OLG Hamburg: Cannabis ist Rezepturausgangsstoff – Folgen für die Industrie?

by Moritz Förster

Was viele in der Industrie wussten, hat das OLG Hamburg Ende des vergangenen Jahres nochmal bestätigt. In einem Urteil stellte das Gericht fest, dass Cannabis ein Rezepturausgangsstoff sei, kein Arzneimittel. Wir haben uns umgehört: Was bedeutet dies für die Cannabis-Industrie, auch in anderen Bundesländern?

Die Kanzlei Diekmann Rechtsanwälte dazu: „Damit kam das Hanseatische Oberlandesgericht zu dem Ergebnis, dass die Kennzeichnungsvorschrift des § 15 Abs. 1 der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) auf die streitgegenständlichen, in Kunststoffdosen verpackten Cannabisblüten der niederländischen Firma Bedrocan keine Anwendung finden würden.“ Durch den abgebenden Apotheker müssten noch diverse Verarbeitungsschritte, zumindest aber eine Identitätsprüfung durchgeführt werden.

Markus Fischer, Vorstandsmitglied des Verbandes der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA), begrüßt im Namen des Verbands das Urteil, „da cannabinoidhaltige Arzneimittel vollumfänglich als Rezepturausgangstoff in Prüfung, Verarbeitung und Abgabe in der Apotheke abgearbeitet werden“ müssten. So seien Blüten ganz anders handzuhaben als Extrakte und dies anders handzuhaben als das fast fertige Dronabinol Öl, wobei auch da ein Herstellungsschritt notwendig sei. „Cannabinoidhaltige Arzneimittel sind häufig sehr abhängig von der richtigen Herstellung und Deklarierung seitens des Herstellers“, so das Verbands-Statement. „Die Gesamtheit der Inhaltsstoffe wie THC, CBD, Terpene und weitere Cannabinoide sind schwer zu standardisieren sowie haltbar zu machen und damit sowieso weit weg von einer Zulassung als Fertigarzneimittel.“

Der Bundesverband der Cannabiswirtschaft (BvCW) schließt sich dem Tenor an: Das OLG Hamburg habe mit seinem Urteil im Verfahren 3 W 38/20 klar gestellt, „dass medizinisches Cannabis klar und vollständig gekennzeichnet sein muss und eine eindeutige Einstufung als Rezepturausgangsstoff“ erfolge. Der BvCW erhofft sich davon ausgehend zukünftige bundesweit einheitliche Regelung. Hierzu ergänzt der VCA: „Da alle anderen Bundesländer, Hersteller und auch Apotheken es nie anders als ein Rezepturausgangsstoff gesehen haben, wird sich in Sachen Distribution und Verarbeitung nicht viel ändern. Eventuell muss sich Schleswig-Holstein umstellen, was aber wahrscheinlich eher die Apotheken treffen wird, da sie damit einen ganz anderen Prüfungsaufwand haben werden.“

BPC: Weckruf an die Politik

Der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e. V. (BPC) erhofft sich von dem Beschluss „etwas mehr Rechtsklarheit bezüglich Medizinalcannabis“ und spricht von der „schwierigen Herausforderung, dass derzeit je nach Bundesland und zuständiger Aufsichtsbehörde verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen im Hinblick auf Beschaffung, Lagerung, Kennzeichnung und Transport von medizinischen Cannabisblüten gelten sollen.“ Der Beschluss sei ein weiterer Weckruf an die Politik für eine bundesweite Vereinheitlichung der behördlichen Regularien und Verwaltungspraktiken im Umgang mit medizinischem Cannabis“ zu sorgen. Während einige Importeure und Pharmagroßhändler sich auf neue Anforderungen beim Umgang mit medizinischen Cannabisblüten einstellen müssten, hätten andere Cannabinoidunternehmen bereits Mitte letzten Jahres, auf Grundlage eines Erlasses des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalens, mit einer Kennzeichnung der niederländischen Ware nach den arzneimittelrechtlichen Vorgaben reagiert. Der BPC erhofft sich durch das Urteil eine erhebliche Transparenz innerhalb der Lieferketten – nicht zuletzt auch im Sinne einer besseren Rückverfolgbarkeit – und dient damit der Arzneimittelsicherheit und dem Patientenschutz im hohen Maße.

Linus Weber, Gründer und Geschäftsführer von Nimbus Health ergänzt, dass es „sich um einen wettbewerbsrechtlichen Streit“ handele. Die zuständige Überwachungsbehörde sei nicht involviert gewesen und hätte daher „zahlreiche inkorrekt dargestellte Punkte dem Gericht gegenüber“ nicht klarstellen können. Weber: „Von unserem RP wissen wir, dass der Einstufung als Wirkstoff nicht zugestimmt wird, so dass zumindest in Hessen nichts umgestetzt wird.“ Linus Weber stimmt dem BvCW grundsätzlich zu: „Wir hoffen dennoch, dass nun alle Betriebe umetikettieren müssen, das ist der einzig logische Schritt.“

Via Linkedin hatte das Unternehmen bereits ein Statement geteilt, in dem es klar gestellt hatte, dass „das Etikett mit seiner teils deutschen, teils holländischen Beschriftung nicht die Anforderungen der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV)“ erfülle. Nimbus Helalth etikettiere bereits seit 2019 gemäß AMWHV für eigene Zwecke und auch für zahlreiche deutsche Großhändler nach §52a AMG oder §13 AMG – je nach Bundesland und Anforderungen – heißt es in dem Post.

Komplett anders sieht es unterdessen der langjährige Experte für Drogenregulierung und Pharmazeut Tibor Harrach. In einem Facebook-Post lässt er verlauten: Arzneimittel seien „Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt“ seien oder aber „Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen“. Diese Kriterien des Gesetz-Gebers würden seiner Meinung nach auf Cannabisblüten in Dosen zutreffen, unabhängig von deren Kennzeichnung.

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