Pia Marten zur Legalisierung: Aufbauen auf den Erfahrungen der Medizinalcannabis-Versorger

by Lisa Haag

krautinvest.de hat bei Pia Marten, CEO und Co-Founder Cannovum AG nachgefragt

Cannabis-Konsumenten und Anleger im grünen Markt jubeln, seitdem die Ampel-Koalition bekannt gab, den Freizeitkonsum von Cannabis in Deutschland legalisieren zu wollen. Dieser historische Richtungswechsel in der Drogenpolitik zielt darauf ab, im Sinne eines verbesserten Konsumentenschutzes die Qualität der gebrauchten Cannabis-Produkte zu sichern, den Schwarzmarkt auszutrocknen und einen adäquaten Jugendschutz bzw. Harm-Reduction-Ansatz zu implementieren. 

Damit nähert sich die Politik der Faktenlage: Laut Statistischem Bundesamt haben im Jahr vor Inkrafttreten des Gesetzes ‘Cannabis als Medizin’ 14% der Bevölkerung aus der Altersgruppe 15-34 Cannabis konsumiert. Anstelle patronisierender Verbotspolitik, die offensichtlich nicht wirkt, will man zukünftig auf Aufklärung und Eigenverantwortung setzen, um einen vernünftigen Umgang mit dem pflanzlichen Rauschmittel zu finden. Mit dem wichtigen Signal aus Deutschland könnte bald auch im übrigen Europa eine Legalisierung von Cannabis vorangetrieben werden. 

Viele Unternehmen, die bisher lediglich im Bereich des medizinischen Cannabis tätig waren, stellen bereits die Weichen, um ebenfalls ihren Eintritt in den Markt für den Freizeitkonsum vorzubereiten. Darunter auch: die Cannovum Aktiengesellschaft, welche hierzulande bereits eine wichtige Rolle im medizinischen Markt einnimmt. Wir haben mit Pia Marten, Geschäftsführerin und Mitgründerin der Cannovum AG, gesprochen und gefragt, wie sie die aktuelle Situation einschätzt.

krautinvest.de: Hallo Pia. Aufregende Zeiten für die Cannabis-Industrie. Wie schätzt Du die Entscheidung zur Legalisierung ein und was sind jetzt die wichtigsten Themen? 

Pia Marten: Ich halte die Legalisierung für eine gute Entscheidung der Bundesregierung, die die gesellschaftliche Realität anerkennt. Denn durch eine verantwortungsvolle Umsetzung können Themen wie Jugend- und Verbraucherschutz effektiv angegangen werden. Hier kann man sich am medizinischen Cannabis-Markt orientieren, um Verbrauchern ein sicheres und qualitativ hochwertiges Produkt anbieten zu können. 

Was die Regularien für den Recreational-Markt betrifft, gibt es aber auch noch viele ungeklärte Fragen, zum Beispiel wie wir es schaffen, dass Patienten auch weiterhin ihre Cannabis-basierten Therapien von den Krankenkassen erstattet bekommen und wie Erstattungsangebote sogar noch ausgebaut werden können. 

krautinvest.de: Welche Unterschiede siehst Du im Genussmittelbereich im Vergleich zu Cannabis als Medizin? Welche Gemeinsamkeiten?

Pia Marten: Die beiden gemeinsamen Nenner sind für mich die Qualitätsanforderungen und die Aufklärungsarbeit. Um Verbrauchern ein sicheres Produkt zu bieten und vor eventuell gesundheitsschädlichen Streckmitteln zu schützen, sollten wir die höchstmöglichen Qualitätsstandards festlegen und uns dabei am pharmazeutischen Markt orientieren.

Eine große Aufgabe, die sowohl im medizinischen als auch Genussmittelbereich gestemmt werden muss, ist die flächendeckende Aufklärung: leider sind Cannabis und sein therapeutisches Potenzial nur selten Teil der medizinisch-pharmazeutischen Ausbildung, sodass hier ein großer Weiterbildungsbedarf besteht. Darum kümmern sich aktuell hauptsächlich Cannabis-Unternehmen wie wir, indem wir beispielsweise eine virtuelle Weiterbildungsplattform, die ‘Cannovum Medical Education’, aufbauen und personalisierte Workshops geben. 

Wenn ich an die von der Regierung angekündigten lizenzierten Fachgeschäfte denke, frage ich mich: Wer wird die verkaufende und beratende Position einnehmen? Und wie wird die jeweilige Ausbildung dazu aussehen, um Konsumenten adäquat über Wirkung und Dosierung, aber auch eventuelle Gefahren bzw. Risiken aufzuklären? 

Wir benötigen sehr gut ausgebildetes Verkaufspersonal, um die Legalisierung verantwortungsvoll umzusetzen und zusätzlich eine breit angelegte Aufklärungs-Strategie für die Gesellschaft. 

Unterschiede sehe ich vor allen Dingen im Zugang zu Cannabis als Medizin und Cannabis als Genussmittel. Patienten dürfen nicht durch eine Legalisierung benachteiligt werden.

krautinvest.de: Welche Auswirkungen hat eine Legalisierung Deiner Meinung nach für Patienten? 

Pia Marten: Hier sehe ich zwei sehr wichtige Aspekte. Zum einen müssen wir bei der Regulierung von Cannabis als Genussmittel unbedingt darauf achten, dass Patienten auch weiterhin Zugang zu Cannabis-basierten Therapien haben und hier Erstattungsmöglichkeiten durch die Krankenkassen gegeben sind. Die Rede ist dabei von Patienten, die bereits auf diese Therapieform eingestellt sind, dadurch insgesamt viel Lebensqualität zurückgewinnen und teils andere nebenwirkungsreiche Medikamente reduzieren konnten. 

