Vier Jahre Cannabis als Medizin – gute Ansätze, aber noch Luft nach oben – die große Analyse

by Moritz Förster

Heute vor vier Jahren trat das Gesetz “Cannabis als Medizin” in Kraft und ermöglichte chronisch erkrankten Patienten*innen den Zugang zu medizinischem Cannabis sowie die Erstattung durch ihre Krankenkassen. Die Freude und die Erwartungen waren groß. Von 800.000 Patienten:innen gingen Experten:innen analog zu nordamerikanischen Verhältnissen aus. Wir haben Ärzte, Unternehmer:innen, Anwälte:inne und Berater:innen, Apotheker, Patienten:innen, Verbände und Politiker:innen gefragt: Hat das Gesetz gehalten, was es versprochen hat?

Lisa Haag und Moritz Förster

Genehmigungsvorbehalt verhindert Zugang

Vielerorts herrscht Ernüchterung: “Die im Vorfeld befürchteten negativen Entwicklungen sind stärker eingetreten”, blickt Burkhard Blienert zurück, der als vierjähriger drogenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion unmittelbar an dem Gesetz mitgewirkt hat. Als “Erschwernis” habe sich der “Flaschenhals – Verschreibung unter Vorbehalt des MDK und damit der Kassen” herausgestellt. Mit dieser Meinung ist Blienert bei Weitem nicht alleine. Georg Wurth seit Jahren beim Hanfverband in führender Position tätig: “Überhaupt sollten die Krankenkassen die Therapie nur in Einzelfällen ablehnen können. Das kam leider ganz anders.” Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des Branchenverbands Cannabiswirtschaft (BvCW), geht von einer überraschend hohen “Ablehnungsquote von rund 40 Prozent durch die gesetzlichen Krankenkassen” aus. Die hohen bürokratischen Hürden sieht auch Dennis Stracke, Leiter Neurologie der Medios Apotheke als wesentliche Ursache dafür, dass nach wie vor “vielen Patienten eine hoch wirksame Therapiealternative zur Verbesserung ihrer krankheitsbelastenden Symptome verwehrt” werde.

Mit Dr. Franjo Grotenhermen kritisiert auch einer der führenden Ärzte für cannabinoidbasierte Medizin die aktuelle Situation recht deutlich: “Aus mehreren Gründen, die vor allem mit den finanziellen Auswirkungen des Gesetzes im Zusammenhang stehen, sind viele Betroffene, die nach ärztlicher Auffassung eine entsprechende Therapie benötigen, weiterhin davon ausgeschlossen. Selbst von denjenigen Patienten, die vor der Gesetzesänderung eine Ausnahmeerlaubnis nach §3 Absatz 2 BtMG hatten, hat bisher nicht einmal die Hälfte eine Kostenübernahme der Krankenkasse erhalten.”

Was waren die Enttäuschungen in den letzten vier Jahren CAM?

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Zu wenig Ärzte, die auf medizinisches Cannabis setzen

“Dass es nach Jahren immer noch so schwierig ist, einen verschreibenden Arzt zu finden, ist schon eine Ernüchterung”, stellt Wurth fest. Axel Gille, Präsident Aurora Europe spricht von immer noch bestehenden “direkten und indirekten Zugangshürden für Patienten”. Apotheker Stracke dazu: “Cannabisbasierte Arzneimittel fließen aus meiner Sicht auch noch zu wenig in ärztliche Therapieentscheidungen mit ein –häufig aus mangelnder Kenntnis und Unsicherheit. Daher muss weiterhin akribisch an einer Wissensvermittlung – interdisziplinär und multiprofessionell – gearbeitet werden.”

Defizitäre Informationslage, Regresskosten, bürokratischer Aufwand und Vorbehalte

Den Worten des Apothekers schließt sich auch Jens Iwer, Vorstand und Gründungsmitglied Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. an und spricht von einer “defizitären Informationslage der Ärzteschaft” außerdem würden immer “Regresskosten für die verschreibenden Ärzte” drohen. Laut Wurth würden die “Krankenkassen die Verschreibungen Richtung Schmerzmittel” lenken, sogar “entsprechende Selbstzensur” bei Privatrezepten betreiben.

Dr. Julian Wichmann, Facharzt sowie Gründer und Geschäftsführer von Algea Care, liefert ergänzende Erklärungen: “Auch vier Jahre nach der Gesetzesnovelle haben viele Ärzte noch Vorbehalte gegenüber medizinischem Cannabis.” Mit Algea Care betreut Wichman inzwischen weit über tausend Patienten:innen monatlich. Der Tenor: Aufgrund der “komplexen Kostenübernahme-Thematik werde weiterhin der Zugang zu dieser Therapie unnötig erschwert oder sogar blockiert”. Dem pflichtet auch Alexander Rieg bei, der bereits zu 2017 den Großhändler Geca Pharma gründete: “Die Bürokratischen Hürden eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu bekommen, sind schon enorm hoch.” Auch der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen kritisiert den “hohen administrativen Aufwand für die Beantragung einer Therapie mit Cannabis”.

