CBD-Update März mit Kai-Friedrich Niermann

by Lisa Haag
Ein Gastbeitrag von Kai-Friedrich Niermann

2019 war für die CBD-Industrie schon ein schweres Jahr, 2020 scheint nicht minder herausfordernd zu werden. Bis zum Dezember 2019 wurden mehrere behördliche Vertriebsverbote von CBD-Ölen, sowohl mit Isolaten als auch mit Extrakten, insbesondere aus superkritischer CO2 Extraktion, von erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten in Deutschland bestätigt (z.B. VG Gießen). Auch im neuen Jahr gab es weitere Polizeiaktionen und behördliche Untersagungen, auch bei Unternehmen, die sich bisher sicher gefühlt haben, da sie ausschließlich im Onlinehandel tätig waren. Und nun kommt auch noch die Corona Pandemie hinzu.

Sämtliche Branchenveranstaltungen, wie die ICBC in Berlin oder die CNBS in Köln, wurden abgesagt oder verschoben. Ob die Mary Jane in Berlin im Juni und die Ausweichtermine stattfinden können, ist noch mehr als fraglich.

Cannamedical & Cannabidiol

Die Firma Cannamedical aus Köln hat darüber hinaus begonnen, CBD-Hersteller und Distributoren über den Rechtsanwalt Peter Homberg von der Anwaltskanzlei Dentons aus Berlin anzuschreiben und darauf hinzuweisen, dass Extrakte aus Cannabis sativa L und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten, als Novel Food gelten und ohne eine entsprechende Zulassung nicht verkehrsfähig seien. Die Unternehmen, die diese Produkte vertreiben, würden sich einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Rechtsanwalt Homberg forderte die Unternehmen unter Fristsetzung auf, den Vertrieb zulassungspflichtiger CBD-Produkte umgehend einzustellen. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass die Firmen den zuständigen Behörden gemeldet worden sind.

Um eine rechtswirksam verbindliche Abmahnung hatte es sich gleichwohl nicht gehandelt. Zum einen war keine strafbewehrte Unterlassungserklärung beigefügt, zum anderen auch keine anwaltliche Kostennote. Die Abmahnung steht offensichtlich in Zusammenhang mit dem von Cannamedical entwickelten CBD-Rezeptur-Kit, das die Firma zuletzt als Rezepturarzneimittel in Apotheken vertrieben hat.

Ob und in welcher Intensität Cannamedical hier weiter vorgeht, bleibt abzuwarten. Freunde in der Branche hat sich die Firma damit jedenfalls nicht gemacht. Und Dentons, einer der Hauptsponsoren der ICBC 2020 in Berlin, natürlich ebenfalls nicht.

EIHA vs. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Zeitgleich sorgte die EIHA mit einer Pressemitteilung Anfang März für Aufsehen: “Cannabidiol nicht zwingend als Novel Food zulassungspflichtig“. Vorausgegangen war ein Schriftwechsel mit dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, nachdem dieses im März 2019 auf seiner Webseite statuiert, dass keine Fallgestaltung bekannt sei, wonach Cannabidiol (CBD) in Lebensmitteln, also auch in Nahrungsergänzungsmitteln, verkehrsfähig wäre. Die EIHA forderte vom BVL eine Klarstellung bzw. eine differenzierte Betrachtungsweise, da Stellungnahmen der europäischen Kommission aus dem Jahr 1998 vorliegen, in denen bestätigt wurde, dass es sich bei Lebensmitteln, die Teile der Hanfpflanze enthalten, nicht um neuartige Lebensmittel handelt.

Die Bundesregierung hatte sodann auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion im Juli 2019 erklärt, dass die Stellungnahmen der europäischen Kommission aus dem Jahr 1998 weiterhin ihre Gültigkeit haben, daraus aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass sämtliche Erzeugnisse der Hanfpflanze, also beispielsweise auch isolierte Einzelsubstanzen wie Cannabinoide oder mit Cannabinoiden angereicherte Extrakte, als Lebensmittel verkehrsfähig wären.

Ähnlich hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Anfrage der EIHA beantwortet. Auch dem BMEL lägen nämlich keine Belege dafür vor, dass mit Cannabidiol (CBD) angereicherte Hanfextrakte in nennenswertem Umfang in der EU vor dem 15. Mai 1997 konsumiert wurden.

