Cannabis-Legalisierung? So ernst sind den Parteien ihre Wahlkampf-Versprechen

by Moritz Förster

Papier ist bekanntlich geduldig. Nach unserer Analyse der Wahlkampfprogramme und der Arbeit der Fraktionen haben wir daher nochmal nachgefragt: Wie wichtig sind den Parteien ihre Positionen zur Cannabis-Regulierung im Falle einer Regierungsbeteiligung?

Zur Erinnerung: Vier von fünf möglichen Koalitionspartnern fordern in ihren Wahlkampfprogrammen eine Legalisierung von Cannabis. Der Haken: In der konkreten Ausgestaltung reichen die Vorstellungen von Modellprojekten (SPD) über staatliche Abgabestellen (Linke) zu stark regulierten (Grüne) oder weniger stark regulierten Märkten (FDP). Sprich: So oder so müssen sich mögliche Koalitionspartner etwas entgegen kommen.

Die noch größere Baustelle: Mit der CDU tritt die nach aktuellen Umfragen stärkste Partei für ein Aufrechterhalten des aktuellen Verbots ein.

Angesichts von Corona-Krise, Klimawandel und Überschwemmungen: Verzichten die mögliche Koalitionspartner im Koalitions-Geschacher am Ende auf ihre Cannabis-Präferenzen, um woanders zu punkten? Wir haben nachgefragt, ob sich die Wähler auf die Parteien verlassen können. Schließlich dürfte auch der ein oder andere Unternehmer und Investor mit wachem Auge auf einen möglichen Markt für Recreational-Cannabis schielen. Lohnt es sich, sich bereits in Stellung zu bringen?

Die Antworten von Dirk Heidenblut, drogenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion:

krautinvest.de: Können sich Wähler:innen darauf verlassen, dass im Falle der Regierungsbeteiligung der SPD eine Neuregulierung von Cannabis im Koalitionsvertrag aufgenommen und die Neuregulierung in der kommenden Legislaturperiode in die Wege geleitet wird?

Dirk Heidenblut: Die Wähler:innen können sich darauf verlassen, dass für die SPD eine Neuausrichtung der Drogenpolitik Teil der Regierungsarbeit sein wird und dass die Entkriminalisierung und Neuausrichtung für den Bereich Cannabis dazu gehört.

krautinvest.de: Wäre die SPD bereit, die eigenen Standpunkte (Modellprojekte) teilweise aufzugeben zu Gunsten der Präferenzen von Bündnis 90/Die Grünen (strikt regulierter Markt), FDP (vergleichsweise freier Markt) oder Die Linke (nicht-kommerzielle Bezugspunkte)?

Dirk Heidenblut: Über mögliche Koalitionen und mögliche Fragen der Verhandlungsführung werde ich hier ganz sicher nicht spekulieren. Das wäre auch für jegliche Verhandlung völlig unklug. Aber ich bin mir sicher, dass es unter den Parteien, die für eine Neuausrichtung sind, einen gemeinsamen Willen gibt, diese auch zu erreichen.

krautinvest.de: Wäre die SPD auch bereit, in einer möglichen Koalition mit der CDU/CSU auf Modellprojekte weiterhin zu verzichten?

Dirk Heidenblut: Auch hier gilt das zur vorigen Frage Ausgeführte. Ganz grundsätzlich haben wir unser Programm klar formuliert und wollen es in jedem Punkt 1 zu 1 umsetzen.

krautinvest.de: Unter welchen Bedingungen wäre die SPD bereit, Standpunkte der anderen Parteien zu akzeptieren? Gibt es Präferenzen zu den verschiedenen Positionen?

Dirk Heidenblut: Wir haben eine klare Präferenz für unsere Position. Die ist gut und führt zu einer vernünftigen Neuausrichtung. Davon werden wir sicher auch die anderen Parteien überzeugen.

Die Antworten von Dr. Wieland Schinnenburg, drogenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion:

krautinvest.de: Können sich Wähler:innen darauf verlassen, dass im Falle der Regierungsbeteiligung der FDP eine Legalisierung von Cannabis im Koalitionsvertrag aufgenommen und die Legalisierung in der kommenden Legislaturperiode in die Wege geleitet wird?

Dr. Wieland Schinnenburg: Wie in unserem Wahlprogramm festgehalten, fordern wir Freie Demokraten eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Wir setzen uns dafür ein, den Besitz und Konsum für volljährige Personen zu erlauben. Nur mit einem Verkauf in lizenzierten Geschäften und Apotheken können die Qualität kontrolliert, die Weitergabe von verunreinigten Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden. Wenn Cannabis ähnlich wie Zigaretten besteuert wird, können jährlich etwa eine Milliarde Euro eingenommen werden. Zu beachten bleibt jedoch, dass eine zu hoch angesetzte Steuer und damit ein entsprechend hoher Preis nicht zur effektiven Eindämmung des Schwarzmarktes führen wird. Das zusätzliche Geld soll für Prävention, Suchtbehandlung und Beratung eingesetzt werden. Das Verbot von Cannabis kriminalisiert unzählige Menschen, bindet immense Polizeiressourcen und erleichtert durch illegalen Kontakt zu Dealern den Einstieg zu härteren Drogen. Genau dafür werden wir uns in der nächsten Legislaturperiode weiter einsetzen und sind optimistisch, dass sich endlich eine kontrollierte Abgabe umsetzen lässt.

krautinvest.de: Wäre die FDP bereit, die eigenen Standpunkte (vergleichsweise freier Markt) teilweise aufzugeben zu Gunsten der Präferenzen von Bündnis 90/Die Grünen (u.a. strikt regulierter Markt), SPD (u.a. Modellprojekte) oder CDU (gar keine Legalisierung)?

