Große Erleichterung in der Cannabis-Industrie. Bis letzten Freitag war unklar war, ob und wie die SPD auf ihrem Parteitag ihren Entwurf des Wahlprogramms für die anstehende Bundestagswahl hinsichtlich der Regulierung von Cannabis anpasst. Nun hat die SPD sich im Wahlprogramm für eine vollumfängliche Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. Damit dürfte auch im Falle einer potenziellen „GroKo“, also einer Koalition von Union und SPD, nach der kommenden Bundestagswahl eine vollständige Rücknahme des Cannabis-Gesetzes (CanG) vom Tisch sein.
Im finalen Wahlprogramm heißt es nun: „Bei Cannabis wollen wir, um den Gesundheitsschutz, den Jugendschutz und den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zu verbessern, die notwendigen Schritte einleiten, um eine europarechtskonforme Legalisierung zu ermöglichen.“
Die Grünen erwähnen in ihrem Programm explizit das Cannabisgesetz und wollen den „Wechsel“ fortführen. Die FDP spricht rückblickend von einem „entscheidenden“ ersten Schritt und versichert, an der Cannabis-Legalisierung „fest zu halten“. Hingegen fehlt bei der SPD ein entsprechender Verweis auf das CanG. Rechtsanwalts Kai-Friedrich Niermann will dies aber nicht überinterpretieren und begrüßt die Formulierung der SPD: „Das sollte man nicht zu kleinlich analysieren. Es ist eine typische Formulierung für ein Wahlprogramm. Mit diesem Versprechen sind höchstens Anpassungen, nicht aber eine Rücknahme des Erreichten möglich.“ Alles andere wäre wohl ein Bruch mit dem Wahlversprechen. Der erfahrene Cannabis-Anwalt begrüßt zudem den Vorstoß auf EU-Ebene und eine mögliche Anpassung des Rahmbeschluss von 2004. Das, so Niermann, würde mit Sicherheit die ganze Legislatur dauern.
Auch Carmen Wegge versichert auf X: „In Wahlprogrammen schreibt man wo man hin will und nicht, was man nicht machen will. Wenn wir schreiben, dass wir den Weg weiter beschreiten wollen, ist ja wohl klar, dass wir nicht mehr zurück möchten.“
Zum Hintergrund: Dieser Rahmenbeschluss verbietet den Mitgliedsstaaten die nicht-medizinische und nicht-wissenschaftliche Cannabis-Wertschöpfungskette. Das zumindest war die Auffassung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach und wesentlicher Grund, das erste Eckpunktepapier einzustampfen und stattdessen auf das zwei-Säulen-Modell zu setzen. Höchstwahrscheinlich wäre eine vollumfängliche Legalisierung von Cannabis als Genussmittel durch Fachgeschäfte tatsächlich vor dem EuGH gelandet; einige Experten sprechen von einem offenen Ausgang, andere sehen eine Anpassung des EU-Rechts als unumgänglich.
Für eine Anpassung des Rahmenbeschlusses müsste die Kommission das ordentliche Gesetzgebungsverfahren initiieren und der Rat (55 Prozent der Mitgliedsstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) und das Parlament (absolute Mehrheit) den Änderungen zustimmen. Auch SPD-Abgeordnete Carmen Wegge betont auf X, dass man das EU-Recht für eine vollumfängliche Legalisierung ändern müsse. Und Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann hält es trotz des aktuellen Rechtsrucks nicht für ausgeschlossen, dass solch eine Änderung schlussendlich auch von Erfolg gekrönt ist.
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- EU Cannabis: unsplash