Monopolisierung von Cannabis-Sortenbezeichnungen wie “Jack Herer” durch Marken?

by Redaktion

Ein Fachbeitrag von Dr. Oliver Stöckel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, SKW Schwarz

  1. Wem gehört „Jack Herer“?

Jack Herer war einer der führenden Aktivisten, der für die Legalisierung von Cannabis eintrat. Der 1939 geborene Aktivist und Hanf-Befürworter starb im Jahr 2010. Ihm zu Ehren wurde eine weltweit verbreitete Cannabis-Sorte „Jack Herer“ genannt. Die Sorte gilt als Klassiker unter den Cannabis-Sorten. Ihre Samen werden schon seit einigen Jahren von zahlreichen Anbietern vertrieben.

Zwischenzeitlich wurde die Bezeichnung „Jack Herer“ mehrfach als Marke angemeldet, was zu Diskussionen geführt hat. Beispiele sind Marken für diverse Körperpflegeprodukte wie Seifen und Cremes, solche für Getränke, aber auch Marken für Tabakerzeugnisse und Raucherzubehör. Allein die Markendatenbank TMView des EUIPO wies bei einer am 10.09.2022 durchgeführten Markenrecherche in den angeschlossenen Registern insgesamt 40 „Jack Herer“-Marken aus, die früher einmal bestanden, aktuell angemeldet oder registriert sind. 13 dieser Marken waren zum Recherchezeitpunkt eingetragen und damit in Kraft. Auch gibt es weitere Fälle, in denen bekannte Sortenbezeichnungen von Cannabis-Pflanzen als Marke angemeldet wurden, z.B. für die Sorte „OG Kush“. Hier wies die Datenbank TMView am 10.09.2022 für die angeschlossenen Register insgesamt 18 Treffer aus, darunter fünf eingetragene Marken.

Damit stellt sich die Frage: Wem „gehören“ bekannte Sortenbezeichnungen von Cannabis-Pflanzen wie z.B. „Jack Herer“ oder „OG Kush“? Können einzelne Personen oder Unternehmen solche Bezeichnungen über Markenanmeldungen für sich monopolisieren? Was bedeutet es für die Verwendung der Sortenbezeichnung durch andere Anbieter, wenn solche Marken eingetragen werden und damit für den jeweiligen Anmelder als Marke geschützt sind?

  1. Wann werden eingetragene Marken (nicht) verletzt?

Eine Marke ist ein Ausschließlichkeitsrecht. Sie ermöglicht es ihrem Inhaber, Dritten die Verwendung des geschützten Markenzeichens – oder eines hierzu verwechslungsfähig ähnlichen Zeichens – zu verbieten. Das gilt aber nicht uneingeschränkt. Nicht jede Marke, die auf den ersten Blick eine Cannabis-Sortenbezeichnung schützt, ist für Unternehmen der Cannabis-Branche auch relevant.

Erstens sind Marken keine weltweiten, sondern territorial beschränkte Rechte. Sie gelten nur in den Ländern bzw. Territorien, in denen sie im jeweiligen Markenregister eingetragen sind. Beispielweise genießt eine deutsche Marke nur Schutz in Deutschland, eine Unionsmarke hingegen Schutz in der gesamten EU. Ist eine Marke nur in einem Gebiet geschützt, in dem man selbst seine Waren und Dienstleistungen gar nicht anbietet, bewirbt oder vertreibt, so kann man diese Marke schon aus territorialen Gründen nicht verletzen.

Zweitens sind Marken (von wenigen berühmten Marken abgesehen) nicht absolut für alle möglichen Waren und Dienstleistungen geschützt, sondern immer nur für diejenigen, für die sie angemeldet und eingetragen wurden. Diese muss der Anmelder nämlich bei der Markenanmeldung in einem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis spezifizieren.

Das bedeutet im Ergebnis: Nur wenn man

(1.)     im Gebiet, für das die Marke geschützt ist,

(2.)     das eingetragene Markenzeichen in identischer oder ähnlicher Form verwendet, und zwar

(3.)     für Waren und Dienstleistungen, die zum Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Marke ähnlich oder identisch sind,

(4.)     und hierdurch insgesamt Verwechslungsgefahr besteht,

kann die Marke eines Anderen verletzt sein.

Damit wird klar: Marken wie z.B. die US-Marke „Jack Herer“, die für verschiedene Getränke geschützt ist, sind für Unternehmen der Cannabisbranche unproblematisch. Selbst wenn ein Anbieter Pflanzensamen für die Cannabis-Sorte „Jack Herer“ in den USA anbietet, wird eine für gänzlich andere Waren geschützte Marke (hier: Getränke) nicht verletzt. Es fehlt an der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit und damit auch an der Verwechslungsgefahr.

