Baustellen der Cannabis-Branche? Linus Weber: “Wir sind dran!”

by Moritz Förster

Linus Maximilian Weber, Gründer und Geschäftsführer von Nimbus Health, spricht über die Entstigmatisierung, verrät wieso er als Angestellter eines Pharmakonzerns den Sprung ins Gründerdasein wagte und seine Hoffnung auf ein Ende der Lieferengpässe. In unserem Steckbrief stellen wir regelmäßig Europas Cannapreneure und Cannabis-Experten vor.

Wann hast Du zum ersten Mal gedacht: “Mensch, ich muss in der legalen Cannabisindustrie aktiv werden!”? Was hat dich veranlasst, voll und ganz in die Cannabis-Industrie einzusteigen?

Begonnen hat mein Interesse als ich Anfang 2017 einen Cannabis-Patienten in den USA getroffen habe. Er hat mich über seine Therapie und die generellen Einsatzmöglichkeiten von Cannabis als Arzneimittel informiert. Vorher hatte ich selbst nur das Bild einer illegalen Droge im Kopf und kann auch deshalb Ärzte verstehen, die mit dem Stigma zu kämpfen haben. Zurück in Deutschland ließ mich das Thema nicht mehr los und ich habe angefangen, Fragen zu stellen, und mir Expertenmeinungen eingeholt. Mir wurde klar, dass nur Wenige über ein umfassendes Wissen über Cannabis und dessen Wirkung verfügen. Die Contra-Seite bezog sich immer wieder auf die fehlende Evidenz und die Pro-Seite zog Beispiele heran, wie Cannabis im Einzelfall wirkte. Nahezu alle Unternehmer, die ich auf dem Cannabis-Markt in Deutschland und international bis dato gesehen habe, fokussieren sich meines Erachtens zu sehr auf folgende Ziele: größer, weiter, schneller. Allesamt Aspekte, die diesem jungen medizinischen Bereich mit seinen enormen Möglichkeiten aktuell nicht gerecht werden. Mit diesen Erkenntnissen habe ich mich 2018 dazu entschieden, als pharmazeutischen Distributor in Deutschland zu starten, der vorrangig die Patientenbelange in den Vordergrund stellt. Mit meinem Fachwissen aus dem Betriebswirtschaftsstudium und meiner Tätigkeit bei einem pharmazeutischen Dax-Unternehmen möchte ich mit meinem Ansatz eine neue Ausrichtung und Kultur entstehen zu lassen. Ich denke dabei an die jungen Unternehmer, die sich im Pharmamarkt etablieren wollen.

Rückblickend auf die vergangenen Jahre in der Industrie: Was sind bisher für dich persönlich deine Highlights?

Für mich persönlich waren die größten Highlights die vielen hochinteressanten Gespräche mit internationalen Wissenschaftlern, der Aufbau eines hoch motivierten und kompetenten Teams und natürlich auch der Verkauf der ersten 100 Kilogramm Cannabis in Deutschland, womit circa 3.500 Patienten versorgt werden konnten. Aber das ist nicht das einzige, wir erhielten das Zertifikat für unser eigenes Betäubungsmittellager und konnten Auslandsinspektionen von Kanada bis Neuseeland durchführen.

Und was sind Deiner Meinung nach die wichtigsten bisherigen Entwicklungen und Ereignisse in der Cannabis-Industrie der letzten fünf Jahre?

Als signifikanter Schritt ist sicherlich das Gesetz „Cannabis als Medizin“ zu nennen, wodurch es einfacher wurde, Patienten in Deutschland zu helfen und besser mit Cannabis zu versorgen. Auf internationaler Ebene gibt es vergleichbare Gesetzesänderungen. Darüber hinaus ist aber auch wichtig, dass die Entstigmatisierung voranschreitet und sich immer mehr Ärzte mit der Cannabis Therapie auseinandersetzen. Auf der Apotheker-Seite wurde mittlerweile sogar ein Verband gegründet, in dem wir als erster zertifizierter Großhändler Fördermitglied wurden.

Zwischen internationalen Märkten und Schattenwirtschaft: Woran entscheidet sich Deiner Meinung nach, ob die europäische Cannabis-Industrie durchstartet?

