Strafverfolgung von Hanf in Deutschland – aus dem Logbuch eines Strafverteidigers (2019-2024) 

by Gastautor

Ein Gastbeitrag von Kai-Friedrich Niermann, Anwalt bei kfn+

Von der Überforderung des Rechtsstaates mit einem selbstverschuldeten Zielkonflikt (Cannabis-Prohibition vs. Verhältnismäßigkeit)

  • Juni 2018 Staatsanwaltschaft Augsburg 

Weiterveräußerung im Großhandel von 300 g CBD-Blüten an Einzelhändler, Einstellung des Verfahrens gemäß 153 Abs. 1 StPO ohne weitere Auflage im November 2022 wegen geringer Schuld.

  • April 2019, Staatsanwaltschaft Koblenz

Handel mit CBD-Blüten, Angeklagter war zur Tatzeit 22 Jahre alt und Student, Blüten kamen unbehandelt aus Italien und hatten Wirkstoffgehalte von 0,21-0,7 % THC, Anwendung der Ausnahmeklausel nicht möglich, verurteilt am 2.6.2022 vom Amtsgericht zu 9 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, 53.000 € Vermögenseinzug, 50 Stunden gemeinnützige Arbeit. DNA-Identifizierung angeordnet, da vom Angeklagten nach Auffassung des Gerichtes eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen wurde, und die Gefahr neuer einschlägiger Straftaten besteht, Berufung war erfolglos.

  • Mai 2019, Staatsanwaltschaft Freiburg 

Handel mit CBD-Blüten, ca. 10 kg, Staatsanwaltschaft beantragt im Oktober 2020 Strafbefehl mit Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, Einspruch, Amtsgericht verwarnt den Angeklagten im November 2021 wegen fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen bleibt vorbehalten.

  • Mai 2019, Staatsanwaltschaft Baden-Baden

Schweizer Staatsbürger, betreibt CBD-Öl Handel in Deutschland, über viertausend 10 ml CBD-Fläschchen, mehrere Kanister mit Hanfextrakt zur Weiterverarbeitung als CBD-Öl, Verurteilung im Februar 2023 zu 10 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Grundlage der Verurteilung war die juristische Mindermeinung, dass Zubereitungen keine Pflanzenteile sind, die Ausnahmeklausel nicht gilt, sondern die schlichte Anwesenheit von THC im Produkt die Betäubungsmitteleigenschaft begründet. Noch im Februar 2023 Berufung für den Mandanten eingelegt, seitdem Verfahrensstillstand.

  • Juni 2020, Staatsanwaltschaft Düsseldorf

Anderthalb Jahre Handel mit CBD-Blüten, Anklage wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln im Februar 2023, Verfahrenseinstellung in der mündlichen Verhandlung gemäß § 153 StPO ohne weitere Auflage im Mai 2023.

  • Oktober 2020, Staatsanwaltschaft Bayreuth

zwei Geschäftspartner, zur Tatzeit 23 und 28, anderthalb Jahre Handel mit CBD-Blüten im Rahmen einer GmbH, Durchsuchung und Beschlagnahmung sowie Festnahme, zwei Wochen Untersuchungshaft, 25.000 € Kaution. Sicherung eines Vermögenseinzugs in Höhe von 283.000 € durch zahlreiche Pfändungen, Grundbucheinträge, Veräußerungssperren etc. Anklage vor dem Landgericht Traunstein wegen besonderer Bedeutung des Falles, Vorwurf gemeinschaftliches gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Erster Termin im Februar 2023 mit mehreren Sachverständigen (zur Beurteilung der Rauschklausel). Muss nach zwei Stunden wegen Erkrankung eines der Verteidiger abgebrochen werden. Beschwerde gegen den Vermögenseinzug im August 2023 erfolgreich, Einzug beträgt nur noch 32.600 €. Seitdem Verfahrensstillstand.

  • November 2020, Staatsanwaltschaft Darmstadt

Durchsuchung einer der ersten CBD-Shops in Deutschland, Beschlagnahme hunderter CBD-Blütenpackungen und CBD-Öle, nach Akteneinsicht im Dezember 2020 Verfahrensstillstand.

