Sanitys Aline Gralke über Schweizer Pilotprojekte: “Cannabis-Enthusiasten sind Entdecker”

by Redaktion

In Deutschland wird die Säule zwei, die Pilotprojekte, noch rege diskutiert. Die Schweiz ist bereits einen Schritt weiter. Dort können in einigen Regionen und Städten Menschen, die zuvor bereits Cannabis als Genussmittel konsumiert haben, sich als Probanden bewerben und im Rahmen von Pilotprojekten legal Cannabis erwerben. Inzwischen erhalten sie dies nicht nur in Apotheken, sondern teilweise auch in Fachgeschäften. Die Sanity Group, Hauptsitz in Berlin, betreibt im Rahmen des Pilotprojekt “Grashaus Projects” zwei Fachgeschäfte in der Schweiz. Aline Gralke, Brand Owner bei, zieht ein erstes Fazit.

krautinvest.de:  Wie läuft der Pilot bisher? Erzähl uns kurz etwas zum bisherigen Verlauf. Gab es unerwartete Herausforderungen oder Überraschungen, die im Verlauf des Pilotprojekts aufgetreten sind? Positiv oder negativ?

Aline Gralke: Wir haben eine Menge positives Feedback von Interessierten und Studienteilnehmenden bekommen, für die sich durch das Projekt endlich eine echte und vor allem sichere Alternative für den Konsum eröffnet hat. Die Erprobung von lizenzierten Cannabis-Fachgeschäften wird als ein wichtiger Schritt in Richtung einer Legalisierung in der Schweiz wahrgenommen, man hat das Gefühl, es geht voran. Der Anmeldungsprozess zur Studienteilnahme ist unkompliziert und verständlich gestaltet, zu den Stores selbst erhalten wir besonders beim Thema Service und Beratung durch unsere Mitarbeitenden, beispielsweise zu den Produkten und zum Safer Use, sowie zur Aufklärungsarbeit immer wieder tolle Rückmeldungen. Unsere Produktpalette ist recht vielseitig – es gibt nicht nur Blüten, sondern auch Edibles, Vape Pens etc. Das wird von vielen Teilnehmenden positiv wahrgenommen. Ein besonders schönes Zeichen ist für uns, dass viele Teilnehmende unsere fachliche Beratung auch gerne annehmen. Das sieht man in erster Linie am regen Interesse an unseren Education-Formaten, Workshops und so weiter. Das ist großartig und freut uns natürlich sehr!  

Herausfordernd war und ist es auch weiterhin, die Information über das Pilotprojekt überhaupt erst an die Cannabiskonsument:innen heranzutragen und Awareness zu schaffen. Viele Menschen mit Konsumerfahrung in der Schweiz kennen diese Option noch nicht – und flächendeckend zu informieren ist nicht so einfach, da unsere Möglichkeiten, Werbung zu machen, sehr begrenzt sind. Aber wir sind zuversichtlich, dass die Aufmerksamkeit rund um Grashaus Projects stetig wachsen wird. Schließlich gibt es uns ja auch erst seit vier Monaten. 

krautinvest.de: Welche Erkenntnisse gibt es bisher über das Konsumverhalten der Teilnehmenden? Entsprechen diese den erwarteten Mustern oder gibt es bereits auffällige Abweichungen oder Ausbrüche?

Aline Gralke: Das lässt sich noch nicht konkret beantworten, denn das Projekt ist ja erst vergangenen Dezember angelaufen und damit natürlich noch sehr jung. Zwischenauswertungen gibt es aktuell noch keine. Eine erste Beobachtung, die wir gemacht haben und bereits aus der Cannabis-Kultur kennen: Cannabis-Enthusiast:innen sind Entdecker. Unsere Teilnehmenden setzen sich gern intensiv mit den Produkten auseinander, interessieren sich für das genaue Wirkstoffprofil von Cannabinoiden und Terpenen, die Herkunft, den Anbau und die Herstellungsmethoden. Sie probieren gerne unterschiedliche Produkte und Konsumformen aus, bis sie das Richtige für sich gefunden haben.  

krautinvest.de: Welche Auswirkungen hat das Pilotprojekt bisher auf die lokale Gemeinschaft und die öffentliche Meinung zum Thema Cannabis gehabt?

