Ein Gastbeitrag von Silvia von Pistor ist Chief Innovation Officer (CIO) der Canify AG
Die Cannabis-Industrie steht an einem Wendepunkt: Mit der Einführung der neuen Europäischen Pharmakopöe-Monografie 3028 für Cannabisblüten erleben wir einen Paradigmenwechsel in der Qualitätssicherung und Standardisierung von medizinischem Cannabis. Welche Konsequenzen hat das für die Hersteller?
Die Monografie 3028: Herausforderungen und Chancen
Die neue Monografie bringt spezifische Änderungen mit sich, die die Branche vor erhebliche Herausforderungen stellt. Eine der kritischsten Anforderungen ist das Verbot von Samen im Produkt. Dies erfordert eine akribische Qualitätskontrolle, da Samen oft in den Blüten versteckt sind und erst während des Transports oder der Verpackung sichtbar werden können. Zudem wurden strenge Definitionen für Stängel und Blätter eingeführt, wobei die zulässigen Größen nun stärker limitiert sind. Daraus resultiert eine notwendige Anpassung der Ernte- und Verarbeitungsprozesse.
Auch das neue Messverfahren für THC-CBD-Werte schafft Veränderungen: Die Umstellung auf diese Methodik erfordert eine Neuvalidierung der Laborprozesse und die Beschaffung neuer Referenzstandards. Was auf den ersten Blick als Hindernis erscheinen mag, bietet nun die Chance, die Qualität und Sicherheit von medizinischem Cannabis auf ein noch höheres Niveau zu bringen.
Der Standard 5.1.8 B: Warum man auf höchste Qualität setzen sollte
Wir bei Canify haben uns dazu entschieden, den strengeren Standard 5.1.8 B einzuhalten, der auch von der Cannabisagentur des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verwendet wird. Dieser anspruchsvolle Standard entspricht auch dem Niveau, das in vielen umliegenden Ländern und von internationalen Behörden verwendet wird.
Gleichzeitig ist er strenger als die Standards 5.1.8 A oder C, ohne die extremen Anforderungen von 5.1.4 zu erfüllen, die oftmals nur durch Bestrahlung erreicht werden können. Unsere Entscheidung für diesen höheren Standard basiert auf der Überzeugung, dass medizinisches Cannabis als pharmazeutisches Produkt behandelt werden muss, mit all den damit verbundenen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen.
Verbesserte Vergleichbarkeit und Transparenz
Die neue Methode zur Ermittlung des Cannabinoid-Gehalts führt zu einer besseren Vergleichbarkeit der Werte über Ländergrenzen hinweg. Dies ist ein entscheidender Schritt für die Qualitätskontrolle und der Transparenz gegenüber Ärzten und Patienten. Produkte aus verschiedenen Ländern werden nun nach dem gleichen Verfahren getestet, was eine einheitliche Bewertung ermöglicht. Diese Harmonisierung trägt wesentlich dazu bei, das Vertrauen in medizinische Cannabisprodukte zu stärken und ihre Akzeptanz in der medizinischen Gemeinschaft zu erhöhen.
Mikrobiologische Belastung: Ein zentraler Ansatz zur Qualitätssicherung
Trotz fehlender einheitlicher Regelungen zur mikrobiologischen Belastung sollten Unternehmen auf strenge interne Standards setzen. Für Canify sind niedrigere Standards inakzeptabel, auch bei Importen aus Ländern mit anderen Grenzwerten. Alle unsere Produkte müssen die europäischen bzw. unternehmenseigenen Standards erfüllen, die oft über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen. Um dies zu gewährleisten, führen wir persönliche Überprüfungen der Anbauer vor Ort durch.
Ein umfassendes Risikomanagement und regelmäßige Abstimmungen mit den zuständigen Behörden sind integraler Bestandteil unseres Qualitätssicherungsprozesses. Dieser ganzheitliche Ansatz ermöglicht es uns, konsistent hochwertige Produkte zu liefern und gleichzeitig flexibel auf neue regulatorische Anforderungen zu reagieren.
Abgrenzung zum Freizeitmarkt
Die Einhaltung dieser strengen Standards ist für uns nicht nur eine regulatorische Notwendigkeit, sondern auch ein klares Bekenntnis zur medizinischen Ausrichtung unserer Produkte. Wir verstehen die Verantwortung, die mit der Versorgung vulnerabler Patientengruppen einhergeht, und setzen daher auf zuverlässige, gleichbleibend hohe Qualität. Unser Fokus liegt ausschließlich auf den Bedürfnissen von Patienten im Gesundheitssystem, was sich in der Einhaltung höherer Standards als der Mindestanforderungen widerspiegelt.
Fazit und Ausblick
Die Einführung der neuen Monografie und die damit verbundenen strengeren Standards markieren einen wichtigen Schritt in der Professionalisierung der medizinischen Cannabis-Industrie. Bei Canify sehen wir es als unsere Aufgabe an, diese Standards nicht nur zu erfüllen, sondern aktiv an ihrer Weiterentwicklung mitzuwirken. Die Herausforderungen, die diese neuen Anforderungen mit sich bringen, sind erheblich. Doch sie bieten auch die Chance, das Vertrauen in medizinisches Cannabis weiter zu stärken und seine Akzeptanz in der medizinischen Gemeinschaft weiter zu erhöhen. Unser Ziel ist es, Medizinal-Cannabis als zuverlässige und sichere Behandlungsoption zu etablieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten zu leisten.
Über die Autorin
Silvia von Pistor ist Chief Innovation Officer (CIO) der Canify AG, einem der führenden Hersteller für medizinisches Cannabis in Deutschland. Mit mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Pharmabranche, darunter über 20 Jahre bei der Grünenthal Gruppe und knapp vier Jahre bei Tilray Medical Europe, bringt sie umfassende, internationale Zulassungsexpertise im regulatorischen Bereich in die Cannabis-Industrie ein. Seit August 2023 treibt sie bei Canify Innovationen und Qualitätsstandards voran. Die Canify AG hat sich innerhalb eines Jahres als profitables Unternehmen in der deutschen Cannabis-Industrie etabliert und verfügt über eine GMP-konforme Produktionsstätte in Bayern.
Disclaimer: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.
Bildquellen
- Silvia von Pistor: Canify