Was passiert mit den Patient:innen nach der Legalisierung von Cannabis als Genussmittel? Laut einer repräsentativen Umfrage befürwortet mehr als die Hälfte der Deutschen die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel. Unterdessen tobt nach einem Gutachten aus dem Bundestag die Debatte: Scheitert die Legalisierung an europäischem Recht? Expert:innen erachten die Argumente als altbekannt. Neues zudem von der Sanity Group – das Berliner Cannabis-Unternehmen erhält weiteres Wachstumskapital und knackt die 100-Millionen-Euro-Marke.
#CannaMedizin
Die Diskussion um medizinisches Cannabis sei um eine Datenquelle reicher: Eine US-Studie zeige, welche Patient:innen welche Produkte bevorzugen. In der Dosierung zeige sich eine deutliche Variabilität. (Doccheck)
Behandelnde Ärzte und Ärztinnen sowie chronisch kranke Patient:innen beklagen Wartezeiten. Für medizinische Cannabinoide sei in Deutschland vor der Verordnung ein Antragsverfahren notwendig. Betroffene müssen mindestens fünf Wochen warten, bis die Krankenkassen über den Antrag entscheiden. Schmerzmediziner:innen würden die administrative Hürde als „viel zu hoch“ beklagen (Ärzteblatt).
Cannabis-Verbände fordern, dass im Rahmen der geplanten Legalisierung von Cannabis als Genussmittel an die Bürger:innen gedacht werde, die Produkte aus der Hanfpflanze am dringendsten benötigen: Patient:innen, die von einer cannabisbasierten Therapie profitieren. Die Versorgung mit medizinischem Cannabis müsse verbessert werden. (Presseportal)
Der deutsche Markt für medizinisches Cannabis setze sein Wachstum fort. In der Debatte über die vollständige Legalisierung von Cannabis sei die Entwicklung des medizinischen Marktes in den Hintergrund getreten. Die Cannabisimporte Deutschlands seien in der ersten Jahreshälfte deutlich gestiegen (Finanznachrichten).
#CannaPolitik
Lauterbach räume in einem Spiegel-Gespräch ein, dass er einmal einen Joint geraucht habe. Zwar habe es ihn entspannt, er sei sich aber immer sehr klar gewesen, wie gefährlich Drogen seien. In diesem Zusammenhang erwähne der Minister Schulfreunde, die von Cannabis über chemische Drogen bis zum Heroin gekommen sein (Watson).
Eine aktuelle Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos zeige, dass mehr als die Hälfte der Deutschen das Vorhaben der Bundesregierung, Cannabis zu legalisieren, begrüße. 61 Prozent der Befragten geben an, dass sie eine kontrollierte Abgabe von Cannabis in lizenzierten Geschäften befürworten würden (Presseportal; RND).
Für Lauterbach soll die Legalisierung von Cannabis ein “Kurswechsel” in der Drogenpolitik werden. Doch vieles sei rechtlich noch unklar. Etwa die Frage, ob die Apotheken oder besondere Ausgabestellen die Droge ausgeben – und ab welcher Altersstufe Cannabis dann legal geraucht werden dürfe. Auch die Frage, ob und bis zu welchem Cannabis-Wert im Blut ein Mensch noch Auto fahren dürfe, sei ungeklärt (Morgenpost). Über all diese Fragen berate derzeit eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe der Ampel auf Staatssekretärs-Ebene. Ihren Beratungen dürfte eine fundamentale Frage voranstehen: Ist die geplante Cannabis-Freigabe überhaupt mit internationalem Recht vereinbar (LTO)?
Denn die von der Koalition geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland verstoße nach Einschätzung von Experten des Bundestags gegen EU-Recht. In einer Analyse für den CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger nenne der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags europäische Verträge, an die Deutschland gebunden sei und die einer Legalisierung nach dem von der Ampel-Regierung vorgesehenen Muster entgegenstünden (Rundschau Online; Süddeutsche; Tagesschau; ZDF). Gerade eine so offene Koalition, die nichts im nationalen Alleingang entscheiden möge, solle zumindest einen Blick in das europäische Rund und auf die internationale Rechtslage werfen (FAZ). Pilsinger: „Die Cannabis-Legalisierung zu Genusszwecken – so, wie es die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag festgehalten hat – ist gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hat.“ Scheitert die deutsche Cannabis-Legalisierung am Völker- und Europarecht? Mit juristischem und diplomatischem Geschick könne sie doch noch funktionieren (WELT). Schließlich kämen aus Brüssel auch bemerkenswerte Signale (RP-Paywall). Für die SPD-Fraktion befasse sich die Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge mit der rechtlichen Seite der Cannabislegalisierung. Die Juristin sei nach wie vor optimistisch, dass die Ampel-Koalition ihre Pläne umsetzen könne, erklärt sie in einem ausführlichen Interview mit der ZEIT.
Für Lars Müller, dem Chef des börsennotierten Cannabisunternehmen Synbiotic, sei das Gutachten ohnehin nichts weiter als ein PR-Coup von Stephan Pilsinger. Der Erkenntnisgewinn der Analyse sei für die Branche „gleich null“, mit den gesetzlichen Hürden beschäftige man sich schon lange (Merkur). Auch Niklas Kouparanis und Alfredo Pasqual erklären in einem Gastbeitrag für die FAZ, dass die Ergebnisse des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags und eine daran anschließende Ausarbeitung der Unterabteilung Europa wenig überraschen: Die Texte paraphrasierten im Wesentlichen die relevanten völkerrechtlichen und europäischen Verträge, die der Legalisierung im Wege stehen könnten, sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache Josemans v Burgemeester van Maastricht. Was sich auf den ersten Blick wie ein No-Go der Legalisierung anhöre, erweise sich bei genauem Hinsehen als differenzierte Sachlage (FAZ ). Der Weg der rechtskonformen Cannabis-Legalisierung sei beschwerlich, aber nicht unmöglich. Wie dies gelingen kann, beschreibt auch Dantons-Partner und Rechtsanwalt Peter Homberg (LTO).
