Neue Ausschreibung: IKK Classic kündigt Rabattverträge mit Cannabisunternehmen

by Redaktion

Drei Unternehmen sollen Rabattverträge für Medizinalcannabis abgeschlossen haben, berichtete kürzlich Apotheke Adhoc. Unter den Anbietern auch Adrexpharma. Doch dann das: Kurz nachdem Adrexpharma seinen Coup öffentlich per Pressemitteilung verkündet, teilt die IKK Classic gegenüber krautinvest.de mit, die bestehenden Rabattverträge mit Adrexpharma und Remexian Pharma zu kündigen und neu auszuschreiben.

Am letzten Donnerstag ließ Adrexpharma per Pressemitteilung verlauten, als erstes deutsches Pharmaunternehmen mit mehreren gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) Rabattverträge für Cannabisextrakte und -blüten abgeschlossen zu haben. Zu den derzeitigen Vertragspartnern gehören demnach die AOK Nordost, IKK classic, KKH und die angeschlossenen Krankenkassen der GWQ Plus Service AG. Verhandlungen mit weiteren GKV, so Adrexpharma, stehen kurz vor dem Abschluss. Die Idee dahinter: Arzneimittelhersteller räumen den Krankenkassen über die Verträge Rabatte ein und werden im Gegenzug “partnerschaftliche Lieferanten” der Krankenkasse. Für die GKV könne die cannabisbasierte-Therapien dadurch wirtschaftlicher werden.

Der Medizinische Dienst der Kassen (MDK) lehnt auf Basis des Genehmigungsvorbehalts laut Apotheke Adhoc ein Drittel der Anträge ab. Der Antrag gilt als bürokratisch und zeitintensiv. Mario Eimuth, Gründer von Adrexpharma: „Unsere Rabattverträge entlasten die GKV substanziell. Als entscheidendes Puzzleteil im Gesamtbild der Cannabis-Therapie ermöglichen sie Ärzten zudem eine wirtschaftliche und bestmögliche Patienten-Versorgung. Diese Verträge werden stark dazu beitragen, die Kostenübernahme-Prozesse zu erleichtern.“ Sie dürften auf diesem Wege auch den Wettbewerb intensivieren und über kurz oder lang zu einer Konsolidierung des Marktes führen. IKK Classic teilt krautinvest.de mit, Adrexpharma sei Mitte des Jahres “mit dem Wunsch Rabattverträge gemäß § 130a Abs. 8 SGB V zu Cannabis-Extrakten zu schließen”, “aktiv auf uns zu gekommen”.

Nun allerdings die Rolle rückwärts: Auf Anfrage von krautinvest.de lässt die IKK Classic verlauten: “Auch um den zahlreichen weiteren Vertragsanfragen gerecht zu werden, haben wir uns entschlossen, ein Open House-Verfahren für den Abschluss weiterer nicht-exklusiver Rabattverträge gemäß § 130a Abs. 8 SGB V zu Cannabis-Extrakten und auch zu Dronabinol anzubieten. Die bestehenden Verträge mit Adrexpharma und Remexian werden wir aus diesen Gründen zum 31.01.2022 kündigen. Ziel ist es, neue Rabattverträge mit einer maximalen Laufzeit von 24 Monaten über das Open House-Verfahren abzuschließen. Frühestmöglichen Vertragsstart ist der 01.02.2022.” Eine Veröffentlichung im Europäischen Amtsblatt erwartet die IKK Classic noch in der nächsten Wochen.