Zum anderen bietet sich mit der Legalisierung die große Chance, gesellschaftliche Vorbehalte und Stigmata gegenüber Cannabis und auch den Patienten weiter abzubauen, und vermehrt über das Potential von Cannabis-basierten Therapien aufzuklären. 

krautinvest.de: Was sollten Unternehmen tun, um den Zugang zu Cannabis als Medizin auch nach einer Legalisierung zu sichern? Was der Gesetzgeber?

Pia Marten: Ich sehe die Verantwortung, den Zugang zu Cannabis als Medizin zu erhalten, ganz klar beim Gesetzgeber. Wir auf Unternehmerseite können Patienten nur weiterhin versorgen, wenn die Gesetzeslage dazu gegeben ist. Eine unserer Aufgaben wird jetzt sein, laut zu werden und unsere Bedenken zu äußern, bevor die Politik anfängt über die Regulierung zu diskutieren: Die Regulierung von Cannabis als Genussmittel muss so geplant werden, dass Patienten weiterhin nicht nur Zugang zu Cannabis-basierten Therapien, sondern auch die Möglichkeit der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen haben werden. 

Wenn die Regulierung sauber aufgesetzt wird, sehe ich eine riesengroße Chance für Cannabis als Medizin. Die Legalisierung führt zu einer flächendeckenden, intensiven Beschäftigung mit Cannabis, wie die politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der letzten Monate bereits zeigen. Das könnte dazu beitragen, Vorbehalte gegenüber Cannabis zu verringern und den therapeutisch-medizinischen Einsatz positiv zu beeinflussen. Dazu gehören neben einem vereinfachten Therapiezugang auch Verbesserungen der Weiterbildungsangebote für medizinisches Fachpersonal, der Forschung zu Anwendungsgebieten und Wirkweisen. Ich bin optimistisch, dass wir eine positive Entwicklung für Patienten erleben werden 

krautinvest.de: Mit welchen Entwicklungen rechnest Du zu Cannabis als Medizin nach Ablauf der Begleiterhebung?

Pia Marten: Erst einmal bin ich gespannt darauf, die vollständigen Daten der Erhebung zu sehen und auswerten zu können. Ich erhoffe mir natürlich, dass aufgrund der in der Begleiterhebung aufgeführten Indikationsliste und den Daten der Therapieentwicklung über 5 Jahre Vorbehalte abgebaut werden können. Daraus könnte sich ein vereinfachter Zugang für Patienten zu Cannabis-basierten Therapien ergeben. Wenn wir uns die bisherigen Daten der Begleiterhebung ansehen, können wir beispielsweise bei der Indikation Schmerz sehen, dass Patienten während ihrer Cannabis-Therapie andere Schmerzmittel reduzieren konnten. Ich würde mir wünschen, dass diese Ergebnisse und andere potenziell positiven Therapieerfolge zur Folge haben, dass nach 5 Jahren endlich auch die Lehrpläne an den medizinisch-pharmazeutischen Fakultäten angepasst und Cannabis-basierte Therapien mit aufgenommen werden.

Ich denke, inwieweit sich die Situation für Patienten und Cannabis als Medizin entwickeln wird, hängt stark von den Veränderungen der Legalisierung von Cannabis als Genussmittel ab und wie die Patientenlage bei der Aufstellung der Regulatorik bedacht wird. Denn eins ist klar: Patienten, die jetzt Zugang zu Cannabis-basierten Therapien haben, müssen diesen auch behalten!

krautinvest.de: Was können wir aus den Erfahrungen mit den Patienten für eine mögliche Legalisierung mitnehmen?

Pia Marten: Um eine Legalisierung von Cannabis als Genussmittel verantwortungsvoll umzusetzen, sollte man sich an den Regularien und Vorgaben, die auf dem pharmazeutischen Markt bestehen, orientieren. Ich denke dabei an die Konsumenten. Es sind zwingend hohe Qualitätsstandards erforderlich, um Verbraucher vor dem Gesundheitsrisiko durch verunreinigtes Cannabis zu schützen. Dazu gehört eine regulierte Wertschöpfungskette, die vom Anbau, der Produktion bis hin zum Vertrieb, gemäß GMP-Standards streng und regelmäßig kontrolliert wird.

Des Weiteren sollten Konsumenten präventiv aufgeklärt und sensibilisiert werden, was Risiken und Suchtgefahren betrifft. Dazu gehört auch, dass für die Fachkräfte genügend vollumfängliche Weiterbildungsangebote entstehen, damit eine fundierte Beratung von Konsumenten überhaupt stattfinden kann. Außerdem ist es notwendig, einen effektiven Jugendschutz durch eine regulierte und kontrollierte Abgabe an Erwachsene zu gewährleisten. 

Über Pia Marten:
Pia Marten ist CEO & Co-Founder der CANNOVUM AG, einem voll lizenzierten pharmazeutischen Großhändler, Hersteller und Importeur von hochwertigem Medizinalcannabis. Pia hat Ihre Karriere der Nachhaltigkeit gewidmet und zuvor das operative Geschäft für regenerative Energien eines deutschen Solarunternehmens  geleitet. Pia setzt sich dafür ein, dass jeder Patient Zugang zur bestmöglichen Therapie erhält. 

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