Ben Larson von Gateway über Cannabis-Startups: “Risiko nimmt ab, Bewertungen steigen.”

by Moritz Förster

Wieso die Unternehmensbewertungen für Cannabis-Startups in den USA sich stetig nach oben entwickeln? Ben Larson, Co-Founder und Managing Partner des Gateway Inkubators, erläutert im Gespräch den globalen Cannnabis-Markt, geht auf die Besonderheiten des noch recht jungen legalen deutschen Markts ein und spricht darüber, welche Startups besonders gute Chancen haben, für den dritten Batch aufgenommen zu werden. Aktuell läuft die Bewerbungsphase.

krautinvest.de: Hallo Ben, du bist co-Founder und Managing Partner des Gateway Inkubators, dem ersten kalifornischen Programm für Startup Aktivitäten im Cannabis Markt. Wie funktioniert euer Accelerator?

Wir suchen nach den vielversprechendsten Gründern und Ideen mit dem Fokus auf die Cannabis Industrie. In jedem Batch nehmen wir fünf bis zehn Unternehmen auf. In den vergangenen beiden Runden haben wir je Unternehmen 30.000 US-Dollar im Gegenzug für fünf Prozent der Anteile geboten. Wir erhöhen das Finanzierungsvolumen nun auf 50.000 US-Dollar für fünf Prozent im anstehenden Batch. Die auserwählten Unternehmen verbringen anschließend sechs Monate in unserem Büro. Sie erhalten sehr praxisnahes Mentoring, ein Custom Curriculum, und sie haben Zugang zu einem sehr effektiven, unternehmerischen Cannabis-Netzwerk. Unser Ziel ist, die Unternehmen von ihrer ursprünglichen Unternehmensbewertung innerhalb dieser sechs Monate zu einer Bewertung zu führen, die vier bis 20 Mal höher liegt. Aus unserem ersten Programm haben bereits vier der sieben Unternehmen bei einer Bewertung zwischen vier und acht Millionen US-Dollar Kapital eingesammelt. Und unser zweiter Batch strebt nun deutlich höhere Summen in den kommenden Wochen an.

krautinvest.de: Und wie wählt ihr eure Unternehmen aus?

Wir haben eine schriftliche Bewerbung, ein Telefoninterview, einen Test und ein persönliches Interview von einer Stunde. Normalerweise betrachten wir eine Kombination von Traction, vorausgesetzt es besteht bereits ein Prototyp, und die Kompetenzen der Gründer. Bei einigen Gründern weiß man sofort: Dies ist jemand, der erfolgreich sein wird. Wir haben auch solo-Gründer aufgenommen, allerdings arbeiten wir bevorzugt mit einem Team. Wenn es ein solo-Gründer ist, finden wir typischerweise als erstes ein Team. Wenn die Gründer so gut sind, ist es nicht schwierig, Mitgründer zu finden. Dieses Vorgehen hat sich bereits bei einigen unserer besten Gründer als wahr entpuppt. Im Programm selber arbeiten wir dann sehr eng mit den Teams. Das ist der Vorteil im Early-Stage-Bereich.

krautinvest.de: Was ist denn das typische Startup, nach dem ihr Ausschau haltet?

Es macht für uns keinen Sinn, in Apotheken oder Anbauer zu investieren, da dahinter typischerweise keine skalierbaren Geschäftsmodelle stehen. Aber sobald das Modell auf einer Marke oder einem anderen skalierbaren Ansatz beruht, beispielsweise einem neuen Prozess, dann sind wir interessiert. Wir beschäftigen uns daher nicht nur mit Software und Hardware, sondern wir haben auch ein paar Produktmarken in unserem Portfolio. Beispielsweise kombiniert ein Startup unter der Marke “Somatik” THC, Cannabis und Kaffee. Das Startup hat viel Anerkennung dafür erhalten, dass es das erste Cannabis-Produkt war, das mit einer Mainstream-Marke eine Partnerschaft eingegangen ist. Mit einer solchen Strategie gewinnt man viel Vertrauen bei Konsumenten. Wir sollten eine Sache nicht vergessen: Im Cannabis Markt gibt es noch keine Marke wie Coca Cola oder Nestle. Und bis es solche Marken gibt, bestehen sehr große Opportunitäten.

Ben Larson von Gateway über Cannabis-Startups: “Risiko nimmt ab, Bewertungen steigen.”