Ich glaube, das ist keine „ob“-Frage mehr, wir sind bereits dabei durchzustarten und werden in diesem Jahr einen Umsatz von mehr als 200 Millionen Euro in Deutschland messen können. Außerdem haben wir gesehen, dass Deutschland mit seiner sinnvollen Cannabis-Gesetzgebung ein Tor nach Europa darstellt. Wir sehen uns hier als Treiber und Vorbild. Die Wirksamkeit von Cannabis und die Zufriedenheit der Patienten wird auch in andere Länder ausstrahlen. Auch jetzt zu Covid-19-Zeiten zeigen wir in Deutschland täglich, welch hohen Standard das deutsche Gesundheitssystem hat – die Prozesse funktionieren. Auch bei der Cannabisversorgung, denn in keinem anderen Land gibt es zum Beispiel eine vergleichbare Kostenübernahme. Natürlich können auch unsere Gesetze noch optimiert werden. Das können wir dadurch beeinflussen, indem wir weiter forschen, die enormen medizinischen Anwendungsmöglichkeiten aufzeigen und unsere Vision realisieren, so dass Cannabis noch mehr Anerkennung als pflanzliche Alternative neben der Schulmedizin erhält.

Wie kann die Industrie dazu beitragen, dass Wachstum anhält und Cannabis sich als nachhaltige Wirtschaft etabliert?

Neben den bereits genannten Maßnahmen müssen kurzfristig Lieferengpässe vermieden und konsistente Produkte in kontinuierlich wachsenden Mengen zur Verfügung gestellt werden, um weiter Vertrauen zu gewinnen. Zudem müssen die medizinischen Verwendungszwecke und Einsatzmöglichkeiten den Ärzten mit Informationsmaterial und in Schulungen intensiver vermittelt werden. Apotheker müssen ebenfalls besser involviert werden und die Identitätsprüfung sollte vereinfacht werden – es gibt einige Baustellen die wir noch zu bearbeiten haben – eins kann ich sagen: Wir sind dran!

Wer sind für Dich die drei Personen, denen die europäische Cannabis-Industrie in den vergangenen fünf Jahren am meisten zu verdanken hat?

Man muss bedenken, wie hart einige Patienten gemeinsam mit Ihren Ärzten in der Vergangenheit dafür kämpfen mussten, um Cannabis als Medizin zu erhalten. Bei der Stigmatisierung, die bis in die obersten Gremien in Deutschland hineinragt, war dies ein langer und steiniger Weg. Deshalb sind es nicht drei, sondern eine große Gruppe: die Patienten.

Was sind Deine unternehmerischen Ziele in Sachen Cannabis in den nächsten drei Jahren?

Erstens: Umsetzung einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen auf Indikationsebene ohne Einzellfallprüfung. Zweitens: Kontinuierliche Versorgung von Cannabis Produkten nach dem Bedrocan Vorbild. Drittens: Verbesserung der Studienlage zum Einsatz von Cannabis in der Medizin.

Welcher Markt und welches Thema ist in Sachen Cannabis Deiner Meinung nach aktuell am spannendsten? Warum?

Der pharmazeutische Cannabis-Markt, weil wir mit weiterer Forschung immer passendere und auf den Patienten zugeschnittene Therapieformen anbieten können.

Welches Buch legst Du allen Cannabis-Unternehmern als Pflichtlektüre ans Herz?

Ich empfehle jedem Unternehmer das Buch: “Good to Great” von Jim Collins.

Beschreibe Dich in drei Adjektiven, die dich am besten charakterisieren:

zuverlässig, ehrlich, positiv

Über Linus Maximilian Weber

Linus Maximilian Weber ist ein erfahrener Business Consultant, Gründer und Geschäftsführer in der pharmazeutischen Industrie. Linus begann seine Karriere bei Ernst & Young in der Compliance & Qualitätsmanagement Beratung bevor er zu Fresenius Medical Care, dem größten Unternehmen auf dem Dialyse Markt weltweit, wechselte. Er ist zertifizierter Projekt Manager und verantwortliche Person für die Arzneimitteldistribution. 2018 hat er nach dem Aufbau des Compliance Management Systems bei Fresenius Medical Care Nimbus Health gegründet und als Geschäftsführer aufgebaut. Nimbus Health ist ein voll lizensierter pharmazeutischer Großhändler mit eigenen Betäubungsmittellager und einer unabhängigen Sales Force, welche Produkte aus dem Nimbus Sortiment Medizinern und Pharmazeuten vorstellt und näherbringt. Nimbus‘ Mission ist es, schwer kranke Patienten in Europa ausreichend mit Cannabis Arzneimitteln aus beständigen und nachhaltigen Quellen zu bedienen und Cannabis als alternative Therapieform zu etablieren.

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