  1. Weitere Schutzschranke: Der sog. Benutzungszwang

Erfahrungsgemäß werden Marken, mit denen sich Anmelder aus spekulativen Gründen Trendbegriffe sichern wollen, vom Markeninhaber oft gar nicht benutzt. Ist dies der Fall, wird eine Marke in vielen Rechtsordnungen nach Ablauf einer gewissen Benutzungsschonfrist (meist fünf Jahre) löschungsreif. Teilweise werden solche Marken dann von Amts wegen gelöscht, wenn dem Markenamt keine Benutzungsnachweise vorgelegt werden (so z.B. in den USA). Teilweise geschieht dies nur auf Antrag, wobei meist jeder einen solchen Antrag stellen und somit das Markenregister von solchen „Markenleichen“ befreien kann.

Unbenutzte Marken, deren Benutzungsschonfrist abgelaufen ist, können regelmäßig auch nicht mehr durchgesetzt werden: Vermeintliche Verletzer können sich gegen Markeninhaber, die aus löschungsreifen unbenutzten Marken vorgehen, mit dem Nichtbenutzungseinwand verteidigen.

  1. Absolute Schutzhindernisse und Markenmissbrauch

Eine Marke ist ein Multitalent: Sie weist auf die Herkunft von Produkten und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen hin (Herkunftsfunktion) und unterscheidet diese von denen anderer Anbieter (Unterscheidungsfunktion). Sie ist Träger eines Markenimages (Imagefunktion) und verkörpert bestimmte Qualitätsvorstellungen (Qualitätsfunktion). Sie dient außerdem der Kommunikation mit den Abnehmern (Kommunikationsfunktion). Marken werden rechtlich geschützt, damit sie diese wirtschaftlichen Funktionen für den Markeninhaber ungestört durch Dritte erfüllen können.

Marken, die diese Funktionen nicht erfüllen können, sind hingegen nicht schützenswert. Daher gibt es in allen Markenrechtsordnungen sog. absolute Schutzhindernisse. Verdeutlicht werden soll dies beispielhaft anhand des deutschen Markengesetzes (MarkenG). Werden z.B. gängige Sortenbezeichnungen von Einzelnen als Marke angemeldet, so können v.a. die folgenden absoluten Schutzhindernisse einem Markenschutz entgegenstehen:

  • Der Marke kann die Unterscheidungskraft fehlen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), wenn sie keine Herkunftshinweis- und Unterscheidungsfunktion hat.
  • Regelmäßig greift auch das absolute Schutzhindernis des rein beschreibenden Charakters der Marke ein (§ 8 II Nr. 2 MarkenG), weil die Marke nur allgemein die Art des Produkts beschreibt und an solchen beschreibenden Angaben ein Freihaltebedürfnis besteht.
  • Gattungsbegriffe können aus diesem Grund für die jeweilige Gattung generell nicht als Marke geschützt werden (§ 8 II Nr. 3 MarkenG).
  • Ist die Marke für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen täuschend, kann sie ebenfalls nicht geschützt werden (§ 8 II Nr. 4 MarkenG). Wird z.B. eine Cannabis-Sortenbezeichnung als Marke für Tabak angemeldet, kann dies täuschend sein, weil der Verbraucher bei dieser Marke einen anderen Produktinhalt – nämlich ein Produkt aus dieser Cannabis-Pflanze und nicht aus einer Tabakpflanze – erwartet.
  • Bezieht sich die Marke auf eine illegale Substanz oder umfasst das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis illegale Produkte oder Dienstleistungen, verstößt die Marke gegen die „guten Sitten“ und ist deshalb nicht schutzfähig (§ 8 II Nr. 5 MarkenG). Tatsächlich wird vielen Marken mit Cannabis-Bezug unter Verweis auf dieses absolute Schutzhindernis der Markenschutz versagt.
  • Bei Pflanzensortenbezeichnungen können außerdem zu Sortenschutzrechten eingetragene frühere Sortenbezeichnungen nicht als Marke eingetragen werden (§ 8 II Nr. 12 MarkenG).
  • Und schließlich können missbräuchlich angemeldete Marken auch wegen Bösgläubigkeit nicht schutzfähig sein (§ 8 II Nr. 14 MarkenG). Das ist z.B. der Fall, wenn diese nur dazu dienen, Dritte zu behindern und ein bestimmtes Zeichen ohne eigene Benutzungsabsicht zu sperren (sog. Sperrmarken, vgl. EuG, Entsch. v. 8.5.2014, T-327/12 – Simca). Bösgläubigkeit kann auch dann vorliegen, wenn sich der Anmelder mit der Marke gezielt ein fremdes Recht oder einen fremden Besitzstand aneignet (vgl. EuGH, Urt. v. 11.6.2009, C-529/07 – Lindt & Sprüngli / Hauswirth [Goldhase]).

