Cannabis-Unternehmertum: zwischen Risiko, Lifestyle und Revolution

by Lisa Haag

Cannabis ist in aller Munde. Als wirtschaftliches und unternehmerisches Dauerthema wohlgemerkt. Mehr und mehr Unternehmer wittern ihre Chancen im Bereich Cannabis. Doch so groß die Opportunitäten, so groß auch das Risiko. Legalisierung? Novel-Food-Produkte? Verlässlich kann niemand vorhersagen, wie sich die legale Cannabiswirtschaft entwickelt. Selbst der Status Quo ist in vielerlei Hinsicht ein einziger Graubereich. Wir haben uns mit Philipp Ferrer, Gründer des Lifestyle-Portals myWeedo.de und der CBD-Lifestyle-Brand HempCrew, über ereignisreiche Jahre als Cannabis-Unternehmer ausgetauscht.

Ein Interview mit Cannabis-Serienunternehmer Philipp Ferrer

krautinvest.de: Philipp, Du bist ein umtriebiger Unternehmer in der Hanf und Cannabiswirtschaft. Wo liegen die Schwerpunkte Deines unternehmerischen Handelns? Wie bist Du zu Hanf und Cannabis gekommen und wie hat sich das über die Zeit entwickelt? 

Philipp Ferrer: Cannabis ist eine Antwort auf sehr viele Fragen – es ist erstaunlich, wie viel Potenzial in dieser polarisierenden Pflanze steckt. Alleine die Anwendungsbereiche als Arznei- und Genussmittel, als Rohstoff und als Lebensmittel sind so ungeheuer vielfältig, wie bei keiner zweiten Pflanze. Wir haben mit unserem Online Magazin myweedo.de angefangen über Hanf zu schreiben, um dem Stigma des „mit der Couch verwachsenen Kiffers, der sein Leben nicht gebacken kriegt und dem alles scheißegal ist“ entgegenzuwirken. Denn das traf auf wirklich niemanden zu, den wir bis dato kannten, und wir kennen nun doch so einige Hanffreunde. Wir sahen Hanf schon immer in Verbindung mit einem aktiven und lebensbejahenden Lifestyle und haben deshalb ein Magazin erschaffen, das diesen Lebensstil verkörpert. 

Unsere CBD-Marke HempCrew haben wir zusammen mit unserem österreichischen Produzenten, Sportexperten und -enthusiasten, ins Leben gerufen. Seitdem hat uns auch das Thema CBD voll im Griff.

krautinvest.de: Wieso seid ihr so divers aufgestellt?

Philipp Ferrer: Bei uns liegt der Fokus auf der Bildung von unterschiedlichen Marken wie einerseits der Content Plattform und dem Online-Shop Weedo und andererseits an Produkten wie beispielsweise dem Grinder WeedoNiRo oder den HempCrew CBD-Produkten. Als Unternehmen ist es uns wichtig, dass wir niemals unsere Mission – Vorreiter eines aufgeklärten und verantwortungsbewussten Lifestyles mit Cannabis entgegen der bekannten Stigmen zu sein – aus den Augen verlieren. Unsere Vision ist es, durch unser unternehmerisches Handeln weltweit bekannte Premiummarken in Verbindung mit legalem Cannabis zu schaffen. Wir greifen aktuelle Megatrends wie Neo-Ökologie und Gesundheit auf und verknüpfen diese mit Hanf als nachhaltigem Rohstoff, Nahrungsmittel, Gesundheits- und Wellnessprodukt. Darüber hinaus halten wir es für unsere Pflicht, die Bevölkerung und auch die Politik über die Notwendigkeit einer modernen Drogenpolitik im Umgang mit ‘Recreational Cannabis’ aufzuklären und so unseren Teil zu einer dringend benötigten Regulierung des Marktes beizutragen. 

Wir haben in all den Jahren viel ausprobiert, es hat bei weitem nicht alles geklappt. Aber auch durch gescheiterte Projekte haben wir erkannt, was unsere Themen sind. Beispielsweise haben wir zwischenzeitlich selbst Rohstoffe produziert, um dann feststellen zu müssen, dass man nicht die komplette Wertschöpfungskette selbst abdecken muss. Zuverlässige und kompetente Partner sind manchmal besser.

krautinvest.de: Eure Marken und Produkte legen Wert auf ihr Erscheinungsbild und sind darauf ausgelegt, eine bestimmte Zielgruppe, beispielsweise Menschen mit einem aktiven Lebensstil, anzusprechen. Welche Themen sind für euch wichtig? 

