Medizinisches Cannabis in Deutschland: der lange Weg der Aufklärung

by Moritz Förster

Medizinisches Cannabis in Deutschland – noch sind einige Baustellen zu beheben, trotzdem ist nach zweieinhalb Jahren das Erreichte beachtlich. So könnte das Fazit einer virtuellen Diskussionsrunde des GCI Summits lauten.

Wie viel Cannabis-Patienten sind es denn nun deutschlandweit? An dieser trivialen Fragen entpuppt sich gleich zu Beginn der Debatte das Dilemma, in dem Cannabis in Deutschland steckt. Fakten und Wissen müssen erstens generiert werden und zweitens auch noch bis zu den relevanten Entscheidern, Beamten in den Behörden, bis zu Ärzten, Apothekern und Patienten durchdringen.

Das Problem mit der Patientenanzahl ist altbekannt: Die offiziellen Statistiken der Krankenkassen lassen alle Privatversicherten außen vor. Von daher stochern alle etwas im Dunkeln. Jakob Sons, General Counsel von Cansativa, verweist auf 160.000 Verschreibungen und schätzt die Anzahl aller Patienten auf etwa 80.000 bundesweit – mit entsprechendem Verweis auf die Unwägbarkeiten wohlgemerkt. Wie viele Selbstzahler es schlussendlich gibt? Lisa Haag von MJ_Universe und Mitinhaberin von krautinvest.de: “Wir wissen es einfach nicht.”

Industrie als Informationsvermittler gefordert

Politisch ist Cannabis nicht wirklich gewollt gewesen. Es war eher die Justiz, die der Politik 2017 die Pistole auf die Brust setzte. Noch immer bemängelt Sons in der Folge den Mangel an öffentlicher Bildung in Sachen Cannabis. Die Industrie sei nun in der Verantwortung, W

Politisch ist Cannabis nicht wirklich gewollt gewesen. Es war eher die Justiz, die der Politik 2017 die Pistole auf die Brust setzte. Noch immer bemängelt Sons in der Folge den Mangel an öffentlicher Bildung in Sachen Cannabis. Die Industrie sei nun in der Verantwortung, Evidenzen zu generieren, wissenschaftliche Ansätze zu verfolgen und Wissen wie Information zu vermitteln. Nur so, sagt Sons, könne medizinisches Cannabis flächendeckend akzeptiert werden.

Unter Bildung fallen für Linus Weber von Nimbus Health aber auch ganz rudimentäre Dinge: Es gehe dabei los, dass Ärzte oft gar nicht wüssten, dass sie Cannabis verschreiben könnten. Weber fordert, die Kräfte nun zu bündeln und verweist auf die Gründung des Bundesverbands pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen. Ärzte sollten dabei keineswegs überzeugt werden, Cannabis zu verschreiben, sondern müssten die Therapieformen verstehen, fordert Weber. Schließlich könne man einiges von den Ländern lernen, in denen Cannabis schon länger verschrieben wird.

Xenia von Maltzan von der ProPharma Group verweist Richtung Apotheker darauf, dass einigen unter ihnen Anforderungen an medizinisches Cannabis so streng erscheinen, dass sie gleich komplett verzichten würden. Laut Weber seien etwa bei Importen aus Kanada drei Qualitätstests erforderlich, bevor das Cannabis beim Patienten lande – verbunden mit entsprechenden Kosten. Dies könne man eleganter strukturieren.

Verwirrende Blüten- und Markenvielfalt

So groß die Wissensdefizte noch sind, zeichnet sich bereits ein weiteres Problem ab: „Wir sehen die gleichen Blüten aus der gleichen Anlage unter verschiedenen Markennamen. Das verwirrt die Patienten”, so Sons. Constantin von der Groeben, Geschäftsführer und Gründer von Demecan, fordert daher Aufklärung über die verschiedenen Sorten, Produkte und Blüten. Die Vielfalt, so von Maltzan, beinhalte ein weiteres Problem: Klinische Studien würden so erschwert, da in solchen immer die exakt gleichen Produkte verwendet werden müssten. Es fehle aktuell an einer zentralen Anlaufstelle, um Daten zu sammeln. Überhaupt sollten Europa und Deutschland in Form des BfArm viel stärker kooperien, fordert Sons.

Regulatorischer Flickenteppich

Allerdings sei selbst Deutschland – dem Föderalismus sei Dank – ein regulatorischer Flickenteppich. Regional würden Behörden unterschiedliche Maßstäbe anlegen. Sons wünscht sich einen einzigen Standard bundesweit.

Eine weitere Herausforderung sei die Kooperation von Großhändlern und Produzenten. EU GMP wird erst inspiziert, wenn ein Großhändler eine Lieferung aus einer bestimmten Halle wünscht. Es sei daher unausweichlich für Produzenten und Händler, sich Zeit zu nehmen, um eine solide Beziehung zu entwickeln, fordert Linus Weber, der zugleich mahnt: „Wir sind nicht mehr an dem Zeitpunkt, an dem jedes Produkt so oder so verkauft wird.”

Demecans von der Groeben ist als einziger deutscher Produzent in der Runde gespannt auf den ersten Vergleich von deutschen Cannabis-Produkten zu Importen. Zugleich wundert er sich über das regulatorische Hin und Her. Eigentlich sei seines Erachtens soweit alles klar im Einheitsabkommen über Betäubungsmittel der Vereinten Nationen geregelt.

Trotz alle dem scheinen die Unternehmer frohen Mutes. Constantin von der Groeben verweist auf die Steigerungen von anfangs einer Tonne auf nun 20 und die erfolgreiche Entstigmatisierung. Und Linus Weber berichtet von immer mehr Interesse auf Seite der Mediziner: „Erst war alles Bullshit, jetzt suchen sie Informationen.”

Mehr zum Thema

Leave a Comment