Becanex: Von Hight-Tech-Food zu High-Tech-Pharma

by Moritz Förster

Von den Unternehmen, die vor vier Jahren noch vom großen CBD-Hype in Deutschland träumten, sind viele verschwunden. Novel-Food stellt sich als Dauer-Baustelle heraus. Die Entkriminalisierung legt den Fokus auf THC. Und viele der Cremes erfüllten nicht die Erwartungen der Konsument:innen. Als Dienstleister mischte auch Becanex frühzeitig mit bei CBD: Im April 2021 erhielt das Unternehmen 227.000 Euro Fördergelder vom Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) um eine cannabinoidhaltige Emulsion für Lebensmittel zu entwickeln – der Fokus lag vor allem auf der Extraktion von CBD. Im Juni 2021 folgte eine Förderung durch die Investitionsbank Berlin Brandenburg (IBB) in Höhe von 765.000 Euro. Diesmal im Fokus nicht mehr CBD, sondern Terpene. Denn anders als CBD, so die Hoffnung, seien Terpene “frei vermarktbar”. Doch vor allem entpuppten sich Terpene in den folgenden Jahren auch als wesentliches Alleinstellungsmerkmal für medizinische Cannabis-Arzneimiittel. Rückblickend dürfte die IBB-Förderung damit zukunftsweisend für die Becanex gewesen sein. Das Unternehmen hat sich inzwischen als GMP-zertifiziertes pharmazeutisches Unternehmen aufgestellt. Die Forschung an der Extraktionen von Terpenen, obwohl ursprünglich für den Lebensmittelbereich gedacht, dürfte sich für diese Transformation als Glücksfall entpuppt haben. Im Dialog mit Sebastian Kamphorst, CEO und Founder von Becanex.

krautinvest.de: Ihr habt euch im April 2021 als “High Tech Food”-Startup bezeichnet. Damals auch, weil ihr gerade vom ZIM eine Förderung erhalten hattet, um an CBD-Emulsion für Lebensmittel zu forschen. Erfolgreiche Novel-Food-Anträge lassen aber immer noch auf sich warten. Inzwischen habt ihr eine Produktionserlaubnis für Arzneimittel erhalten. Würdet ihr euch immer noch als “High-Tech-Food”-Unternehmen betiteln?

Sebastian Kamphorst: Mit unserer GMP-Zertifizierung als pharmazeutisches Unternehmen sind wir noch einen Schritt weiter gegangen. Durch gezielte Investitionen in unsere Produktion in Deutschland bieten wir heute einen Cannabisextrakt mit überlegener Wirkstoffzusammensetzung für den Einsatz in medizinischen Therapien an. Unser Portfolio unterteilen wir in Rohextrakte mit 70% THC-Gehalt sowie eingestellte Cannabisextrakte nach DAB-Monographie. Dabei besteht unser Rohextrakt zu 100 % aus Cannabis ohne jegliche Trägerstoffe und ist damit für den Vaping-Einsatz geeignet. Er entspricht den Anforderungen für Inhalation (Ph. Eur. 5.1.4.) sowie der DAB-Monographie für Eingestellte Cannabisextrakte.

krautinvest.de: Wo bleibt aber der Food-Aspekt…?

Sebastian Kamphorst: Wir haben unseren Hightech-Anspruch in ein herausforderndes, aber gesetzlich reguliertes Umfeld übertragen. Unsere Kunden sind jetzt Pharmaunternehmen, die dank der pflanzenidentischen Beschaffenheit unserer Extrakte neue, steuerbare Optionen für Cannabis-Therapien anbieten können.

krautinvest.de: In der Medizin überwiegen immer noch Cannabis-Blüten. Extrakte wurden hoch gepriesen, doch die Akzeptanz bei Patient:innen ließ lange auf sich warten. Auch weil sie in Relation zu Blüten vergleichsweise teuer sind. Zuletzt stieg die Nachfrage nach Extrakten an. Wie bewertest du die Entwicklung im letzten Jahr?

Sebastian Kamphorst: Die positive Entwicklung der Extrakte können wir bestätigen. Wir haben Feedback von Ärzten erhalten, dass mehr als die Hälfte der heutigen Cannabispatienten von der Blüte auf vapbare Extrakte umsteigen würden. Voraussetzung ist natürlich, dass die Zusammensetzung und Wirkung des Extrakts mit der der Blüte vergleichbar wäre. Bei Blüten reden wir auch nicht nur über THC und CBD-Werte, die Kraft liegt im Entourage-Effekt mit der Vielzahl von Terpenen und Flavonoiden. Den bringen wir in das Extrakt und das ist die Lücke, die wir schließen. Da die Blüte unser Ausgangsmaterial ist werden wir durch die weiteren Prozessschritte immer höhere Kosten im Vergleich zur Blüte haben. Für mich stellt sich auch nicht die Frage nach entweder Blüte oder Extrakt. Das Extrakt bietet sowohl Arzt als auch Patient mehr Möglichkeiten in der Therapie-Gestaltung und der präferierten Einnahme.

krautinvest.de: Ihr versprecht, “die Blüte in die Flasche mit dem Entourage-Effekt” zu bringen. Wie?

