und legale Geschäfte sich etablieren. Mit dem Ziel eines kommerziellen Marktes fest im Blick sollten die gesammelten Lieferkettendaten so umfassend wie möglich erfasst werden und den Weg nach vorne ebnen. 

Lektion Nr. 3: Produktvielfalt erleichtert Verbrauchern den Wechsel auf den legalen Markt

Ein vielfältiges Angebot an vertrauenswürdigen, getesteten Produkten kann die Verbraucher vom legalen Markt überzeugen. Weniger Risiken und mehr Auswahl resultieren in einem besseren Lifestyle-Gefühl. Das Potenzial von Modellprojekten liegt darin, dass sie neben der Blüte auch alternative Produktarten mit gesicherter Qualität anbieten können – und langfristig zu den Konsequenzen des Konsums verschiedener Produkte Daten erheben, und forschen können. Der Schlüssel dazu sind diversifizierte Produktkategorien jenseits der Blüte.

Lektion Nr. 4: Das Verhältnis von Marktsegmenten definiert Geschäftsmodelle

Lieferkettendaten gehen über einzelne Marktsegmente hinaus und zeigen das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Bereichen auf, z. B. zwischen medizinischem und Konsumcannabis. Die umfassende Erfassung von Daten über alle Segmente hinweg können die Regulierungsbehörden unerwünschte Wechselwirkungen einhegen. Die Unternehmen profitieren davon: sie wissen, in welchen Marktsegmenten es welche Geschäftsmöglichkeiten gibt, und richten sich danach aus.

Lektion Nr. 5: Experimente ohne Erfolgsdefinition haben keine Zukunft

Die Zukunft der Cannabis Clubs (und Modellprojekte) hängt davon ab, ob die Regierung ihre Ziele verwirklicht sieht. Das lässt sich am besten im datenbasierten Vorher/Nachher-Vergleich ermitteln. Lieferkettendaten von lizenzierten Cannabisunternehmen zu erheben, schafft die Parameter für diesen Vergleich. Es bleibt die Frage: was ist das Vorher – und wie sind die Kennzahlen für den Erfolg des Experiments? Als Leitplanken für die gewünschten Geschäftspraktiken sollten Cannabisunternehmen diese Erfolgsdefinition von der Regierung einfordern. Wer mit klarer Perspektive arbeitet, ist eher motiviert, die Vorschriften einzuhalten und transparent zu agieren. Schließlich kann man sich an seinen Erfolgen messen lassen.

Ein Blick in die Zukunft – ein gemeinsamer Kraftakt

In Colorado wurde Cannabis ganz zu Beginn in kleinen Plastiktüten verkauft, so wie Kuchen beim jährlichen Kuchenbasar in der Grundschule. Während das absurd und lustig klingt, war es ein Hinweis auf mangelnde regulatorische Weitsicht. Die Regulierungsbehörden in Colorado haben die Notwendigkeit einer umfassenden Regulierung von Cannabis als Konsumgut nicht rechtzeitig begriffen. Die Deutschen können daraus lernen und Kinderkrankheiten umschiffen. So wie wir uns nicht auf Kuchenverkäufe verlassen würden, um unsere Schulen zu finanzieren, sollte die deutsche Cannabisindustrie sich nicht durch den “nicht-kommerziellen” Charakter des Gesetzesentwurfs ins Bockshorn jagen lassen. Es ist jetzt an der Zeit, die Grundlagen für den professionellen und profitablen Markt der Zukunft zu schaffen.

Der Schlüssel dazu ist die Nachverfolgung der Lieferkette und die Einspeisung der Daten in eine gemeinsame Plattform. Die Unternehmen und Cannabis Clubs profitieren von einer verlässlichen und objektiven Dokumentation ihres Geschäfts: Optimierung ihrer Betriebsabläufe, Markenschutz, verbessertes Lieferkettenmanagement, punktgenaues Rückrufmanagement sowie erhöhte Transparenz und Vertrauen zwischen Playern sind nur einige der Vorteile.

Ein holistischer Rechtsrahmen, der diese Plattform vorsieht, ist im besten Interesse aller – insbesondere für Unternehmen, da er gleichzeitig Leitplanke und Verheißung für die Zukunft ist. Die Legalisierung von Cannabis ist ein komplexer Prozess, der mit Herausforderungen und Chancen verbunden ist. Anhand der praktischen Erfahrungen aus Colorado wird deutlich, dass eine Plattform zur Erfassung von Lieferkettendaten der Dreh- und Angelpunkt für eine glaubwürdige, effiziente und erfolgreiche Cannabisindustrie ist. Wenn Deutschland diesen Ansatz verfolgt, hat es das Potenzial, Cannabis in Europa neu zu definieren und den Grundstein für einen erfolgreichen, kommerziellen Markt zu legen. Alles beginnt mit der Definition eines gemeinsamen Verständnisses von Erfolg, und der Zukunft.

Über Lewis Koski

Lewis Koski ist COO von Metrc LLC. Als ehemaliger Leiter der Colorado Marijuana Enforcement Division kennt er die Herausforderungen, welche mit der Legalisierung von Cannabis einhergehen. Gemeinsam mit Metrc entwickelte er als Vertreter der Behörden von Colorado das weltweit erste Cannabis Track- und Trace-System. 2019 wechselte er auf Unternehmensseite und stärkt seitdem die Vereinbarkeit der Interessen der öffentlichen Gesundheit und mit den operativen Bedürfnissen der Cannabis-Industrie.

Metrc ist der führende Anbieter von datenbasierter Nachverfolgungssoftware zur effektiven Regulierung von legalen Cannabismärkten. Als tragende, digitale Infrastruktur überwacht das Unternehmen von der Saat über die Ernte bis zur Verkaufsstelle die gesamte Cannabis-Lieferkette – lückenlos, sicher und nachhaltig. Mehr als 300.000 Kunden vertrauen heute in 22 US-Bundestaaten und -distrikten auf unsere patentierte Track & Trace-Technologie. Auch in Deutschland könnten Behörden und Unternehmen gleichermaßen von der modernen Datenerhebung in Echtzeit profitieren.

Disclaimer: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

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