Krieg der Hanflinge – Der Kapitalismus und die Einbildung regulativer Grauzonen

by Gastautor

In diesem Artikel möchte ich eine Sache thematisieren, welche mir Kopfzerbrechen bereitet und die in der CBD-Branche tabuisiert ist: Die Auswirkungen unterschiedlicher Interessen von Marktteilnehmern in einem Premiummarkt, welcher sich in einer vermeintlichen rechtlichen Grauzone befindet.  

Ein Gastbeitrag von Philip Schmiedhofer

Der Fokus dieses Artikels soll auf der regulativen Ebene und meinen Erfahrungen als Händler von CBD-Produkten liegen.

Der regulatorische Hintergrund stellte sich unserem Unternehmen aufgrund der bereits 2014 erfolgten Gespräche mit der AGES (Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit) insofern dar, als dass es uns ab diesem Zeitpunkt vermeintlich erlaubt war, CBD-Produkte als Nahrungsergänzung zu vermarkten und in Verkehr zu bringen. Eine medizinische Nutzung war aufgrund der niedrigen Dosierung (2,5 % und 5 % CBD) auszuschließen.

Die damaligen Einträge im Novel Food Katalog zu Hanf der EFSA (European Food Safety Agency) auf EU Ebene sowie der dazugehörigen Verordnung für Neuartige Lebensmittel (Novel Food VO) gaben uns recht klar zu verstehen, dass Extrakte aus Nutzhanf, so sie dem Suchtmittelgesetz nicht widersprechen, nicht unter die Novel Food VO fielen, sofern sie den natürlichen CBD Gehalt der Pflanze nicht übersteigen – und damit keiner Zulassung bedürfen. Die Novel Food Verordnung soll der Sicherheit von Konsumenten bei neuartigen Nahrungsmitteln innerhalb der EU dienen, in der Vergangenheit relevant etwa bei Chia Samen oder Stevia.

Im Bezug auf Hanf gab und gibt es bis heute auch keine klaren rechtlichen Vorgaben, sondern nur Empfehlungen und Richtwerte (die übrigens auf Basis medizinischer Studien an einer Handvoll schwerkranker HIV Patienten ermittelt wurden) für Behörden. Insbesondere der erlaubten Mengen an THC (Tetrahydrocannabinol) in Lebensmitteln, sodass wir, wie viele andere Hersteller, das rechtlich bindende Limit des Suchtmittelgesetz von 0,3% in Österreich und 0,2% in vielen anderen EU Länder einhalten.
Krieg der Hanflinge - Der Kapitalismus und die Einbildung regulativer Grauzonen

Krieg der Hanflinge - Der Kapitalismus und die Einbildung regulativer Grauzonen

Bild 1 und 2: Auszug aus dem Novel Food Katalog der EFSA – Stand 2018

Marktkräfte: Finanzieller Druck, Wettbewerb und Profitgier

Im Laufe der Entwicklung des CBD-Marktes und jenes Hypes, welcher mitunter 2017 aufgrund vorwiegend amerikanischer Berichterstattung entstand, drängten immer mehr Teilnehmer auf den Markt. Es kam zur Professionalisierung bestimmter Arbeitsschritte wie z.B. der Herstellung von Extrakten und damit zu zwei aus meiner Sicht wichtigen Auswirkungen. 

  • Erstens waren zu diesem Zeitpunkt fertige Extrakte erhältlich und damit der verbundene Aufwand zur Herstellung von CBD-Produkten für Produzenten sowie Händler eigener Marken drastisch verringert. 
  • Zweitens waren die CBD Konzentrationen (bis hin zum CBD Isolat) in den Extrakten stark erhöht. Dies führte zu einer Anreicherung und Zunahme der CBD Konzentrationen in den Produkten, was konsequent die Behörden auf den Plan rief. 

Einerseits aus markt-strategischem Kalkül, weil mit der überforderten Exekutive auf Behördenebene spekuliert und eine Profitmaximierung gegenüber dem allgemeinen Brancheninteresse zur langfristigen Etablierung von CBD-Produkten als Nahrungsmittel vorgezogen wurde, aber auch aufgrund der Unwissenheit vieler Marktakteure, welche sich der Konsequenzen ihrer Handlungen schon im ersten Schritt nicht bewusst waren.

Was ist im Hintergrund passiert? Die EFSA hatte Ihre Stellung zu Cannabidiol erst gesucht, dann gefunden und in weiterer Folge den Novel Food Katalog entsprechend angepasst. Zeitgleich wurden auf nationaler Ebene, so auch in Österreich durch das Gesundheitsministerium, im Jahr 2018 Erlässe zum Verbot der Inverkehrbringung von CBD in Nahrungsmitteln und Kosmetik erlassen. Erlässe sind rechtlich bindende Anweisungen an die Behörden, die daraufhin in ihrer eigenen Qualität (Geschwindigkeit, Auslegung), exekutiert werden sollen. 

Damit wurde ein klarer Weg zur Rechtssicherheit von CBD-Produkten als Lebensmittel gezeichnet, nämlich eine Zulassung unter der Novel Food VO. Das bedeutete zugleich aber auch das Ende des erwähnten Graubereichs, ein rechtlicher Rahmen wurde klar definiert, auch wenn die Vorgehensweise wohl nicht verfassungsgemäß erfolgte.

Ich lese immer noch häufig von mangelnder Rechtssicherheit, was mich durchaus erstaunt.