  • Dezember 2020, Staatsanwaltschaft Köln

französischer Staatsbürger mit Wohnsitz in der Schweiz bestellt 60 kg CBD-Blüten in Oregon/USA, und beauftragt UPS mit dem Transport nach Zürich. Das Flugzeug wird in Köln, einem internationalen Logistik-Hub, umgeladen, wobei der Zoll diese Blüten entdeckt. Anklage vor dem Schöffengericht im Oktober 2022 wegen Handel und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, Strafbefehl, 8 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung, Bewährungszeit 3 Jahre, Berufung eingelegt im Oktober 2022, seitdem Verfahrensstillstand.

  • Januar 2021, Staatsanwaltschaft Essen 

4 kg CBD-Blüten aus Italien importiert zum Weiterverkauf in Deutschland, THC-Werte liegen bei 0,7 %, was die Beschuldigten nach eigener Analyse herausgefunden haben, wollen die Ware nach Italien zurückschicken, dabei meldet der Paketdienst die Lieferung an die Polizei. Da die Ausnahmeregelung in Anlage 1 nicht anwendbar ist, Verurteilung durch das Amtsgericht wegen Handeltreibens in nicht geringer Menge zu 9 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung im Juni 2022, Berufung hat keinen Erfolg.

  • 24.3.2021, Staatsanwaltschaft Paderborn

weiterverarbeitender Hanfbetrieb, am Tag des BGH-Urteils im Hanfbarfall und der Veröffentlichung des 54. Sachverständigenausschusses fahren zwei 40-Tonner vor, und es wird  der komplette Warenbestand des Betriebes beschlagnahmt, angefangen bei Hanf-Biomasse in Big-Bags, Abfallprodukten wie Hanfstaub, der bei der Teeproduktion entsteht, bis hin zu Hanfsamenkeksen, Tierfutter und CBD-Öle. Warenwert der beschlagnahmten Produkte ca. 250.000 €. Ein Überseecontainer, in dem Rohhanf gelagert wurde, wurde versiegelt und soll der Einziehung unterliegen. Anfang Juli 2023 Anklage wegen Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Termin Ende Januar 2024 abgesagt wegen mangelnder Vorbereitung des Gerichts und neuer Gesetzeslage, die zunächst abgewartet werden soll.

  • April 2021, Staatsanwaltschaft Fulda

Handel mit CBD-Ölen, drei Gesellschafter einer GmbH, Anklage wegen fahrlässigem Handel mit Betäubungsmitteln, Freispruch im Februar 2023 durch das Amtsgericht Fulda, Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt, seitdem Verfahrensstillstand.

  • Mai 2021, Staatsanwaltschaft Lörrach

Eine Schweizer Firma verschickt 3 kg CBD-Blüten nach Belgien, Transport wird von der Transportfirma über Zollstelle in Süddeutschland durchgeführt, Waren werden beschlagnahmt, da die Zollstelle bereits in Deutschland liegt und eine unerlaubte Einfuhr vorliegen soll, Staatsanwaltschaft beträgt Strafbefehl mit 150 Tagessätzen und einer Geldstrafe von 22.500 €, Einspruch gegen den Strafbefehl, Einstellung des Verfahrens außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 153 StPO ohne weitere Auflage, Waren werden aber vernichtet.

  • Mai 2021, Staatsanwaltschaft Wuppertal 

CBD-Blütenhandel, unterhalb der nicht geringen Menge von ca. 3,5 kg, Staatsanwalt schlägt Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Auflage von 1500 € vor (O-Ton Staatsanwalt: „die leidige CBD-Problematik“), Mandant stimmt zu.

  • November 2021, Staatsanwaltschaft Traunstein

Drei belgische Staatsangehöriger auf dem Weg von Belgien nach Österreich zur Hanfmesse Cultiva, ca. 3 kg CBD-Blüten für die Messe mitgeführt, Anklage wegen unerlaubter vorsätzlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln, verurteilt vom Amtsgericht Altötting am 25.9.2023 zu je 40 Tagessätzen zu je 60 €, Berufung von Mandanten und Staatsanwaltschaft eingelegt, seitdem Verfahrensstillstand.

  • April 2022, Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder 

Handel mit CBD-Blüten, es erfolgte lediglich eine Kontrolle durch die Ordnungsbehörden, die eine Probe einer CBD-Blüte im Landeslabor untersuchen ließ. Keine Durchsuchung und keine Beschlagnahmung, Staatsanwaltschaft schlägt im Juli 2021 vor, Verfahren gegen Zahlung einer Auflage von 300 € gemäß § 153a StPO einzustellen, Mandant willigt ein.