Aline Gralke: Seit unserer Eröffnung kamen viele neugierige Nachbar:innen aus Allschwil und Liestal in unseren Läden vorbei und haben sich informiert; bisher wurden wir recht herzlich empfangen. Cannabis wird dort nun als Teil der lokalen Nachbarschaft gesehen.

krautinvest.de: Wird auch bewertet, inwiefern das legale Cannabis Auswirkungen auf den Absatz im illegalen Cannabishandel hat? Wenn ja, gibt es dazu bereits (erste) Erkenntnisse?

Aline Gralke: Wir haben bislang zwar bereits über 500 Teilnehmende an Bord – diese Anzahl ermöglicht aber zum jetzigen Zeitpunkt noch kein umfassendes Bild darüber, inwieweit Pilotprojekte den illegalen Markt beeinflussen können. Allerdings haben wir im Rahmen einer anonymen Umfrage unter unseren Studienteilnehmenden erfragt, inwieweit sie Cannabis schwerpunktmäßig oder sogar ausschließlich über uns oder eben auch von anderen Quellen beziehen. Nach eigenen Angaben erwerben fast zwei Drittel dieser Umfrageteilnehmenden Cannabis nur oder in erster Linie bei uns. Das zeigt, wie wichtig ihnen Produktqualität, -herkunft und Safer Use sind. 

krautinvest.de: Welche spezifischen Maßnahmen haben die Pilotversuche ergriffen, um sicherzustellen, dass die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu “Genusszwecken” im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften und den Zielen des Projekts steht?

Aline Gralke: Alles, was wir bei Grashaus Projects tun, funktioniert ja nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens bzw. ausnahmslos entlang der Vorgaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Das Konzept hinter einem solchen Pilotversuch ist unglaublich detailliert und umfangreich. Die Inhalte einer Lizenzbeantragung reichen von Angaben zur gesicherten Lagerung, Sicherstellung, dass eine Produktabgabe nur an Studienteilnehmende erfolgt – in unserem Fall über einen Teilnehmerausweis und eine Personalausweiskontrolle -, bis zu sogenannten Standard Operating Procedures zur Handhabung der Ware für Mitarbeitende und so weiter. Zentraler Bestandteil ist ein Track-and-Trace-System, innerhalb dessen jedes Produkt mit einer Kennnummer versehen wird, um zu verhindern, dass Studienprodukte irgendwie im illegalen Markt landen. 

krautinvest.de: Welche Rolle spielt dabei die lokale Drogen- und Präventionsarbeit? Macht sich der Pilot hier bemerkbar? Wenn ja, wie?

Aline Gralke: Was die lokale Drogen- und Präventionsarbeit angeht, arbeiten wir eng mit Gemeindevertreter:innen zusammen, die beispielsweise auf das Thema Sucht spezialisiert sind. Dazu gehört auch die Psychiatrie Baselland als Teil unseres Hilfesystems; eine professionelle Anlaufstelle, falls bei Studienteilnehmenden Konsumprobleme auftreten sollten. Und grundsätzlich ist der Pilotversuch ein reines Non-Profit-Projekt: Jegliche finanziellen Überschüsse werden an Suchtpräventionsmaßnahmen gespendet. 

krautinvest.de: Welche Rolle spielen die wissenschaftlichen Ergebnisse aus dem Pilotprojekt bei der Gestaltung künftiger gesetzlicher Regelungen oder politischer Entscheidungen im Zusammenhang mit Cannabis in der Schweiz? Welche Erkenntnisse sind für den CH Gesetzgeber hier besonders wichtig?

Aline Gralke: Durch die Schweizer Pilotversuche werden hauptsächlich unterschiedliche Wege der Abgabe von Cannabis getestet, über die Apotheke, über Social Clubs oder eben in Fachgeschäften, wie bei uns. Damit möchte man herausfinden, welche Konzepte Konsument:innen am besten schützen und erfolgreich Aufklärung rund um das Thema Konsumkompetenz betreiben können. Ziel bei Grashaus Projects ist vor allem, einen Safer Use unter den Teilnehmenden zu fördern. Am Ende der Auswertung wird sich dann herausstellen, ob das funktioniert hat und inwieweit man eine wissenschaftliche Datengrundlage für weitere Diskussionen zur Legalisierung in der Schweiz bilden konnte. Der Gesundheitsschutz steht dabei definitiv im Zentrum.  

