Der Cannabis-Check: Wie kompetent ist unsere Bundesregierung?

by Moritz Förster

Mit der angekündigten Cannabis-Legalisierung hat die Bundesregierung medial so viel Staub aufgewirbelt, dass sie peinlich dastehen würde, sollte ihr Vorhaben in dieser Legislaturperiode nicht gelingen. Angesichts der verstrickten internationalen Drogenpolitik braucht sie dafür aber Expert:innen mit Cannabis-Kompetenz in den eigenen Reihen. Zuletzt meldeten sich einige Politiker:innen der regierenden Parteien öffentlichen zu Wort. Wie viel Substanz steckt in ihren Aussagen? Unser Kompetenz-Check.

Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitsminister

Karl Lauterbach erntete im Oktober – damals noch nicht als Gesundheitsminister – öffentlich Spott für seine Aussage, Cannabis werde mit Heroin gestreckt, um Cannabiskonsumenten süchtig zu machen. Auch wenn das mit dem Heroin Quatsch war: Synthetische Cannabinoide sind eine ernstzunehmende Gefährdung und auch Verunreinigungen im illegalen Verkauf.

Als Gesundheitsminister erklärte Lauterbach dann: Die Legalisierung müsse erstmal warten, Vorrang habe die Pandemie. Das allerdings ist durchaus nachvollziehbar – mit halber Kraft wird die Legalisierung schließlich nicht gelingen und Lauterbach wird gemeinsam mit dem neuen Drogenbeauftragten Burkhard Blienert die treibende Kraft hinter dem Gesetzesentwurf sein.

Fazit: Schwer zu sagen. Als Arzt müsste er auch für neue Erkenntnisse aus der medizinischen Therapie – Stichwort Nebenwirkungen – zugänglich sein. Machen wir einen Haken hinter die Heroin-Nummer und warten erstmal ab.

Cem Özdemir (Grüne), Landwirtschaftsminister

Cem Özdemir von den Grünen wird als Landwirtschaftsminister eine wichtige Rolle spielen, wenn es um Rahmenbedingungen für den heimischen Anbau geht. Der Bild am Sonntag erklärte er: “Viele Bäuerinnen und Bauern stehen in den Startlöchern, um Hanf anzubauen.” Mit Hanf meinte er allerdings THC-haltiges Cannabis, bezog er sich doch unmittelbar auf das Gesetz zur Legalisierung. Eine Aussage, die sich auch gleich Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, zu eigen machte: “Wenn die Bauern den Samen haben, können sie loslegen. Wir Landwirte sind innovativ, wir bekommen das sofort umgesetzt”, sagte er dem Tagesspiegel.

Aller Voraussicht nach müssen allerdings auch die Blüten im Genussmarkt eine möglichst konstanten THC- und CBD-Gehalt aufweisen. Medizinische Produkte werden genau aus diesem Grund im Gewächshaus oder komplett in geschlossenen Räumen produziert. Dann können wichtige Parameter – wie Licht oder Temperatur – kontrolliert werden. Ganz anders auf dem Feld unter freiem Himmel.

Wie realistisch die Özdemir-Ankündigung ist? Auf krautinvest.de stellte Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann unlängst klar: “Anlagen in Deutschland wären mit Investitionen von mindestens 15-20 Mill. € verbunden und einer Planungs- und Realisierungsphase von mindestens drei bis vier Jahren. Sollten diese Anlagen auch noch ausgeschrieben werden müssen, wie manche Überlegungen im Diskurs verlauten lassen, käme eine weitere Verzögerung von mindestens zwei bis drei Jahren hinzu. Das erste Freizeit-Cannabis aus deutscher Produktion würden wir dann nicht vor 2028 sehen.”

Fazit: Dieses Wortspiel sei gestattet: Noch etwas “grün” hinter den Ohren. Tipp: Europäische Produktionsstätten für medizinisches Cannabis besichtigen oder in Kanada Anlagen für Genussmittel.

Marco Buschmann (FDP), Justizminister

Bundesjustizminister Marco Buschmann wird im Falle der Legalisierung alle Hände voll zu tun haben. Anpassungen in anderen Gesetzestexten – von der Straßenverkehrsordnung bis zum Verbraucherschutz – dürften in sein Hoheitsgebiet fallen. Und überhaupt muss über das gesamte Werk das geschulte Auge eines Juristen drüber blicken.

Sein Augenmerk liegt aktuell – zumindest öffentlich – auf der Ausbildung von Fachverkäufern: Diese müssten die erforderliche Sachkunde nachweisen und entsprechend in der Lage sein, “Auskünfte über die Produkte zu erteilen und riskantem Cannabiskonsum, insbesondere bei erkennbar Suchtkranken, entgegenzuwirken”.