Im Umkehrschluss ergebe sich daraus, dass Cannabinoide der Hanfpflanze nur noch dann als neuartige Lebensmittelzutat angesehen werden kann, wenn sie isoliert oder angereichert verwendet werden. Lebensmittelprodukte aus Hanf, die mithilfe traditioneller Hanfblüten/-Blätter Extraktion gewonnen wurden und dass in der Hanfpflanze enthalten natürliche Vollspektrum von Cannabinoiden aufweisen, sind daher verkehrsfähig. Eine solche Prüfung kann nur in jedem Einzelfall vorgenommen werden und die pauschale Einordnung des BVL auf seiner Webseite ist damit fehlerhaft.

Diese Einschätzung der EIHA ist meiner Meinung nach folgerichtig und wird auch in den noch zu verhandelnden Berufungen gegen die bereits ergangenen erstinstanzlichen Verwaltungsgerichtsentscheidungen sowie in neuen Verfahren zu beachten sein.

Auch im Fall von Cannamedical, das aufgrund wettbewerbsrechtlicher Grundlage vorgeht, sollte jedes Unternehmen prüfen, ob tatsächlich eine Einstufung als Novel Food zwingend ist.

EIHA Novel Food Konsortium

Zwar gingen einige Schlagzeilen dann doch zu weit, besondere internationale Stimmen zu der Pressemitteilung, die bereits titelten, dass die Bundesregierung CBD nun freigegeben hat. Aber die von der EIHA aufgezeigte Differenzierung sollte bei Behörden, Verwaltungsgerichten und Wettbewerbern doch ausreichend Beachtung finden.

Nichtsdestotrotz schreitet die EIHA weiter mit der Gründung eines Konsortiums voran, wie auf der Generalversammlung im November 2019 beschlossen. Das Konsortium wird für die Mitglieder Gemeinschaftsanträge stellen, die insbesondere auch Isolate und angereicherte Hanfextrakte zur Zulassung als Novel Food umfassen. Nur so kann das volle Marktpotenzial der Hanfpflanze und ihrer Derivate für den Konsumenten ausgeschöpft werden. Die EIHA wird dazu spätestens bis zum zweiten Halbjahr 2020 ihr vollständiges Konzept vorstellen, inklusive des Zeitplanes, der durchzuführenden Studien und der Kosten für die Mitglieder. Eine Mitgliedschaft in diesem Konsortium als auch der EIHA ist noch möglich, neue Mitglieder sind jederzeit willkommen.

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von Kai-Friedrich Niermann und ist ursprünglich auf seinem Blog www.canna-biz.legal erschienen. Read the english article here: https://canna-biz.legal/cbd-update-march-2020-corona-cannamedical-and-eiha/

Über den Autor:

CBD-Update März mit Kai-Friedrich Niermann

Kai-Friedrich Niermann ist seit 2003 Rechtsanwalt und berät Unternehmen und Organisationen in allen Fragen des Wirtschafts- und Vertragsrechts. Erst ist vertraut mit den Schnittstellen von nationalen und europäischen Regulierungen im Hinblick auf Verbraucherschutz und neue Cannabisprodukte. Schon während seines Studiums an der Philipps Universität in Marburg beschäftigte er sich mit der Cannabis-Prohibition, da 1994 ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofes zum Eigenbedarf ergangen ist.

Nachdem medizinisches Cannabis 2017 legalisiert wurde, startete er einen Blog zu rechtlichen Aspekten rund um das Thema Cannabis (canna-biz.legal) und den Vertrieb neuer Cannabisprodukte. Kai spricht regelmäßig auf internationalen Konferenzen zum deutschen und europäischen Rechtsrahmen für Cannabisprodukte. Zuletzt sprach er auf der ICBC 2019 in Berlin auf dem CBD-Panel, auf der re:publica 2019 und der EuroAMCBC in Prag über den rechtlichen Rahmen für einen zukünftigen Freizeit-Cannabismarkt in Deutschland, auf dem First Asian Hemp Summit in Hongkong und im Cannabis Law Institute in New York. Außerdem veröffentlicht er regelmäßig Beiträge auf den online Plattformen Prohibition Partners, Cannabis Law Report und wird von der kanadischen Globe and Mail zitiert. Heute berät Kai nationale und internationale medizinische Cannabisproduzenten und CBD Hersteller, sowie ein anerkanntes Onlineportal für medizinisches Cannabis und CBD Produkte.

Kai ist Mitglied des Deutschen Hanfverbands (DHV), der European Industrial Hemp Association (EIHA) und der International Cannabis Bar Association (INCBA), einer internationalen Vereinigung von Anwälten, die im Bereich Cannabis beraten, sowie von Law Enforcement Against Prohibition (LEAP Germany).

Hinweis: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln. Bei diesem Artikel handelt es sich nicht um eine Rechtsberatung.

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