Sebastian Kamphorst: Bisherige Extraktions-Verfahren mit CO2 oder Ethanol haben den Nachteil, dass am Prozessende eine Reinigung vorgenommen werden muss. Dabei werden wertvolle pflanzliche Wirkstoffe ausgewaschen und das finale Extrakt stammt zwar aus der Blüte, besitzt aber nicht das gleiche Wirkstoff-Profil. Unser 1-Step-Extraktions-Verfahren kommt mit niedrigen Temperaturen und niedrigem Druck aus, um ohne nachgelagerte Reinigung ein unverfälschtes Extrakt zu produzieren. Damit bringen wir pflanzenidentische Extrakte auf den Markt, die zum einen die bekannten THC/CBD Verhältnisse aufweisen, ergänzend jedoch unterschiedliche Terpenschwerpunkte bieten – exakt wie die der Blüte.

“Extrakt ist nicht gleich Extrakt.”

krautinvest.de: Dass ist das sagt, als ein Unternehmen, das auf Extrakte spezialisiert ist, ist naheliegend…

Sebastian Kamphorst: Extrakt ist nicht gleich Extrakt. Es gibt mehr als 250 Blüten für verschiedene Indikationen, aber bei Extrakten gilt heute immer noch „one fits all“. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wer zukünftig weiterhin nur auf die voreingestellten Verhältnisse von CBD und THC wert legt, nutzt nicht das volle therapeutische Potential der Cannabis-Pflanze. Wir erweitern unseren COA um quantifizierte Werte für die drei Leitterpene, um die Therapie mit Extrakten deutlich zu verbessern. Die erweiterte Datenbasis ermöglicht es Ärzten ab sofort, neben den beiden Cannabinoiden THC und CBD auch die Werte der enthaltenen Leitterpene gezielt zur Therapiesteuerung heranzuziehen.

krautinvest.de: Ihr sprecht von einer “Internationalisierung”, welche Märkte beliefert ihr aktuell?

Sebastian Kamphorst: Im Juli 2024 startet die Auslieferung erster Extraktsorten in Deutschland. Zugleich erwarten wir im Laufe des Jahres die Markteinführung unserer Extrakte sowohl in Südamerika als auch in Afrika. Von Beginn an wird das gesamte Produktportfolio lieferbar sein: eingestellte Cannabisextrakte mit verschiedenen Stärken und Terpenschwerpunkten als auch Rohextrakte mit 70% THC und wiederum unterschiedlichen Terpenschwerpunkten. Für Portugal, Polen und Tschechien stehen wir in fortgeschrittenen Verhandlungen, so dass eine Markteinführung in 2025 erfolgen kann.

krautinvest.de: Andererseits ist auch der Markt für Extrakte inzwischen kompetitiv: Könnt ihr mit Anbietern aus dem Ausland preislich konkurrieren?

Sebastian Kamphorst: Die Pharmabranche steht, wie alle anderen Branchen in Deutschland, im Preiswettbewerb mit Anbietern aus dem Ausland. Das ist keine Cannabis-spezifische Herausforderung. Austauschbare, einfache Produkte werden eher im Ausland hergestellt, hierzu zählen wir Ethanolextrakte. Anspruchsvollere Prozesse bleiben in Deutschland. Gerade im Pharmabereich ist „Made in Germany“ vor allem aus regulatorischer Sicht und wegen der Produktsicherheit ein großer Vorteil. Es bietet aber auch den Vorteil sehr transparent in einer jungen Branche zu agieren. In Kooperation mit dem Medical Cannabis Kongress im Mai bieten wir eine Betriebsbesichtigung an. Wir laden Ärzte und Apotheker zu uns in die Betriebsstätte nach Berlin ein, zeigen die Produktion und erläutern die Produkte. Das Interesse unsere Extrakte zu verstehen ist riesig und wir werden zukünftig regelmäßig unsere Produktion öffnen. Zudem forschen wir derzeit an neuen Applikationen. In Deutschland gibt es vielfältige Kooperationsmöglichkeiten mit spezialisierten Unternehmen. Das gerade verabschiedete Medizinalcannabisgesetz gibt uns als produzierendem Unternehmen wesentlich mehr Freiheiten, so dass wir derzeit den Standort Deutschland als klaren Wettbewerbsvorteil sehen.

krautinvest.de: Zurück zum Thema Lebensmittel: Wie unterscheidet sich eure medizinische Produktion zu eurer Idee von einst, CBD als Lebensmittel zu produzieren?

Sebastian Kamphorst: Unsere Gründungsidee war es, die Kraft des Entourage-Effekts durch ein pflanzenidentisches Extrakt nutzbar zu machen. Und dank unserer innovativen 1-Step-Extraction ist uns das gelungen. Food war unser Startpunkt und wir sehen weiterhin die Potentiale. Dafür müssen aber die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Mit der Umstellung des Qualitätsmanagementsystems und Erhalt der Herstellungserlaubnis nach EU-GMP haben wir uns zukunftssicher aufgestellt Mit Blick ins Ausland, z.B. die USA oder Kanada ist dort viel mehr möglich als hier. Dort darf man die Pflanze in Einzelteile zerlegen und wieder zusammenmischen. Also Isolate mit Geschmacks- und Geruchsstoffen sowie Vitaminen versetzen. Die Herstellung der jeweiligen Isolate ist günstig und technisch verhältnismäßig einfach. Hersteller dort mengen zum Beispiel Isolate in Fruchtgummies um so den Entourage-Effekt „herzustellen“. Dies kann aber aus unserer Sicht nie die Natur ersetzen, ein frisch gepresster Orangensaft ist und bleibt auch immer etwas völlig anderes als ein Mix aus Vitaminen und Geschmacksstoffen in Wasser gelöst. Im pharmazeutischen EU-GMP Bereich ist jegliche Beimischung von Isolaten untersagt und wird in Deutschland auch sehr streng kontrolliert, es kommt einzig auf die Extraktion an.

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