  • Mai 2022, Staatsanwaltschaft Ingolstadt

Ermittlung gegen eine Ladenbesitzerin wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, da CBD-Öle als Funktionsarzneimittel angesehen werden, umfangreiche Argumentation gegen diese Annahme im April 2023, seitdem Verfahrensstillstand.

  • Juni 2022, Staatsanwaltschaft Bonn

Handel mit CBD-Blüten, 3,4 kg, Anklage wegen Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Urteil am 14.8.2023 zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 50 €, Berufung von Staatsanwaltschaft und Mandant eingelegt, seitdem Verfahrensstillstand.

  • September 2022, Staatsanwaltschaft Düsseldorf 

Ermittlungen im September 2022 gegen einen Großhändler von Hanfblättertee, Verdacht auf Handel mit Betäubungsmitteln, umfangreiche Stellungnahme im Oktober 2022, seitdem Verfahrensstillstand.

  • Dezember 2022, Staatsanwaltschaft Lörrach

Anklage wegen bandenmäßigem unerlaubten Handeltreiben (drei Gesellschafter einer GmbH) mit Betäubungsmitteln (CBD-Blüten) im März 2023, Mindeststrafe nicht unter zwei Jahren, Einwendungen gegen die Zulassung der Anklage wegen der anstehenden Gesetzesänderung erhoben, seitdem Verfahrensstillstand.

  • Februar 2023, Staatsanwaltschaft Essen 

Beschlagnahmung von 97 Gläsern gefüllt mit CBD-Blüten in Dampf-Shop, Anklage im Juni 2023 wegen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln, Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage in Höhe von 600 €.

  • März 2023 Staatsanwaltschaft Duisburg

Handel mit 2,2 kg CBD-Blüten, Anklage wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Dezember 2023, Zulassung der Anklageschrift im Januar 2024 und Termin für April 2024.

  • Mai 2023, Staatsanwaltschaft Marburg 

Durchsuchung eines Großhändlers im Mai 2023, Wirkstoffanalyse in Auftrag gegeben, seitdem Verfahrensstillstand.

  • Mai 2023, Staatsanwaltschaft Mannaheim 

Durchsuchung einer Tankstellenkette, Beschlagnahmung von CBD-Blüten, Wirkstoffanalyse in Auftrag gegeben, seitdem Verfahrensstillstand.

  • Juni 2023, Staatsanwaltschaft Bielefeld

Handel mit CBD-Blüten unter 0,07 %, Anklage zum Amtsgericht Paderborn (Schöffengericht, Straferwartung bis zu 4 Jahren) wegen gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln im Dezember 2023. Begründung: der THC-Gehalt sei zwar zu gering, um sich damit zu berauschen, aber es sei mit einfachen Mitteln möglich, CBD in Delta-9 und Delta-8 THC umzuwandeln, deshalb könne ein Missbrauch zu Rauschzwecken ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Einwendungen gegen die Klageschrift erhoben, seitdem Verfahrensstillstand.

Über Kai-Friedrich Niermann

Kai-Friedrich Niermann ist seit 2003 Rechtsanwalt und berät seit 2018 die nationale und internationale Cannabis-Industrie, mit dem Schwerpunkt regulatorische Anforderungen und Wirtschaftsstrafrecht. Er spricht regelmäßig auf internationalen Cannabiskonferenzen zu Themen des deutschen und europäischen Rechtsrahmens für Cannabis. Kai veröffentlicht auch Artikel bei Krautinvest, BusinessCann und in juristischen Fachzeitschriften. Kai und sein Büro KFN+ beraten große CBD- und medizinische Cannabis Unternehmen, als auch Unternehmen, die am entstehenden Freizeit-Cannabis Markt interessiert sind. Außerdem ist er Berater der European Industrial Hemp Association (EIHA), die einen Gemeinschaftsantrag für eine Zulassung als Novel Food für verschiedene CBD-Produkte bei der EU-Kommission eingereicht hat. Er ist Mitglied des Advisory Boards der International Cannabis Bar Association (INCBA) und im Vorstand von LEAP Deutschland e.V.

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