Medizinisches Cannabis und Umweltschutz

Ein Gastbeitrag von Dr. Barbara Lindberg

by Gastautor

Auch an die Pharmaindustrie wird die Erwartung geäußert, sich so aufzustellen, dass mittelfristig CO2-Neutralität erreicht wird. Viele haben damit bereits begonnen und setzen dabei nicht nur bei den Produktionsprozessen an, sondern auch bei den Produkten selbst. Medizinisches Cannabis ist dafür ein gutes Beispiel. Denn nicht nur die Hanfproduktion kann umweltfreundlich realisiert werden, sondern nahezu alle Teile der Pflanze sind wertschöpfend verwendbar.  

Die Pharma- und Life Science-Branche schaffen in Form von medizinischen Produkten, welche die Grundlage für die Gesundheit der Gesellschaft und für globalen Wohlstand bilden, einen Mehrwert für die Menschheit. Die schnelle und erfolgreiche Reaktion der Industrie während der COVID-19-Pandemie belegte noch einmal eindrücklich diese Schlüsselrolle. Bereits heute ist diese Branche stark reguliert. Das wachsende Interesse von Regierungen und internationalen Institutionen an dem Thema Nachhaltigkeit wird dazu führen, dass die Regulierung weiter zunimmt, sei es in Form einer CO2-Steuer, Preisregulierungen oder zum Beispiel durch Beschränkungen der Anwendung von Antibiotika und Insektiziden in der Landwirtschaft.

Zu den wichtigsten Aspekten im Bereich Umweltschutz gehören der hohe Energieverbrauch, den die Erzeugung von Medikamenten verursacht, die globalen Lieferketten, Rückstände bei der Produktion pharmazeutischer Produkte und große Mengen an Verpackungsmaterial. Aktuell durchlebt die Branche den Wandel von traditionellen Wertschöpfungsketten hin zu einem patientenzentrierten Geschäftsmodell.

Medizinisches Cannabis – ein weitgehend nachhaltiges Arzneimittel

Im Vergleich zu vielen anderen Arzneimitteln ist medizinisches Cannabis ein noch junges Medikament, dessen Wert für viele Therapien aktuell mehr und mehr entdeckt wird. Es steht stellvertretend für die Tatsache, dass in vielen Pflanzen ein hohes medizinisches Potential steckt, und belegt, welchen Wert es haben kann, dieses Potential zu heben. Zu den Vorteilen dieser jungen Medikamente zählt auch, dass die Herstellung von vornherein auf ein Fundament gesetzt werden kann, welches ein nachhaltiges, umweltfreundliches Handeln ermöglicht. Dies natürlich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, die hinsichtlich der Medikamenten- und Patientensicherheit den Möglichkeiten eines komplett nachhaltigen Handelns Grenzen setzen. Ein Beispiel: Der zum Teil umfangreiche Beipackzettel könnte leicht durch eine digitale Version ersetzt werden, was aber aktuell per Gesetz nicht erlaubt ist.

Was allerdings möglich wäre, ist die weitere Optimierung des Verpackungsmaterials. Jeden Monat werden rund 100.000 Verpackungsdosen medizinischen Cannabis allein von Herstellerseite ausgegeben. Diese werden durch die im Arzneibuch vorgeschriebene Umfüllung innerhalb der Apotheke als Teil des Herstellungsprozesses mit weiteren Verpackungen ergänzt. Da Apotheken in Deutschland dazu angehalten sind, sogenannte Rezepturarzneimittel vor der Abgabe an die Patientinnen und Patienten in eine andere Abgabedose umzufüllen, entsteht quasi die doppelte Menge an Verpackungsmüll. Wenn man aber größere Verpackungen mit einer größeren Medikamentenmenge erzeugt, kann der Materialbedarf für das Packaging und damit der CO2-Fußabdruck gesenkt werden. Generell sollten die Produkte (Verpackungen, Spritzen, Dosen, Tuben, Flaschen etc.) so umweltfreundlich wie möglich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für die pharmazeutische Industrie gestaltet sein. Auch sollte der Druck von Verpackungen, Broschüren und Papieren möglichst auf zertifiziertem nachhaltigem Papier und mit umweltfreundlichen Farben realisiert werden.