Fehlende Expertise und Forschungsbedarf

Neumeyer sieht nicht nur, den an mehreren Stellen durchklingenden “großen Fortbildungsbedarf in der Ärzteschaft”, sondern auch einen “großen Forschungsbedarf für evidenzbasierte Anwendungen”. Überrascht zeigt er sich, “dass die Bundesregierung seit 2013 nur eine einzige klinische Cannabis-Studie finanziell unterstützte”.

Wenig Fortschritt in Europa

Die erhoffte Vorbildfunktion hat das deutsche Gesetz nicht ausreichend erfüllt. “Ich hätte es gerne gesehen, wenn in den letzten Jahren bereits weitere Staaten mit einer Kostenerstattung aufgewartet hätten”, bedauert Jakob Sons, Mitgründer des Unternehmens Cansativa. Darüber hinaus gibt es auch auf europäischer Ebene noch keine harmonisierte Rechtslage, die den problemlosen internationalen Handel mit medizinischen Cannabis innerhalb der EU ermöglicht.” ICBC-Gründer Alex Rogers sieht die EU – allerdings mit Blick auf den “Kampf gegen Drogen” – eher als Bremse und ist der Meinung, “dass jeder Staat bzw. jedes EU-Land in der Lage sein sollte, seine eigene Drogenpolitik zu bestimmen.” Stephen Murphy von Prohibition Partners stellt die Rolle von Lobbyisten in Frage, “die versuchen, den Zugang auf einige wenige zu beschränken”. Man hätte gesehen, wie negativ sich dies auf das Gesundheitswesen auswirke.

Regulatorische Unklarheiten und regionale Unterschiede

Jakob Sons, studierter Jurist hätte sich “ein einheitliches Regelungskonzept für die Cannabisblüten auf der Großhandelsstufe gewünscht.” Auch Peter Homberg, Rechtsanwalt bei Dentons, bedauert, dass es in Deutschland nach vier Jahren noch nicht gelungen sei, “eine bundeseinheitliche Handhabung der Regularien in Bezug auf medizinisches Cannabis zu verwirklichen”. Homberg: “So variieren die Ansichten beispielsweise zur Einstufung von medizinischem Cannabis als Wirkstoff oder Arzneimittel, zum Erfordernis der Freigabe sowie zu GMP-relevanten Fragen von Bundesland zu Bundesland.” Der Bundesverband Pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC) beobachtet ebenfalls eine unterschiedliche Bewertung, Auslegung und Bearbeitung von Anträgen in den 16 Bundesländern. Der “uneinheitliche Umgang mit medizinischem Cannabisprodukten bei den beteiligten Aufsichtsbehörden führe zu massiven Unsicherheiten bei Ärzten, Apothekern und pharmazeutischen Cannabinoidunternehmen”. Rieg bestätigt “Unklarheiten und Verwirrung” für Unternehmen. Doch damit nicht genug: “Im Prinzip ist die Frage, ob ein Patient oder eine Patientin mit Cannabis behandelt werden kann, damit auch eine Frage des Wohnorts. Hier müssen wir also zu einheitlichen Maßstäben und Vorgehensweisen kommen”, fordert Sebastian Schütze, Mitglied der Geschäftsführung und Director Policy beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sowie Leiter der Industriearbeitsgruppe Cannabis. Seines Erachtens müsse der Ermessensspielraum der Kassen an klarere Vorgaben gekoppelt sein und eine Ablehnung wirklich nur in sehr begründeten Ausnahmen erteilt werden können.

Der Markt bleibt hinter den Erwartungen – hohe Preise für Blüten

Lana Korneva, Geschäftsführerin bei Drapalin Pharmaceuticals spricht von einer “langsameren Marktentwicklung als erwartet”. Der BPC hätte die Einschränkung des Imports von Cannabis und die Monopolbildung durch die BfArM-Ausschreibung gerne vermieden. Georg Wurth hat noch die jahrelangen und heftigen Lieferengpässe in Erinnerung und wundert sich auch, dass “die Preise für Hanfblüten aus der Apotheke so nach oben” gegangen sind. Homberg hätte sich die “schnellere Bereitstellung” von medizinischem Cannabis aus einem Anbau in Deutschland gewünscht. Demecans Dr. Adrian Fischer hätte erwartet, “dass Deutschland schneller auf die steigenden Importzahlen von Cannabisprodukten reagiert”.

Trotz aller Kritik: Grundsätzlich begrüßen die allermeisten das Gesetz an sich. Einige Entwicklungen überraschten auch positiv.