Absolute Schutzhindernisse muss das Amt von sich aus bei jeder angemeldeten Marke prüfen. Werden absolute Schutzhindernisse dabei vom Amt nicht erkannt, kann die Marke auf Antrag Dritter wieder gelöscht werden (bei deutschen Marken z.B. nach § 50 MarkenG). Diese Anträge sind regelmäßig „Jedermanns-Rechte“, d.h. jede Person oder jedes Unternehmen kann einen solchen Antrag stellen.

  1. Fazit: Viel Lärm um Nichts?

Die Betrachtung zeigt: Marken, mit denen Gattungs- oder Allgemeinbegriffe angemeldet werden, führen in den meisten Fällen nicht zur befürchteten Monopolisierung. Oft scheitern solche Marken schon im Anmeldeverfahren an absoluten Schutzhindernissen. Selbst wenn das Markenamt die Schutzhindernisse übersieht, können solche Marken wieder gelöscht werden. In vielen Ländern kann jedermann ein Löschungsverfahren initiieren und bei Erfolg den Marken den Schutz entziehen lassen.

Meist ist ein „stabiler“ Markenschutz daher nur für Waren und Dienstleistungen möglich, die mit dem generischen Begriff gar nichts zu tun haben (Beispiele: „Spaten“ für Bier, nicht für Gartengeräte; „Jack Herer“ für Getränke). Dann aber werden solche Marken durch Anbieter, die den Begriff in seinem ursprünglichen Kontext verwenden wollen (z.B. „Jack Herer“ für Pflanzensamen dieser Cannabis-Sorte), mangels Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit nicht verletzt. Die Marke bleibt für sie ohne Bedeutung.

In der Praxis empfiehlt sich im Zweifel eine Markenrecherche durch einen Markenrechtsspezialisten. Mit einer genauen Überprüfung der bestehenden Marken kann man meist relativ schnell feststellen, ob die viel diskutierten Markenanmeldungen für ein Unternehmen überhaupt relevant sind oder nicht. In den meisten Fällen dürfte das nämlich nicht der Fall sein. Das wäre dann wohl auch ganz im Sinne von Jack Herer.

Über Dr. Oliver Stöckel:

Oliver Stöckel ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei SKW Schwarz. Mehr als 15 Jahre Erfahrung mit unterschiedlichsten und häufig hochkomplexen Fragestellungen aus dem Gewerblichen Rechtsschutz (IP) und dem Bereich Life Sciences & Health zeichnen Oliver Stöckel aus. Als versierter Prozessanwalt ist er spezialisiert auf die Beratung bei Schutzrechtskonflikten, Verfahren vor den Markenämtern und die Führung von Verletzungsprozessen im Marken-, Patent-, Design- und Urheberrecht. Im Wettbewerbsrecht berät und vertritt er Mandanten in allen Arten von Auseinandersetzungen mit Konkurrenten und ist mit Spezialmaterien wie z.B. wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz, Umwelt- und Heilmittelwerbung bestens vertraut. Er hat außerdem langjährige Erfahrung bei der Erstellung, Überprüfung, Verhandlung und Durchsetzung von Forschungs- und Entwicklungsverträgen sowie von nationalen und internationalen Lizenz- und Vertriebsverträgen, auch in komplexen Vertriebsstrukturen und in stark regulierten Wirtschaftsbereichen. Im Life Sciences & Health Sektor verfügt Oliver Stöckel zusätzlich über besondere Expertise im Pharma- und Medizinprodukterecht, in den Bereichen Compliance, Produkthaftung und Kooperationen, sowie bei Schnittstellenthemen zu IP. Zudem ist Oliver Stöckel in der Fokusgruppe Medizinisches Cannabis der Kanzlei SKW Schwarz sehr aktiv.

Oliver Stöckel hat in München und Manchester studiert und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München sowie am renommierten Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb zum Thema „Strategien gegen Markenmissbrauch“ promoviert. Er führt Trainings, Workshops und Inhouse-Schulungen zu Compliance-Themen durch. Oliver Stöckel publiziert regelmäßig online und in angesehenen Fachmedien.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage.

Mehr zum Thema

Leave a Comment