Krieg der Hanflinge - Der Kapitalismus und die Einbildung regulativer Grauzonen

Bild 3: Auszug aus dem Novel Food Katalog der EFSA – Stand 2021

Bereits hier zeigte sich die unterschiedliche Akzeptanz der Marktteilnehmer, so blieben einige auf ihrem Weg und vermarkten bis dato ihre CBD-Produkte als Nahrungsergänzung, andere nutzen Umwege und versuchen über Aromazusätze, oder Kosmetikprodukte CBD Produkte zu vermarkten und in Verkehr zu bringen.

Ein weiterer Trend besteht darin, Extrakte aus anderen Pflanzen zu nutzen, in denen Cannabinoide oder verwandte Verbindungen enthalten sind. Das widerspricht, wie bspw. synthetische Cannabinoide, dennoch klar der Novel Food VO. Wiederum andere entschlossen sich dazu, ihre Produkte nicht mehr zur Einnahme zu vermarkten, sondern als Aromaöle, um insbesondere nicht mehr mit dem scharfen Regelungen des Lebensmittelrechts anzuecken. 

Hierzu erfolgte eine Neuaufstellung der EIHA (European Industrial Hemp Association) sowie ein noch nie dagewesenes gemeinschaftliches Projekt in Millionenhöhe zur Zulassung von CBD unter der Novel Food VO. Dieses befindet sich zum heutigen Stand bereits in der Umsetzungsphase zur Erhebung toxikologischer Daten für den Zulassungsprozess, welcher für Ende 2023 geplant ist.

Das ist aber zugleich meiner Meinung nach der einzige langfristig bestreitbare Weg, um CBD in Nahrungsmitteln rechtssicher zu vermarkten und in Verkehr zu bringen.

Welche Auswirkungen haben diese Schritte auf die Konsumenten? Zwischen Unwissenheit und Manipulation.

Ich würde mir wünschen, dass sich Menschen der Auswirkungen ihrer Handlungen bewusst sind, leider ist das Gegenteil der Fall. Die Klimakrise und die COVID Pandemie haben uns recht deutlich gezeigt, welche Kapazitäten Menschen wirklich besitzen, Verantwortung zu leben. 

Daher ist davon auszugehen, dass es nicht nur die Konsumenten sind, die wissen möchten, welche Produkte rechtssicher, zugelassen oder gar gefährlich sind.

Die Mühlen der Behörden/Handelsgerichte arbeiten, sei es aus mangelnder Kapazitäten, oder anderen Gründen, demgegenüber eher langsam.

Es geht diesbezüglich vielmehr um Händler und Hersteller, welche Verantwortung übernehmen werden und werden müssen. 

Hier gilt es klar zu kommunizieren und den augenscheinlichen Interessenkonflikt herauszuarbeiten. Es stellen sich mir folgende Fragen?  Wie sollen jene, welche langfristige Marktchancen anstreben, vorgehen um ihre Handelspartner zu überzeugen, Druck auf andere Hersteller auszuüben, die Einnahmeempfehlungen sowie Heilsversprechen nicht mehr abzugeben, auch wenn finanzielle Abhängigkeiten bestehen? 

Die Zukunft einer ganzen Branche steht jedenfalls an der Kippe. Wie kann man das Eigeninteresse in Aktion zu treten, incentivieren? Wie kann man sich vor finanziellem Schaden schützen, gerade in einer monetär angespannten Situation und trotzdem nachhaltig wirtschaften?

Fazit 

Es bleibt nur die Aufklärung und es gilt, sich selbst in die Pflicht zu nehmen und Verantwortung zu leben. Daher würde ich vorschlagen aktiv den Dialog zu führen, um den Vertrieb von CBD-Produkten in einem “nicht für den Konsum zugelassenen Rahmen” zu ermöglichen. Da es hier eine einheitliche Herangehensweise der Händler und Hersteller gibt, die natürlich erstmal bei Konsumenten auf Unverständnis stoßen wird, ist klar. So kann aber sichergestellt werden, dass weder die Auslegungen der Gesundheitsbehörden umgangen werden, noch die Konsumenten Fehlinformationen erhalten, geschützt bleiben und ihre Kaufentscheidung nicht aufgrund der Auslobung des Produktes, sondern anderer Qualitäten passiert. Gleichzeitig können Botschaften zur Aufklärung an die Konsumenten einheitlicher und an den Rechtsrahmen angepasst erfolgen, was wiederum zu Verständnis innerhalb der Kundenkreise führen wird, und das vielleicht sogar ohne die Branche weiter unnötig zu fragmentieren. 

Über Philip Schmiedhofer

Nach seinem Studium der Medizintechnik hat Philip Schmiedhofer sich aufgrund einer Sportverletzung eingehend mit wissenschaftlicher Literatur über Cannabidiol (CBD) beschäftigt, woraus in weiterer Folge die Idee zum Aufbau einer Wissensplattform entstand. Darauf aufbauend gründete er cannhelp. Eine Firma, die sich auf die Herstellung hochqualitativer CBD Produkte spezialisierte. Begonnen hat das Unternehmen mit der Produktentwicklung und der Extraktion von Nutzhanf. In dieser Pionierzeit des CBD Marktes gab es noch keine Möglichkeiten des Zukaufes von fertigen Extrakten, was sich in den folgenden Jahren aber rasant änderte. Parallel dazu forschte Philip im Rahmen seines weiterführenden Studiums der Neurowissenschaften am Zentrum für Hirnforschung der Universität Wien mit Hanfextrakten und Phytocannabinoiden und konnte neuartige Wirkungen an bestimmten Rezeptortypen der GABAA Rezeptoren aufzeigen, die durchwegs medizinische Relevanz haben. Als Geschäftsführer des CBD Pioniers cannhelp, der SBR Development Holding und dem Medizinproduktehandel cannmedic GmbH ist es ihm ein Anliegen, über den Markt zu berichten, sowie dessen Stärken und Schwächen herauszuarbeiten.

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