Bei einer FDP-Veranstaltung im Landtagswahlkampf in Niedersachsen habe Christian Lindner zu Demonstrierenden gesagt, sie können sich darauf freuen, dass die Legalisierung nächstes Jahr komme. Allerdings habe der Bundesdrogenbeauftragte Blienert noch im Juli gesagt, es sei eher unwahrscheinlich, dass das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung vor 2024 in Kraft trete. Die Ampel-Koalition werde Ende dieses Jahres oder Anfang kommenden Jahres einen Entwurf dafür vorlegen. Es seien aber noch viele Fragen zu klären, hatte der Bundesdrogenbeauftragte im Juli betont (Handelsblatt).
Als mögliche Abgabestellen seien Apotheken im Gespräch. Diese sehen sich dann jedoch in einem heilberuflichen Konflikt, wie beim Deutschen Apothekertag noch einmal deutlich wurde. Andererseits befänden sich bereits in einem hoch reguliertem Umfeld, stehen für Qualität und könnten fundiert auch zu Cannabis und seinen Gefahren beraten. Rein ökonomisch betrachtet, würde sich wohl sogar ein Vorteil ergeben (Pharmazeutische Zeitung).
#CannaInternational
Deutschland habe sich zur Kriminalisierung von Suchtstoffen verpflichtet, so will es die EU. Doch diese Verbotspolitik sei nicht mehr zeitgemäß – und die Bundesregierung solle sich an die Spitze einer Bewegung stellen, die es ermöglicht, Cannabis zu legalisieren. Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten wie Spanien, Luxemburg, Belgien, Portugal, Tschechien oder Malta hätten sich aufgrund der europarechtlichen Hürden für verschiedene Varianten der Entkriminalisierung beziehungsweise Pseudo-Legalisierung entschieden, trotz der damit verbundenen Nachteile in Sachen Qualitätskontrolle, Jugendschutz, Besteuerung (WELT).
Bereits 2010 habe Tschechien den Konsum von Cannabis entkriminalisiert. Erlaubt werde “eine Menge nicht größer als klein” – wobei Paragraf 284 im Strafgesetzbuch immer wieder für Diskussionen gesorgt habe. Ursprünglich habe die Gerichte darunter 15 Gramm Marihuana und fünf Hanfpflanzen für den Eigenbedarf verstanden. Angesichts des gestiegenen THC-Gehalts liege die Grenze inzwischen bei zehn Gramm (Tagesschau).
Rund 400 Menschen sollten in Basel ab dem 15. September legal kiffen dürfen. Doch der Verkauf im Rahmen einer Studie in Basler Apotheken könne bis auf weiteres nicht beginnen. Denn bei einer Qualitätskontrolle wurden Pestizidrückstände gefunden (SWR; Watson).
Gesundheitspolitiker des Bundestags haben sich in den USA und Kanada über die dortige Legalisierung von Cannabis informiert. Acht Mitglieder des Gesundheitsausschusses aus allen Bundestagsfraktionen seien dafür eine Woche lang nach Kalifornien und in die kanadische Provinz Ontario gereist, wie der Bundestag mitteilte (Apotheke-adhoc; Tagesschau; Stuttgarter-Nachrichten; WELT).
Während Deutschland über die Legalisierung von Cannabis diskutiert, hätten andere Länder längst Fakten geschaffen. Neben den Niederlanden gebe es in Europa und weltweit noch weitere Länder, in denen der Cannabiskonsum nicht unter Strafe steht. Das RND gibt einen Überblick.
#CannaWirtschaft
Can Ansay , der Deutschland die kostenlosen Online-Coronatest-Zertifikate beschert habe, melde sich mit einer neuen Digitalidee zurück: Dieses Mal verkaufe Can Ansay Cannabis-Rezepte online – und liefere die Blüten gleich mit (WiWo).
Das Berliner Cannabis-Unternehmen Sanity-Group habe weiteres Wachstumskapital in Höhe von 36,7 Millionen Euro eingesammelt. Wie das Handelsblatt vorab erfuhr, werde die gerade abgeschlossene Finanzierungsrunde der Serie B von British American Tobacco (BAT Group) als Neuinvestor angeführt, zudem würden sich bereits bestehende Investoren beteiligen. Insgesamt habe das 2018 gegründete Start-up mittlerweile mehr als 100 Millionen Euro von Investoren eingesammelt.
Seit Kanada 2018 als erstes Industrieland der Welt Cannabis für den Freizeitgebrauch legalisiert habe, haben etliche Anbieter Milliarden Dollar in den Bau von Plantagen und die Expansion gesteckt. Doch die anfängliche Goldgräberstimmung habe zu großen Überkapazitäten geführt. Kanada produziere mehr Cannabis, als es selbst verbrauchen kann. Viele Kunden kaufen trotz der legalen Option weiterhin die billigere Ware vom Schwarzmarkt. Im vergangenen Jahr wurden laut Angaben des kanadischen Gesundheitsministeriums 468 Tonnen getrocknetes, unverkauftes Cannabis vernichtet (Handelsblatt).
Disclaimer: Redaktioneller Beitrag, keine Investmentempfehlung.