Leviathan – das Büro des Gateway Incubators in San Francisco. © Gateway

krautinvest.de: Kannst du uns noch einige weitere Unternehmen nennen, mit denen ihr zusammenarbeitet?

Wir suchen unter anderem nach Agrikultur-Technologien – beispielsweise arbeitet eines unser Unternehmen an einer Anbau-Technologie: Um das aeroponische System, eine spezielle Anbaumethode, zu kontrollieren, nutzt GrowX Machine Learning und Künstliche Intelligenz. Für die Industrie bedeutet das: Signifikante Einsparungen an Wasser, Nährstoffen und eine Maximierung der Wachstumszyklen. Diese Technologie ist für alle Indoor-Flächen anwendbar – wohin sich die landwirtschaftliche Großindustrie ohnehin hin entwickelt. Aufgrund der hohen Margen im Cannabis, hat GrowX die Chance, hiervon ausgehend komplexere Technologien zu entwickeln. Wir haben zudem mit Software-Unternehmen zusammengearbeitet, die den aufstrebenden Markt deutlich effizienter gestalten. Und schließlich betrachten wir Unternehmen, die Produkte herstellen und die die Haushaltsmarken der Zukunft etablieren.

krautinvest.de: Warum ist denn der Cannabis-Anbau so spannend?

Der ist spannend aufgrund der Margen. Der Preis je Hektar beziehungsweise je Quadratmeter ist offensichtlich viel höher als der für Tomaten. In typischen landwirtschaftlichen Märkten musst du bereits gut finanziert auf den Markt gehen und ein Produkt anbieten, das preislich im Wettbewerb mithalten kann. Cannabis Anbauer sind bereit, viel zu zahlen, wenn sie dadurch ihre Rendite steigern oder ihre Prozesse effizienter werden. Das rentiert sich schließlich sehr schnell.

krautinvest.de: Welche weiteren Trends habt ihr im Markt noch erkannt?

Die Hardware-Seite wird den gesamten autonomen Indoor-Anbau-Prozess regeln. Bezüglich der Software: Die Industrie braucht die gleiche Software, die auch jede andere Industrie braucht. Allerdings verfügt sie bis dato noch nicht darüber. Es wird Lösungen für Compliance, für Tracking, für das Bestandsmanagement und viele weitere Bereiche geben. Bis dato ist der Wettbewerb noch nicht sonderlich groß. Dies ist einer der Gründe dafür, warum etwa Trellis, eines unserer Startups aus dem ersten Batch, eine 95 prozentige Erfolgsquote im Vertrieb hat und zugleich regelmäßig über eingehende Anfragen zusätzlich Kunden, Anbauer und Apotheken, akquiriert.

krautinvest.de: Und wieso kann bereits verfügbare CRM-Software nicht einfach auf dem Cannabis-Markt angewendet werden?

Das liegt daran, dass man aufgrund der Regulierungen eine spezifische Anwendung braucht. Andererseits ist es der gleiche Ansatz, wie man ihn auch von anderer Software her kennt. Das heißt: Berücksichtige immer die Nutzeroberfläche und Nutzerfreundlichkeit. Wichtig ist allerdings, dass du in einer Cannabis Lieferkette vom Samen bis zum Verkauf alles trackst. Deine Software muss daher acht verschiedene Unternehmen tracken, die allesamt in diesem Prozess involviert sind.
Grundsätzlich sehen wir zur Zeit viele CRM-Anwendungen und ähnliche Lösungen. Wir arbeiten bereits mit einem Unternehmen, Honeycomb, das sich auf die Beziehung zwischen Apotheke, Anbauer und Hersteller fokussiert. Es versucht dabei eine Art Distributor zu sein, der anderen erlaubt, ihre Brands und ihre Reputation aufzubauen.

krautinvest.de: Ein anderes Thema: In Deutschland wundern wir uns zur Zeit, wer in Cannabis Startups investieren wird. Was ist eure Erfahrung in den USA bis dato?

Für early-stage-Teams haben wir den Angel Investor – im Silicon Valley haben wir viele ehemalige Tech-Entrepreneure, Anwälte, oder Menschen aus der Immobilienbranche. Diese Community erreichen wir beispielsweise durch unseren Demo Day. Auf unserem vergangenen in einem Anwaltsbüro in Palo Alto waren 100 Investoren im Raum.