Ursprünglich war der die Auftragserteilung laut Vertrag ohne vorherige Bekanntmachung eines Aufrufs zum Wettbewerb im Amtsblatt der Europäischen Union erfolgt. Begründung dafür, dass die Dienstleistungen nur von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer ausgeführt werden könnten: “nicht vorhandener Wettbewerb aus technischen Gründen”. Die IKK Classic betont: Der Rabattvertrag mit Adrexpharma sei ordnungsgemäß im Europäischen Amtsblatt (TED) veröffentlicht worden. In der Folge sei mit der Firma Remexian Pharma GmbH ebenfalls ein Rabattvertrag zu Cannabis-Extrakten mit Start 01.12.2021(Laufzeit 24 Monate) unterzeichnet worden. “Wir möchten darauf hinweisen, dass die IKK Classic zu keinem Zeitpunkt den Wettbewerb blockiert hat. Beide Verträge wurden als nicht-exklusive Verträge geschlossen. Interventionen von anderen Firmen gab es nach Veröffentlichung im Amtsblatt zu keiner Zeit”, heißt es auf Anfrage.

Etwas anders beurteilt man die Sachlage beim Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen. Auf Anfrage heißt es seitens des Verbandes: “Die Auftragsvergabe ohne vorherige Bekanntmachung eines Aufrufs zum Wettbewerb im Amtsblatt der Europäischen Union, wird im Detail mit einem ‚nicht vorhandenen Wettbewerb aus technischen Gründen‘ erklärt. Dies lässt vermuten, dass die Vertragsparteien davon ausgehen, dass die dem Vertrag zugrunde liegenden Produkte in ihrer Form substitutionsfähig, damit austauschbar, sind. Ebendarum fand sehr wahrscheinlich keine Ausschreibung unter Beteiligung anderer Unternehmen statt. Obgleich Cannabisblüten und -extrakte grundsätzlich nicht substitutionsfähig sind, verursacht der Appell des Rabattvertrags an eine wirtschaftliche Verordnung schon jetzt Verunsicherung innerhalb der Ärzteschaft. Grundsätzlich sollten Rabattverträge weder die Therapiehoheit der Ärztinnen und Ärzte, noch die Entscheidung über die Genehmigung einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen beeinflussen.”

In einer Pressemitteilung hatte der BPC zuvor bereits erklärt: “Nach Angaben des Deutschen Apotheken Portals (DAP) dürfen Cannabisblüten und -extrakte in Apotheken nicht ausgetauscht werden. Sofern die verordnete Blütensorte oder der verordnete Extrakt nicht lieferbar sind, dürfen diese nicht durch die Sorte eines anderen Herstellers mit einem ähnlichen oder gleichen THC/CBD-Gehalt substituiert werden. Für die Abgabe einer anderen Blüten- oder Extraktsorte ist eine Rezeptänderung oder ein neu ausgestelltes Rezept aus der Arztpraxis nötig.”

Im Bereich der Rezepturarzneimittel seien Rabattverträge unüblich. “Cannabisblüten und -extrakte mit identischem THC/CBD-Gehalt, aber unterschiedlichem Terpenprofil, sind keine Generika und somit aus medizinischer Sicht nicht austauschbar”, heißt es seitens des BPC: “Eine Austauschbarkeit von Monopräparaten wie Dronabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) ist denkbar. Der Preis für medizinische Cannabis-Arzneimittel ist durch die Hilfstaxe klar geregelt. Rabattverträge erhöhen lediglich das Risiko für Lieferengpässe. Um eine sichere Therapie und Versorgung der Patient:innen mit Cannabisblüten und -extrakten sicherzustellen, sollten diese Arzneimittel von Rabattvertragsausschreibungen ausgeschlossen und auf die Substitutionsausschlussliste gesetzt werden.”

Gegenüber Apotheke Adhoch kritisiert auch Astrid Staffeldt, ehemaliges Vorstandsmitglied des VCA, Rabattverträge für medizinische Cannabisblüten: „Ich halte das für eine Verschlechterung in der patientenindividuellen Versorgung, denn wenn der Rabattvertrag die Sorte vorgibt, haben Arzt und Apotheker keine Therapiehoheit mehr. Außerdem hat Medizinalcannabis den Status eines Rezepturarzneimittels, weshalb ich mich frage, auf welcher rechtlichen Grundlage solche Rabattverträge überhaupt abgeschlossen werden können”, lässt sich Staffeldt zitieren.

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