Das läuft gut!

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Patienten profitieren

Der große Vorteil des Gesetzes bleibt besteht seit dessen Inkrafttreten: “Schwerkranke gesetzlich Krankenversicherte können seither Cannabis auf Rezept regulär verordnet bekommen, das aufwendigere Verfahren der Ausnahmegenehmigungen fiel weg”, so Neumeyer. Die Zahl der Patientinnen und Patienten, die von medizinischem Cannabis profitieren, steige ständig. SPD-Politiker Blienert beobachtet dementsprechend bei den Menschen eine “enorm angestiegene” Akzeptanz von Cannabis: “Für viele kommt eine Behandlung mittlerweile in Frage”. Jens Iwer sieht als Sprecher der Cannabis-Patienten wenig Missbrauch und begrüßt die Sortenvielfalt, die eine zielgenaue Behandlung ermöglichten. Auch einer der aller ersten Cannabis-Patienten Deutschlands, Maximilian Plenert, freut sich, dass “Menschen anfangen an zu erkennen welche Potenziale sich auftun”. Ärzte und Apotheker kämen nicht mehr an dem legalen Phänomen “Cannabis als Medizin” vorbei. Guter Dinge für die Zukunft ist daher BPI-Experte Sebastian Schütze: “Die Erfahrungen vieler Patienten und Ärzte gibt Anlass zur Hoffnung, dass auch die Forschung und Entwicklung in diesem lange pönalisierten Sektor Fortschritte machen wird.”

Offene Auslegung bewährt sich

“Der Gesetzestext war damals sehr vorausschauend und hat bewusst keinen Katalog an möglichen Indikationen für eine Cannabis-Therapie definiert”, erläutert Dr. Julian Wichmann. Ein Ansatz der sich bewährt habe. Ärzte könnten dadurch medizinisches Cannabis bei einer Vielzahl schwerer Erkrankungen verordnen, was “letztlich die medizinische Erkenntnislage sowie generell die Akzeptanz” fördere, so der Facharzt. Verbandssprecher Wurth pflichtet dieser Erkenntnis bei und begrüßt die recht offene Auslegung zur Behandlung vieler verschiedener Krankheiten und dass der Zugang auch zu Blüten eröffnet wurde, nicht nur zu reinen THC-Präparaten”.

Professionelle Diskussionen und Entstigmatisierung

Insgesamt beobachten viele Experten eine Versachlichung der Diskussion. Laut Cansativas Jakob Sons und Lana Korneva von Drapalin würden sich mehr Ärzte und mehr Apotheker mit Cannabinoiden beschäftigen. “Ich hätte vor vier Jahren nicht gedacht, dass so umfangreich und fachlich konkret über Cannabis diskutiert wird. Cannabis war in den letzten Jahren ein Dauerbrenner auf den schmerztherapeutischen Fachtagungen”, so Sons. Korneva begrüßt, dass immer mehr Webinare und Weiterbildungen mit CME-Zertifizierung für Fachkreise angeboten würden. Alexander Rieg beobachtet zudem eine gewachsene Akzeptanz in der Bevölkerung. Blienert dazu: “Der Blick auf Cannabis im Ganzen ist nüchterner, sachlicher und aufgeklärter geworden.”

Verbesserte Evidenzlage

Der BPC spricht von der “Entwicklung von nachweisbarer medizinischer Evidenz für Cannabis in der Behandlung verschiedener Symptome” und freut sich über den Einzug der “Therapie in Praxisempfehlungen und Leitlinien”. Wohl auch ein Grund dafür, dass, so Fischer, “die Akzeptanz bei Ärzten und Apothekern gerade in den letzten zwei Jahren stark gestiegen” ist.

Mehr Produktvielfalt und trotz Corona keine Lieferengpässe

Die Lieferengpässe begleiteten die Industrie eine Weile. Diese scheinen inzwischen aber endgültig überwunden: Trotz der Corona-Pandemie sei laut Auroras Axel Gille die Produktversorgung der Patienten sichergestellt worden. Es gab also keinen Rückfall. Im Gegenteil: “Die Produktvielfalt wird immer umfangreicher und es etablieren sich auch neue Darreichungsformen auf Rezepturbasis”, erklärt Apotheker Dennis Stracke. Auch Dr. Franjo Grotenhermen begrüßt, dass “wir heute eine große Auswahl unterschiedlicher Präparate haben”.

Nun heißt es also ausbauen, was bereits gut läuft und verbessern, was noch hapert. Wie genau das aussehen kann schildern wir in den kommenden Tagen in unserem zweiten Teil: Die Wünsche und Vorschläge der wichtigen Stakeholder vier Jahre nach dem Gesetz “Cannabis als Medizin”.

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