Weiterhin gibt es institutionelles Kapital. Beispielsweise einen Fond für Fonds, der auch in uns investiert. Auch einige VCs haben Cannabis in ihrem Portfolio. Andere bilden nun ihre eigenen Cannabis Marken. Und dann gibt es noch aufstrebende aber bereits recht bekannte Cannabis Fonds wie Casa Verde von Snoop Dog. Auch Privateer betritt den Markt mit einer Art Private Equity Model. Das Unternehmen ist mit rund 100 Millionen US-Dollar äußerst finanzstark.
Wohlgemerkt sind dies Unternehmen, die allesamt in das Ökosystem passen. Zur Zeit wird es immer aufregender. Große VCs wie DCM, die bereits seit 30 Jahren im Valley sind und drei Billionen Dollar managen, haben in Eaze investiert, ein Cannabis-Lieferservice-Modell.

Ben Larson von Gateway über Cannabis-Startups: “Risiko nimmt ab, Bewertungen steigen.”

krautinvest.de: Dennoch ist der Cannabis Markt sehr neu und speziell. Was sind aktuell die größten Herausforderungen?

Zurzeit geht es darum zu versuchen in Sachen VC-Praxis Vertrauen und Regelmäßigkeit aufzubauen. Wir müssen ehrlich, wahrheitsgemäß und transparent während des Investmentprozess sein. Investoren sollten nicht versuchen, Informationen aus Unternehmern heraus zu filtern, weil sie wissen, dass ein Wettbewerber in ihrem Portfolio ist – so etwas ist schlichtweg schlechte Geschäftspraxis. Solch ein Vorgehen mag in der Vergangenheit funktioniert haben, da es ein Schwarzmarkt war und Gründer verzweifelt nach Geld gesucht haben. Glücklicherweise kommen aber heute immer mehr gute Firmen ins Spiel. Wir fokussieren uns wirklich auf die Investoren, die den besten Deal für das Unternehmen anbieten. Bei schlechten Geschäftspraktiken würden wir Investoren nicht einmal mehr in unserem Deal Flow berücksichtigen oder zu unserem Demo Day einladen. Diese Möglichkeiten bieten wir Investoren, denen wir vertrauen.

krautinvest.de: Welche weiteren Hindernisse gibt es für Investoren?

Ein großes Thema lautet: Berührt ein Unternehmen die Pflanze oder nicht? Einige Unternehmen sind beispielsweise eine rein technische Softwareinfrastruktur. Sie sind also nicht zuständig für die tatsächlichen Lieferungen, sondern machen diese nur möglich. Solche Modelle sind aus Sicht des VC weniger risikobehaftet. Wir sind dagegen höhere Risiken eingegangen und haben in Unternehmen investiert, die tatsächlich die Pflanze berühren. Damit musst man sehr vorsichtig sein und darauf achten, wie man das Geschäft strukturiert, wie der Geldfluss aussieht und man muss absolut sicherstellen, dass die Buchführung eine hohe Priorität genießt. Und noch etwas anderes: Du musst Vertrauen in die Industrie aufbauen. Uns ist es gelungen, diesen Prozess zu beschleunigen, indem wir wirklich starke Unternehmen gegründet haben, die transparent sind und Werte kreieren. So hat eines unserer Unternehmen 150.000 US-Dollar innerhalb von vier Tagen eingesammelt, noch während sie in unserem Programm waren. Dieses Unternehmen bietet eine klare Opportunität und klaren Wert.

krautinvest.de: Welches sind denn zur Zeit die Kernmärkte?

Kalifornien macht die Hälfte des US-Markts aus. Eine wesentliche Frage lautet daher: Kannst du in Kalifornien angewendet werden, oder nicht? Übrigens ist interessant: Was in Kanada funktioniert, obwohl dort ein völlig anderes System herrscht, kann sehr wohl auch in Kalifornien funktionieren – dies gilt beispielsweise für die angesprochene Software, die den Samen bis zum Verkauf trackt. In Kanada ist der Markt vertikal integriert: Die Menschen, die die Pflanze anbauen, liefern sie dort auch an den Konsumenten. Aber sogar obwohl die Software eigentlich für das kanadische System entwickelt wurde, kann sie das Startup in Kalifornien anbieten. Hintergrund ist, dass das System aus Perspektive der Nutzer aufgebaut wurde und das Team es daher lediglich für andere Unternehmen und Kunden anpassen musste.

krautinvest.de: Und wie sieht es mit dem deutschen Markt aus?