Philipp Ferrer: Uns geht es auch darum, zu zeigen, dass Cannabis mehr ist als “nur” eine Medizin für einige Krankheiten. Für uns ist Cannabis unter anderem Ausdruck eines Lifestyles – insbesondere eines aktiven Lifestyles. Einer unserer Schwerpunkte in der Ansprache sind daher die Themen Sport, Gesundheit und Wellness. Insbesondere CBD besitzt dafür ein vielversprechendes Potenzial und wird bereits von vielen Athleten routinemäßig genutzt. Beispielsweise ist in den USA der CBD-Trend im Leistungssport schon voll angekommen. Viele Profisportler aus der NFL, NBA, dem Boxsport  und anderen Sportarten nutzen CBD regelmäßig vor oder nach dem Training. CBD ist auch explizit aus dem Doping-Katalog der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ausgenommen. 

krautinvest.de: Welche Rolle spielt bei Euch Design? Inwieweit unterscheidet ihr Euch von anderen Anbietern?

Design spielt bei uns eine zentrale Rolle. Unsere Produkte haben das Ziel, unsere Kunden über die eigentliche Funktionalität hinaus glücklich und zufrieden machen. Deshalb ist es für uns ein Muss, dass die Qualität, der Geschmack und auch das Design in den Farben, im Erscheinungsbild und in der Kommunikation ansprechend und stimmig sind. Beispielsweise müssen CBD-Öle nicht erdig und bitter schmecken. Wir möchten auch die Kunden abholen, die sich nicht mit den klischeehaften Farben braun und grün und den Symbolen der traditionellen Hanfbranche identifizieren. Durch ein ansprechendes Design und eine offene Kommunikation wirken wir aktiv der oftmals unbegründeten Angst vor Hanf entgegen und sprechen damit eine neue Zielgruppe an – Lifestyle-Konsumenten, die sich für die Themen Sport, gesunde Ernährung und innere Balance mit einem ausgesprochenem Bewusstsein für Schönheit und Design interessieren, aber per se keine klassischen Hanffreunde sind. Wir arbeiten gerne mit ausdrucksstarken Farben, legen viel Wert auf visuelle Kommunikation und setzen auf ein junges und modernes Verpackungsdesign. Unsere Produkte sind wie wir als Team: farbenfroh, jung und modern.  

krautinvest.de: Cannabis wurde Jahrzehnte lang stigmatisiert und steht immer noch in direktem Zusammenhang mit der Prohibition. Was können oder vielleicht sogar müssen Unternehmen Deiner Meinung nach tun, um ihren Beitrag zu leisten, die Pflanze wieder ins rechte Licht zu rücken?

Philipp Ferrer: Nach fast einem Jahrhundert Prohibition kann man nicht erwarten, dass sich das Stigma einfach in Rauch auflöst. Es wurden viele Unwahrheiten erzählt und Panikmache betrieben. Cannabis ist dadurch in vielen Köpfen als „gefährliche Droge“ fest verankert. Eine Verbindung, die man mit Bier oder Wein so niemals herstellen würde. Durch Nutzhanfprodukte mit marginalem THC-Anteil verstehen aber immer mehr Menschen, dass es nicht nur Schwarz oder Weiß gibt. Cannabis ist nicht gleichzusetzen mit reinem THC.

Beispielsweise kann man schweizer CBD-Blüten mit 0,9 Prozent THC nicht ansatzweise mit 90-prozentigem THC-Extrakt vergleichen. Man kann, denke ich, der Bevölkerung sehr wohl verständlich machen, dass ein Ende der Prohibition sehr viel mehr Sicherheit als Schaden bewirken würde.

krautinvest.de: Und was denkst du über den aktuellen Trend CBD?

Philipp Ferrer: Wenn wir über CBD-Produkte sprechen, müssen sich Hersteller ihrer Verantwortung stärker bewusst werden. Denn auch CBD ist nicht der Heilige Gral. Es ist faktisch leider nicht das Wundermittel, das tröpfchenweise ohne Nebenwirkung alle Krankheiten heilt. Es gibt erstaunliche Erfahrungsberichte, das ist richtig, aber mit der Heilung von Krebs oder HIV zu werben, ist einfach unverantwortlich. Wir finden das Arzneimittelgesetz, das uns untersagt nicht belegbare Heilaussagen zu verwenden, gut und richtig. Die meisten Gesetze und Vorgaben, die für alle Nahrungsergänzungsmittel gelten, machen ja durchaus Sinn und hier sollte sich manch ein Hersteller den Gesetzestext noch einmal genau durchlesen. 

krautinvest.de: Du setzt Dich jetzt schon eine Weile und sicherlich auch durch myweedo.de intensiv mit dem Thema Cannabis auseinander. Was sind Deine größten Learnings seitdem Du angefangen hast? 

Philipp Ferrer: Das größte Learning war ganz klar die Vielschichtigkeit von Hanf in allen Themenbereichen. Angefangen bei der Pflanze und ihren Bestandteilen selbst mit ihren Sorten, Cannabinoiden, Flavonoiden, Terpenen und weiteren Bestandteilen, die derzeit in ihrer Komplexität und mit ihren Wirkungsmechanismen die Forschung beschäftigt, bis hin zu den erstaunlichen Dingen, die man aus Hanf machen kann. Da hat zum Beispiel jemand ein Flugzeug komplett aus Hanf gebaut, mit Hanf betankt und ist dann tatsächlich damit geflogen. Wie geil ist das denn, bitte?

krautinvest.de: Und was ärgert Dich?

