Versorgungssicherheit im Cannabismarkt. Ein Plädoyer für den Online-Shop

by Gastautor

Ein Gastbeitrag von Niklas Kouparanis

Dank des vorliegenden Cannabiskontrollgesetzes, das die Grünen 2018 vorgestellt haben, dürfte der neuen Bundesregierung viel Arbeit auf dem Weg zum legalen Cannabismarkt erspart bleiben. Der vorliegende Entwurf ist eine ausgezeichnete Grundlage, an der ein oder anderen Stelle muss aber noch nachjustiert werden: insbesondere das Verbot des Versandhandels ist kontraproduktiv. Der Online-Verkauf kann sich als Schlüsselmoment für flächendeckende Versorgungssicherheit entpuppen.

Besinnen wir uns einmal auf die primären Ziele eines Cannabis-Kontrollgesetzes und damit verbunden dem legalen Cannabismarkt: Im Vergleich zum Schwarzmarkt soll der Jugendschutz gewährleistet werden und Konsumenten erhalten sichere wie recht standardisierte Produkte; sie wissen genau, was ihre Cannabis-Produkte enthalten. Zugleich nimmt der Staat Steuern ein, die er wiederum in Suchtprävention und Aufklärung investieren kann. Soweit so gut.

In der Praxis, so zeigt es sich beispielsweise in Kanada, warten aber einige Stolperfallen. Der Schlüssel für den Erfolg ist schlussendlich die Attraktivität des legalen Marktes im Vergleich zum Schwarzmarkt. Wir sollten nicht vergessen, dass bisherige Konsument:innen ihre jahrelangen Routinen ändern müssen.

Was bedeutet nun Attraktivität?

  • Ganz zentral: Die Entfernung bis zum nächsten Fachgeschäft. Steht der Dealer an der nächsten Ecke, das Fachgeschäft aber ist eine halbe Stunde Autofahrt entfernt – und im Worst-Case mit dem ÖPNV gar nicht zu erreichen, werden Konsumenten ihrem Dealer treu bleiben. Legalisierung hin oder her.
  • Besonders kritisch in diesem Zusammenhang: Paragraph 21, Absatz 2 besagt: “Die Länder können Mindestabstände zwischen Cannabisfachgeschäften sowie Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl von Cannabisfachgeschäften festgelegen.” Was nun, wenn in Bayern nur eine Handvoll Fachgeschäft eröffnen dürfen? Auf diesem Wege erreicht die Bundesregierung sicherlich nicht ihre auf dem Papier lobenswerten Ziele.
  • Preis: Im Cannabiskontrollgesetz heißt es: “Mit einer Verbrauchsteuer auf Cannabis soll sichergestellt werden, dass der Bruttoverkaufspreis den bisherigen Straßenverkaufspreis von Cannabis nicht unterschreitet.” Aber: Wenn der Preis deutlich über dem Schwarzmarktpreis liegt, werden Konsument:innen sich im Zweifel für die günstigere Variante entscheiden. Als Ziel gilt daher ein Verkaufspreis von zehn Euro je Gramm, analog zum Schwarzmarkt. Aktuell kursieren Quoten von 6:4, sechs Euro je Gramm gingen also an den Staat. Eine ambitionierte und diskussionswürdige Steuerpolitik, die die Wertschöpfungskette unter Druck setzt.

Nun besagt Paragraph 11, Absatz 2: “Der Verkauf von Cannabis an Privatpersonen im Wege des Versandhandels ist nicht erlaubt.” Einfacher ausgedrückt: Konsument:innen können nur in stationären Shops, nicht aber online legal Cannabis einkaufen. Wieso das?

Denn, wer eins und eins zusammenzählen kann, stellt fest: Für die flächendeckende Versorgung wäre ein Online-Verkauf eine pragmatische, einfache und effiziente Lösung. Gerade in ländlichen Regionen ist es ohnehin fraglich, ob sich Fachgeschäfte angesichts der ambitionierten Steuervorstellungen der Regierung rentieren werden. Der Schwarzmarkt droht, in die Peripherie abzuwandern. Nicht so allerdings, wenn der Postbote jeden noch so entlegenen Winkel der Republik beliefert.

Nun kann man der Bundesregierung natürlich zugutehalten, dass sie die Lizenzvergabe an Fachgeschäfte an feste Kriterien koppeln wird: Ausgebildete Fachverkäufer, Jugendschutz – also strenge Einlasskontrollen am Eingang – und Aufklärung sieht das Cannabiskontrollgesetz vor. Erneut stellt sich die Frage: Wieso sollte dies Ausschlusskriterium für den Versandhandel sein? Wenn selbst Banken online-ID-Prüfungsverfahren anwenden, sollte es auch für Cannabis-Shops ein leichtes sein, zu gewährleisten, das Alter der Käufer:innen zu kontrollieren. Die Marketing- und Werberichtlinien lassen sich ebenso regelkonform im Online-Shop abbilden wie stationär. Und dass sich Käufer:innen bei Fragen an einen geschulten Customer Service wenden können, ist ebenfalls kein Hexenwerk.

Jeder der den gesunden Menschenverstand walten lässt, kommt daher rasch auf die einzige logische Konsequenz: Gerade der Versandhandel ist der Weg, damit die Bundesregierung ihre Ziele auf effizientem Wege erreicht. Übrigens auch der einzige Weg, um ihre angestrebten Steuereinnahmen zu verwirklichen. Denn wenn Preise und Erreichbarkeit abschrecken, bleibt es bei einer “pro-forma-Legalisierung”. Durch die eher ein paar Millionen denn Milliarden in die öffentlichen Kassen fließen.

Es wäre fahrlässig, wenn Deutschland das Potenzial der Digitalisierung einfach verschenkt und womöglich erst zu einem späteren Zeitpunkt von analogen auf digitale Wege umsteigt. Im Gesundheitssystem erleben wir aktuell, wie viel Aufwand mit einem Wechsel von der analogen in die digitale Welt verbunden ist. Die entscheidende Frage in einem komplett neuen legalen Cannabismarkt lautet daher: Wieso packen wir es nicht einfach von Anfang an richtig an?

Niklas Kouparanis zählt hierzulande zu den Pionieren in der Cannabis-Industrie. Er baute mehrere Cannabis-Unternehmen auf und konnte zuletzt mit der Bloomwell Group, zu der mit Algea Care auch Europas führendes Telemedizin-Unternehmen für medizinisches Cannabis gehört, das bis dato höchste Seed-Funding eines medizinischen Cannabis-Unternehmens in Europa einsammeln (zehn Millionen US-Dollar). Mit Measure 8 Venture Partners investierte auch ein führender auf Cannabis spezialisierten Kapitalgeber aus den USA.

Hinweis: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

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