Der deutsche Markt ist unterschiedlich. Er ist hoch reguliert. Die Herausforderung ist: Eine nutzerfreundliche Software zu kreieren, die gleichzeitig Compliance-Informationen bereitstellt und einen Geschäftsvorteil ermöglicht, indem das Inventar kontrolliert und dadurch jederzeit darüber Auskunft geben kann, wo sich alles befindet. Es wird unheimlich wichtig sein, so ein Tool zu haben, dass dich gleichzeitig in deinem Geschäftsbetrieb als auch bei der Befolgung der Regularien unterstützt – das ist der Sweet Spot auf der Software-Seite. Eigentlich sind wir zudem auch daran interessiert, starke Handelsmarken aufzubauen. Das dürfte in Deutschland allerdings schwierig werden, da es ein strikt regulierter medizinischer Markt ist. Was wiederum in Deutschland angewendet werden kann, sind sicherlich Agtech-Lösungen.

krautinvest.de: Ein Mittel, das bisherige Abschneiden von Cannabis-Startups zu messen, ist ihre Unternehmensbewertung. Wie haben sich diese bis dato entwickelt?

Die Unternehmensbewertungen passen sich dem Risiko an. Da das Risiko abnimmt – der Markt entwickelt sich gut und die Möglichkeiten zeichnen sich klar ab -, steigen auch die Bewertungen. Das gilt sogar, wenn man sich Early-Stage-Acceleratoren anschaut. Canopy Boulder, ein Programm aus Colorado, bot zunächst 20.000 US-Dollar für 9,5 Prozent an, was einer Bewertung von 210.000 Dollar entspricht. Wir kamen im vergangenen Jahr mit einer 600.000 US-Dollar-Unternehmensbewertung auf den Markt und bieten nun eine Million Dollar. Ich habe Unternehmen gesehen, die im Seed-Bereich bei einer Bewertung von vier bis acht Millionen US-Dollar Geld einsammeln. Das ist das gleiche Level wie im Tech-Bereich. Gut möglich, dass es bald sogar höher wird als bei Tech. Aber fragt mich erneut, wenn GrowX sein nächstes Term Sheet unterzeichnet hat!

Ben Larson von Gateway über Cannabis-Startups: “Risiko nimmt ab, Bewertungen steigen.”

Ben Larson mit Konrad Lauten vom CannaBusiness Club Berlin auf der Internationalen Cannabis Business Conference. © krautinvest

 

krautinvest.de: Was denkst du persönlich über deutsche Cannabis Startups und ihre Geschäftsansätze?

Es hängt alles davon ab, ob man seine Hausaufgaben gemacht hat. Wir haben einige Bewerbungen aus Deutschland erhalten – die müssen aber lokale Bedürfnisse ansprechen oder sind in ihrer Vision limitiert. Man muss gut informiert sein und man muss wissen, wo man im globalen Wettbewerb steht. Ähnlich wie bei Tech Unternehmen aus Deutschland brauchen wir auch im Cannabis Markt einen Fokus auf die Internationalisierung und die Ausrichtung auf einen globalen Markt. Das erfordert wiederum einen Wettbewerbsvorteil in anderen Märkten. Unsere persönliche Strategie ist daher, dass wir nach Menschen Ausschau halten, die einzigartiges Wissen mitbringen, das bislang noch nicht in der Cannabis-Industrie vorhanden ist. Sprich: Wenn man mindestens ein Problem identifizieren kann und einen entsprechenden Hintergrund hat, dieses Problem auch auf eine einzigartige und wertsteigernde Art und Weise zu lösen, dann ist man interessant für uns.

krautinvest.de: Werdet ihr denn eure Aktivitäten in Europa steigern?

Wir sitzen nicht nur im Silicon Valley aufgrund des Tech-Aspekts. Im Süden von San Francisco haben wir top Bio-Science-Unternehmen und im Norden haben wir Napa Valley und Humboldt County. Es gibt also eine komplette Sammlung an Wissen. Wir haben Entrepreneure, die vorher bei Oracle oder SpaceX gearbeitet haben. Das sind interessante Möglichkeiten. Zudem ist das Netzwerk, das wir im Silicon Valley aufgebaut haben einer der Kernwerte unseres Accelerators. Daher haben wir, Stand jetzt, keine Absicht nach Europa zu gehen. Aber ich schaue mich gerne auf anderen Märkte um, um zu sehen, was dort los ist und auch um zu rekrutieren. Für mich ist es entscheidend, vom globalen Markt das beste abzugreifen.

krautinvest.de: Vielen Dank für das Gespräch, Ben.

Ben auf Twitter: @pitchtoben

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