Was die aktuellen Entwicklungen in Deutschland betrifft, hoffen wir natürlich auf ein baldiges Inkrafttreten von Säule 2 des CanG. Eine ergebnisoffene Datensammlung ist aus unserer Sicht eine grundlegende Voraussetzung für die Beantwortung zahlreicher Fragestellungen, die im Prozess rund um eine Legalisierung, sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland, vielfach diskutiert wurden bzw. werden. Als Unternehmen sind wir mit der Expertise rund um Grashaus Projects bereit, auch in Deutschland unseren Teil zu einer wissenschaftlich fundierten Umsetzung der Cannabislegalisierung beizutragen. 

krautinvest.de: Wie hat sich die Teilnahme am Pilotprojekt im Laufe der Zeit entwickelt, und welche Schlussfolgerungen zieht das Projekt daraus für die Zukunft oder ähnliche Initiativen? Welche Schlüsse lassen sich bisher aus dem Konsum der Studienteilnehmenden ziehen? Welche Dominanzen werden bevorzugt? Wie sind diese im Rahmen sich zukünftig entwickelnder Märkte zu bewerten?

Aline Gralke: Aktuell werden Blütenprodukte definitiv noch klar präferiert. Im Zweifel auch deshalb, weil Studienteilnehmende die Konsumform des Rauchens durch den illegalen Markt am besten kennen. Wir hoffen aber, dass mit der Zeit auch risikoärmere Produkte stärker in den Fokus rücken und klären die Teilnehmenden dementsprechend ebenso über andere Optionen auf. 

Dass grundsätzlich auch Interesse an alternativen Produkten besteht, ist ja nichts Neues. Dafür müssen wir nur in die USA schauen, wo der Edible Markt und die Nachfrage immer weiterwachsen. Das lässt Rückschlüsse über den Bedarf an rauchfreien Produkten auch in Europa zu. Doch um das zu etablieren, braucht es wohl noch etwas Zeit, denn als weniger verbreitete Art des Konsums sind gerade Edibles für viele Neuland. Und obwohl es an sich ein risikoärmerer Konsum ist, sollte man sich langsam herantasten, da sich die Wirkweise natürlich oft deutlich von den Effekten des Rauchens unterscheiden kann.  

Über Aline Gralke

Aline Gralke, 29, Brand Owner bei Grashaus Projects, ist seit fast vier Jahren Teil der Sanity Group und hat die Grashaus-Journey von der Konzeption und strategischen Entwicklung des Pilotversuchs bis zur operativen Umsetzung gemeinsam mit ihrem Team maßgeblich gestaltet. Als Cannabis-Enthusiastin sind vor allem eine wertschaffende Content Strategie und eine Community-nahe Brandpositionierung ihr Steckenpferd. 

Über Grashaus Projects

Der Cannabis-Pilotversuch Grashaus Projects basiert auf der Zusammenarbeit zwischen dem Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF) und der Sanity Group Switzerland AG. Die Projektbeteiligten setzen sich für wissenschaftliche Forschung im Bereich Cannabis ein und leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Zukunft der Schweizer Drogenpolitik. 

Startschuss des Pilotversuchs war die Eröffnung des ersten legalen Cannabis-Fachgeschäfts Europas im Dezember 2023, das in der Gemeinde Allschwil im nordwestschweizer Kanton Basel-Landschaft an den Start ging. In Liestal, Hauptort des Kantons, wurde kürzlich der zweite Standort eröffnet. Bis zu 3.950 Menschen können seitdem Teil des auf fünf Jahre angesetzten Pilotversuchs zum kontrollierten Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken werden. Nach der Aufnahme in die Studie stehen Teilnehmenden unter individueller Beratung von geschultem Fachpersonal vor Ort verschiedene THC-haltige Cannabiserzeugnisse zur Auswahl.

Ziel von Grashaus Projects soll neben dem Angebot qualitativ hochwertiger Produkte in einem sicheren und regulierten Umfeld auch Aufklärung und Entstigmatisierung sein. Deshalb bietet Grashaus zusätzlich zu den eigentlichen Cannabisprodukten sowie Zubehör für einen risikoärmeren Konsum auch Workshops und Aufklärungsveranstaltungen rund um die verschiedensten Cannabisthemen an. 

Disclaimer: Dieses Interview ist Teil einer Medienpartnerschaft mit der CannaTrade.

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