Dass Fachverkäufer ähnlich wie in der Apotheke über unterschiedliche Wirkungen verschiedener Sorten aufklären sollten, ebenso wie über Nebenwirkungen oder Maßnahmen im Falle eines zu starken Rauschs, scheint logisch. Wie genau die Fachverkäufer nun Süchtige erkennen sollen, ist schwer vorstellbar. Viel wichtiger aber: Buschmann könnte sich den wirklich großen juristischen Brocken widmen: Mit Außenministerin Annalena Baerbock Wege finden, wie der Aus- und Wiedereintritt in die Single Convention gelingt und vor allem klären, wie eine Legalisierung in Deutschland überhaupt mit bestehenden Verträgen auf europäischer Ebene im Einklang steht: Unter anderem im Schengener Abkommen verpflichten sich alle unterzeichnenden Staaten, illegale Drogen (gemäß der Single Convention) in ihren Landesgrenzen strafrechtlich zu ahnden…

Fazit: Gute Ansätze erkennbar, aber Luft nach oben.

Annalena Baerbock (Grüne), Außenministerin

Die frisch gebackene Außenministerin crust schon eifrig in der Welt umher. Hat dabei aber wahrscheinlich noch gar nicht Cannabis im Kopf. Es sei ihr verziehen, die Probleme anderswo sind gewaltig. Steht doch aktuell der Frieden in Europa auf der Kippe. Trotzdem: Sollte Deutschland Cannabis legalisieren, verstößt es mit Sicherheit gegen internationales Recht (Single Convention) und auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gegen europäisches Recht (u.a. Schengener Abkommen und Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004). Scheint die Antwort auf ersteres der Aus- und Wiedereintritt unter Vorbehalt zu sein – was auch schon diplomatisches Geschick erfordert – kommt letzteres in der öffentlichen Debatte aktuell viel zu kurz.

Fazit: Nur Russland und die Ukraine im Kopf, noch kein Cannabis – völlig nachvollziehbar. Unser Tipp: In der EU nach Gleichgesinnten Ausschau halten.

Christian Lindner (FDP), Finanzminister

Der FDP-Chef hatte im Oktober, noch vor einem Koalitionsvertrag, gleich mal das Fass der Abgabestelle aufgemacht: Apotheke oder Fachgeschäft. Die kontrollierte Abgabe ist zweifelsfrei wichtig – wie genau, darum werden ich vorrangig andere kümmern. Man darf gespannt sein, ob zum Start des legalen Marktes die Verkaufsinfrastruktur steht.

In seiner aktuellen Rolle muss sich Lindner ganz anderen Sachen widmen: Das Bundesministerium der Finanzen wird im Cannabis-Kontrollgesetz der Grünen gleich 19 mal genannt. Kanada und die USA zeigen, dass der legale Markt nur die Oberhand gewinnt, wenn Preise und Verfügbarkeit mit dem illegalen konkurrenzfähig sind. Der Finanzminister muss die Steuerpolitik so gestalten, dass staatliche Einnahmen sprudeln – und die Preise je Gramm trotzdem nicht über denen des illegalen Marktes liegen.

Fazit: Alle Hände voll zu tun. Mehr Fokus auf das Wesentliche.

Burkhard Blienert (SPD), Drogenbeauftragter Bundesregierung

Mit seinem Parteigenossen Burkhard Blienert zauberte Gesundheitsminister Karl Lauterbach sein Ass aus dem Ärmel. Blienert war zur Zeit der Entstehung des Gesetzes “Cannabis als Medizin” drogenpolitischer Sprecher der SPD. Bereits seit Jahren ist er Fürsprecher einer Legalisierung – nicht erst seitdem diese in Mode gekommen ist. Mit seinen Äußerungen unlängst im Vorwärts, nahm er dann aber erstmal den Fuß vom Gaspedal: Nicht von heute auf morgen, sondern noch in dieser Legislaturperiode solle er die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel über die Bühne gehen.

Unsere Meinung: Idealerweise gelingt dies nicht erst im letzten Jahr – angesichts der komplizierten rechtlichen Fragen war es dennoch der richtige Schritt von Blienert, die Erwartungen zu dämpfen. Bereits vor knapp einem Jahr kritisierte Blienert zudem den Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen als Flaschenhals und forderte Therapiehoheit für Ärzt:innen.

Fazit: Der richtige Mann am richtigen Platz zur rechten Zeit. Jetzt nur nichts vermasseln.

Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit

Kirsten Kappert-Gonther wird als Stellvertreterin den Ausschuss für Gesundheit leiten, da der Wahlvorschlag der AfD scheiterte. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie arbeitete von 2002 bis 2010 als Dozentin für Psychiatrie und Psychotherapie. Vor allem aber übernahm Kappert-Gonther ab 2017 für die Grünen die Rolle der Sprecherin zu allen Fragen rund um die Legalisierung von Cannabis – und hat sich daher intensiv mit dem vorliegenden Entwurf der eigenen Partei auseinandergesetzt: dem 2018 eingereichten und 2020 im Bundestag gescheiterten Cannabis-Kontrollgesetz. Auch mit Blienert dürfte sie schon einige Berührungspunkte haben.

Fazit: Könnte eine konstruktive Rolle spielen.

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