Cannabis-Entkriminalisierung sofort? Der Tenor aus dem Bundestag

Vor- und Nachteile der Entkriminalisierung ohne Legalisierung

by Moritz Förster

Angesichts eines Vorstoßes der Linken zur umgehenden Entkriminalisierung von Cannabis berieten im Bundestag einige Experten, wie Cannabis zukünftig reguliert werden kann. Das wichtigste in aller Kürze:

Nimmt der Cannabis Konsum in Ländern zu, in denen Cannabis legalisiert wurde?

Justus Haucap, Ökonom und Professor der Heinriche Heine Universität in Düsseldorf, erklärt in einem Statement, es gebe keine Evidenz dafür, dass eine Legalisierung kausal für eine Zunahme von Cannabis sei.

Sind Jugendliche besser geschützt?

Haucap: “Interessanterweise scheint gerade der Problemkonsum von Jugendlichen nach einer Legalisierung tendenziell eher ab- als zuzunehmen, zumindest aber scheint er nicht anzusteigen. Erstens ist denkbar, dass Cannabis-Konsum für einige Jugendliche weniger interessant ist, wenn dieser für Erwachsene legal ist. Zweitens ist aber auch zu erwarten, dass es nach einer Legalisierung und dem Schrumpfen des Schwarzmarktes weniger illegale Dealer gibt.” Zudem weist Haucap auf die bessere Qualität hin. Selbst wenn Jugendliche mehr Cannabis konsumieren würden, gäbe es in einem regulierten Markt eine besseren Qualitätskontrolle. Die Beimischung anderer gesundheitsschädlicher Substanzen würde verhindert.

Erreicht die Bundesregierung mit einer Entkriminalisierung ohne Legalisierung der Wertschöpfungskette ihre Ziele?

Haucap glaubt nicht, dass eine Entkriminalisierung ohne Legalisierung den Schwarzmarkt zurückdrängen könne. Im Gegenteil: “Im schlechtesten Fall kommt es sogar – zumindest temporär – zu einer Ausdehnung des Schwarzmarktes, auch weil nach einer Entkriminalisierung eine Tendenz zum vermeintlich ungefährlichen ‘Probekonsum’ bestehen mag.” Auch könne eine Entkriminalisierung ohne Legalisierung “nach wie vor keinen wirksamen Jugend- und Verbraucherschutz gewährleisten.”

Dem pflichtet auch Robin Hofmann bei,  Assistenzprofessor Strafrecht und Kriminologie: “Eine Entkriminalisierung von Genusscannabis ist mit Blick auf den Jugend- und Gesundheitsschutz sowie zur Reduzierung des Cannabis-Schwarzmarktes nicht zielführend.” Zudem fürchtet Hofmann, dass der Gesetzesentwurf der Linken vor dem EuGH nicht standhalten würde: “Die konkrete Ausgestaltung des Gesetzentwurfs ist hinsichtlich der Legalisierung des Besitzes einer Menge von 30g Cannabis zu Genusszwecken weder völker- noch europarechtskonform.” Seine Quintessenz: Eine konsequente Legalisierung sei einer Entkriminalisierung vorzuziehen. Hofmann fürchtet gar eine Ausweitung des Schwarzmarktes bei reiner Entkriminalisierung.

Auch der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) pflichtet dieser Auffassung bei: “Ohne eine gleichzeitige Schaffung von legalen und qualitätsgesicherten Erwerbsmöglichkeiten, könnte eine Entkriminalisierung als Nebeneffekt den Schwarzmarkt fördern und die damit einhergehende grundlegenden Probleme – wie z.B. unkontrollierte Qualität, Verunreinigungen, Beimengungen anderer Substanzen, u.a. – blieben erhalten.”

Muss trotzdem umgehend entkriminalisiert werden?

Kai-Friedrich Niermann, Vorstand von Leap Deutschland kritisiert, dass die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel zwar angestrebt werde, ein klarer Zeitplan aber bis dato nicht stehe und die Strafverfolgung von Konsumierenden ungebremst weiter gehe: “Schätzungsweise jährlich 180.000 polizeiliche Ermittlungsverfahren und knapp 65.000 strafrechtliche Verurteilungen wegen konsumnaher Delikte des Erwerbs und Besitzes von Cannabis nach dem Betäubungsmittelgesetz sind ein rechtspolitischer Skandal und nicht länger hinnehmbar.” Niermann weiter: “Millionen von Cannabiskonsument*innen würden täglich durch die Strafandrohung im Betäubungsmittelgesetz kriminalisiert, und in ihren persönlichen Freiheitsrechten eingeschränkt. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind oftmals gegen ihren Willen gezwungen, das alte Recht so lange anzuwenden, solange es gilt.”

Dem pflichtet auch Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband bei: “Über 80% der Strafverfahren wegen Cannabis richten sich gegen Konsumenten, im Durchschnitt ca. 500 Strafverfahren pro Tag. Seit Beginn der Ampelregierung gab es demnach deutlich über 200.000 weitere Strafverfahren im Krieg gegen Cannabiskonsumenten.” Wurth pocht darauf: “Drogenpolitik ist nicht nur Gesundheitspolitik, sondern auch ein Bürgerrechtsthema.” Wurth hält eine Entkriminalisierung, durch die Ergänzung im BtmG, dass der Besitz einer bestimmten Menge nicht strafbar sei, für kompatibel mit dem Europarecht. Schließlich habe Malta bereits den Besitz geringer Mengen bereits legalisiert. Auch der Bundesrat müsse nicht zustimmen.

Auch das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung hält eine Enkriminalisierung von Cannabis “angesichts des relativ geringen Schadensprofils als angemessen”. Mit Verweis auf den liberalen Umgang mit Alkohol könne, so die Autoren, eine Cannabis-Prohibition nicht begründet werden. “Der vorliegende Gesetzentwurf (der Linken, Anmerkung) führt daher eine bundesweit einheitlich geregelte geltende Menge von Cannabis oder Cannabisharz sowie Cannabispflanzen ein, deren Besitz beziehungsweise Anbau erlaubt ist”, begrüßt der Direktor des Instituts, Professor Heino Stöver, den Vorstoß der Linken.

Mehr zum Thema

1 comment

Tim Barton März 20, 2023 - 8:17 pm

Guter Artikel. Es muss endlich entkriminalisiert werden und hoffe, dass das möglichst bald passiert. Vielleicht ja sogar schneller, als wir vielleicht denken, wenn der Gesetzesentwurf/die Gesetzesentwürfe veröffentlich werden.

Reply

Leave a Comment