Philipp Ferrer: Hoch im Kurs ist die Renitenz, mit der manch ein Politiker einfach nicht einsehen will, dass neue Erkenntnisse ganz klar beweisen, dass wir uns mit der aktuellen Drogenpolitik in einer Sackgasse befinden und sie dennoch die Prohibition mit Argumenten verteidigen, die teilweise so absurd sind, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie wenigstens die betroffenen Personen selbst überzeugen würden. Wenn ich wieder einmal Zeit zum Schreiben finde, werde ich meine Top 10 an sinnlosen Argumenten gegen die Legalisierung auf den grünen Seiten von myweedo.de zusammentragen.

krautinvest.de: Was denkst Du kommt in diesem Jahr noch so alles auf Cannabisunternehmer zu? Wo ist akuter Handlungsbedarf und was können Unternehmer Deiner Meinung nach tun, um hier bessere und rechtssichere Handlungsgrundlagen zu schaffen?

Philipp Ferrer: Jeder Cannabisunternehmer sollte sich bewusst sein, dass er sich auf rauer See befindet und sich warm anziehen muss. Manche Behörden sind unberechenbar. Bei uns in München wurden vor einem Jahr neben CBD-Blüten und anderen CBD-Produkten in manchem Laden Hanfprotein bis hin zu Hanf T-Shirts beschlagnahmt und bis heute nicht wieder freigegeben. Das ist natürlich ein Extrembeispiel, aber jeder Unternehmer muss sich klar machen, dass von heute auf morgen sein gesamter Warenbestand beschlagnahmt werden könnte und er sich komplett neu ausstatten und Anwälte bezahlen muss. Von Rechtssicherheit kann man leider wirklich nicht sprechen. 

Wir haben Partner, die mit ihren Produkten bei der Polizei oder anderen Landesbehörden vor Ort nachgefragt haben, bei denen Polizisten regelmäßig die Läden besucht haben, die im Austausch mit der Staatsanwaltschaft waren und die dann trotzdem ohne Vorwarnung regelrecht überrannt wurden. Es ist tatsächlich so, dass die Behörden mit Nutzhanf überfordert sind und teilweise völlig willkürlich reagieren. Es hilft nur eine stabile Kriegskasse und hohe Risiken vermeiden. Und niemals ein Hanfprodukt ohne anwaltliche Beratung auf den Markt bringen, denn es gibt mehr als das Betäubungsmittelgesetz, was schnell zum Fallstrick werden kann.

krautinvest.de: Wo siehst Du das größte unternehmerische Risiko aktuell? Wo die größten Chancen?

Philipp Ferrer: Die schwer bzw. nicht-kalkulierbaren Risiken sind immens, daher ist es schwer hier eine konkrete Aussage zu machen. In unserer Branche sind es besonders die Behörden, die einem das Leben schwer machen. Viele Unternehmen streiten sich mit den Lebensmittelüberwachungsbehörden oder Staatsanwaltschaften, die je nach Region komplett unterschiedliche Rechtsauffassungen teilen. Es ist schon erstaunlich, was die Ablehnung von Cannabis im Allgemeinen für Kräfte in Bewegung setzt, die sich dann auch gegen Nutzhanf richten. Dass Unternehmern, die mit Hanftee handeln, Gefängnisstrafen drohen, ist einfach unfassbar! Deutschland ist gerade dabei, hier den nächsten großen Trend zu verschlafen, indem die landeseigene Branche am Wachsen gehindert wird. Selbst die CSU weiß bereits, dass der Markt sich nicht mehr zurück entwickeln wird. Die Frage ist nur, machen wir es selbst oder überlassen wir das Feld den USA und Kanada?

Die Chancen liegen auf der Hand. Der weltweite Markt für legale Cannabisprodukte wird laut Experten auf ein unfassbares Volumen von 50 bis 200 Milliarden US-Dollar in den nächsten fünf Jahren anwachsen, beziehungsweise sich von einem schwarzen in einen legalen Markt verwandeln. Was kann man sich denn Schöneres vorstellen, als bei so einer Revolution mit dabei zu sein?

krautinvest.de: Herzlichen Dank für das Interview.

Über Philipp Ferrer:
Philipp absolviert 2017 seinen BA of Business Management an der University of applied Sciences in Mittweida. Bereits vor seinem Studium eröffnete er für neun Monate eine eigene Hostelbar in Granada (Nicaragua). Wenige Monate nach seinem Bachelor gründet er zusammen mit Jonas Großmann die Weedo Lifestyle & Media GmbH. Ein Jahr später folgten die Gründungen der HempCrew GmbH und der Hemp Group Holding UG zusammen mit Jonas Großmann und Stefan Röhrl. Philipp ist jeweils Geschäftsführer dieser drei Unternehmen, die sich voll und ganz dem Legal Cannabis Business in Europa widmen.

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