Dr. Wieland Schinnenburg: Auch bei den Grünen, Linken und der SPD ist eine liberalere Haltung gegenüber Cannabis spürbar. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen unseren Positionen: Die FDP fordert, dass Deutschland zum Cannabisexportland wird, das sehen besonders die Linken kritisch. Auch zu den Grünen gibt es Abgrenzungen, weshalb wir uns bei ihrem Cannabiskontrollgesetz enthalten haben. Die Grünen forderten eine zu hohe Besitzmenge (30 Gramm statt 15 Gramm) und nur gentechnikfreies Cannabis. Im Gegensatz zu den Grünen fordern wir außerdem zusätzlich die Möglichkeit der Abgabe über Apotheken, statt nur über spezielle Cannabis-Geschäfte. Sicherlich stehen bis zur Umsetzung der kontrollierten Abgabe noch spannende Diskussionen aus.

krautinvest.de: Unter welchen Bedingungen wäre die FDP bereit, Standpunkte der anderen Parteien zu akzeptieren? Gibt es Präferenzen zu den verschiedenen Positionen?

Dr. Wieland Schinnenburg: Eine reine Legalisierung, ohne kontrollierte Abgabe an Erwachsene über Cannabis-Geschäfte und Apotheken, können wir uns nicht vorstellen, da dadurch der Schwarzmarkt nur aufrechterhalten würde und keine Qualitätssicherung stattfinden kann. Als Freie Demokraten haben wir natürlich auch den Wirtschaftsstandort Deutschland im Blick. Die Cannabisbranche muss faire Bedingungen bekommen, um Deutschland unabhängig von ausländischen Importen zu machen und „Cannabis made in Germany“ zu exportieren. An dieser Position werden wir festhalten.

Die Antwort von Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Drogenpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf unseren Fragenkatalog, der in allen Fällen recht ähnlich war, fällt zwar klar, aber vergleichsweise unverbindlich aus:

“Die Prohibition von Cannabis ist gescheitert. Auf dem Schwarzmarkt gibt es weder Jugend- noch Gesundheitsschutz. Wir Grüne setzen uns für ein Cannabiskontrollgesetz ein, das die gesamte Handelskette von Cannabis reguliert. In Cannabisfachgeschäften, zu denen nur Erwachsene Zutritt haben, soll Cannabis mit einer klaren Deklaration der Inhaltsstoffe sowie der Konzentration der Wirkstoffe abgegeben werden. Dieses Konzept ist auch klar im Wahlprogramm verankert und wird gegenüber anderen Parteien vertreten.”

Auch Die Linke bleibt vage:

“Koalitionsverträge sind Ergebnisse von Verhandlungen mehrerer Partner. Insofern liegt es in der Natur der Sache, dass Vertragsinhalte nicht vor Verhandlungen bekannt sein können. Ich kann Ihnen aber versichern, dass sich Die Linke in möglichen Koalitionsverhandlung mit Nachdruck dafür einsetzen wird, dass unsere Forderungen bezüglich Cannabis Eingang in einen Vertrag finden werden.”

Und bei der CDU?

Erst nach zweimaligem Nachhaken folgt der knappe Verweis auf das aktuelle Regierungsprogramm. Das Unterkapitel auf Seite 65 lautet: “Keine Drogen legalisieren.” Die CDU lehnt dort eine Legalisierung illegaler Drogen ab.

Fazit

Eine Legalisierung von Cannabis kommt für die CDU weiterhin nicht in Frage. Stellt die CDU den Kanzler, dürfte es für hiesige Unternehmen keinen legalen Recreational-Markt geben. Grüne, SPD oder FDP werden ihre Legalisierungs-Bestrebungen nicht durchsetzen können – eventuell kommt es zu Modellprojekten. Außerdem dürfte es in Koalitionsverhandlungen mit der CDU andere Themen geben, die den Parteien wichtiger sind – etwa Steuern, Klima, Corona, das Regulieren von Tech-Konzernen oder die Außenpolitik.

Entsprechend macht Kirsten Kappert-Gonther ihre inhaltlichen Präferenzen zwar klar und deutlich, verspricht aber lediglich das eigene Konzept gegenüber anderen Parteien zu “vertreten”, wohlgemerkt nicht “durchzusetzen”. Wieland Schinnenburg stellt analog hierzu klar, dass die FDP sich für den legalen Verkauf “einsetzt”.

Anders sieht es in jeder Konstellation ohne die CDU aus. “Unter den Parteien, die für eine Neuausrichtung sind, gibt es einen gemeinsamen Willen gibt, diese auch zu erreichen”, sagt Heidenblut. Schinneburg spricht davon, dass auch “bei den Grünen, Linken und der SPD eine liberalere Haltung gegenüber Cannabis spürbar” ist. Am wahrscheinlichsten scheint dabei ein staatlich streng regulierter Markt, der aber durchaus unternehmerische Aktivitäten ermöglicht.

Tipp: Auf der ICBC dreht in einem Panel am 26. August 2021 (10.15 Uhr) alles um die Zukunft des deutschen Cannabis-Markts. Es diskutieren Jürgen Neumeyer vom BVCW, Dr. Wieland Schinnenburg (FDP), Erwin Rüddel (CDU), Burkhard Blienert (SPD), Niema Movassat (Linke), Werner Graf (Grüne). krautinvest.de ist Medienpartner, Leser:innen erhalten Rabatt mit den Codes MJUVIPGIF (Global Investment Forum) und MJUVIPB2B (ICBC).

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