Medizinisches Cannabis wächst meist in Treibhäusern

Damit medizinisches Cannabis den geforderten medizinischen Standards entspricht, kann die Cannabis-Pflanze nicht einfach irgendwo auf der grünen Wiese angebaut werden, sondern muss unter kontrollierten Bedingungen in speziellen Farmen und dort in Gewächshäusern wachsen. Diese Gewächshäuser sind Hightech-Anlagen und brauchen meist eine Menge Strom aufgrund von Hochleistungslüftern, Wärmelampen oder automatischen Bewässerungssystemen. Zudem kann die künstliche Bewässerung die vorhandenen Ressourcen belasten. In manchen Teilen der Welt trägt außerdem Brandrodung zur schlechten Klimabilanz von Cannabis bei.

Ethypharm ist bei medizinischem Cannabis beispielsweise deswegen eine Partnerschaft mit Clever Leaves eingegangen, weil dieses Unternehmen umweltfreundlich produziert. Es betreibt auf seinen Farmen eine nachhaltige Landwirtschaft mit innovativen Betriebsabläufen und optimalen Umweltbedingungen, um die Auswirkungen auf die Umwelt auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette zu verringern. So werden die meisten seiner Pflanzen in Äquatornähe angebaut, wodurch sie das ganze Jahr über täglich zwölf Stunden Sonnenlicht erhalten, was die Notwendigkeit künstlicher Beleuchtung minimiert. Zusätzlich besteht die Beleuchtung aus LED-Lampen, was den Energieverbrauch reduziert. Cannabis braucht immer viel Licht, um ergiebig zu wachsen. 

Spezielle Kompostierungsverfahren, die eingesetzt werden, fördern die Bildung von Mikroorganismen, welche Pflanzenkrankheiten ohne den Einsatz schädlicher Pestizide lindern. Zudem erhöhen sie die Verfügbarkeit von Nährstoffen und sorgen für gesündere Wurzeln und Pflanzen. Da es in der Nähe des Äquators oft und ausgiebig regnet, können die Bewässerungssysteme der Gewächshäuser mehr als 70 Prozent recyceltes Regenwasser verwenden, wodurch kostbares Gewässer- und Grundwasser eingespart wird. 

Hanf ist ökologisch sehr wertvoll

Laut Ökolandbau.de hat der Rohstoff Hanf viele ökologische Vorteile. Hanf ist eine robuste Pflanze. Mit seiner Pfahlwurzel holt es Wasser auch aus tiefen Bodenschichten. Das Blätterwerk ist so dicht, dass Beikräuter wenig Licht bekommen und eingehen. Deswegen muss Hanf nicht mit Herbiziden gespritzt werden, unter denen dann unmittelbar die Insekten und letztlich auch die Menschen leiden. Die Pflanze ist gegen Pilzbefall resistent und benötigt keine chemischen Fungizide. 

Die Hanffasern, die aus den dicken Stängeln der Pflanze gewonnen werden, sind äußerst widerstandsfähig. Das bekannte Hanfpapier kann deswegen häufiger recycelt werden als Papier, was günstig für den Stoffkreislauf ist. Und die Fasern können unter anderem zu Hanfseilen, Dichtungsmaterial, Innenverkleidungen von Autos und zu Textilien wie beispielsweise Kleidung, Matratzen, Handtüchern und Rucksäcken sowie zu Baustoffen wie Betonersatz oder Dämmwolle oder Brettern, aus denen dann Möbel entstehen, verarbeitet werden.

Die Hanfsamen sind reich an Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen und ungesättigten wie gesättigten Fettsäuren und werden zum Beispiel für Brotaufstriche, Schokolade oder in Brot verwendet. Sein Öl wird weiterverarbeitet in Kosmetika wie Shampoo, in Lacken und Farben. Die Tenside in den Samen lassen sich für biologisches Waschmittel verwenden. Die Pflanzenreste sind als Biomasse für die Energieproduktion verwendbar oder dienen als saugfähiges Streu für Haustiere.

Dem Umweltschutz verpflichtet

Unternehmen erkennen zunehmend, dass sie langfristig nur dann erfolgreich sein können, wenn sie nicht nur wertvolle Medikamente produzieren, sondern die gesamte Wertschöpfungskette umweltverträglich gestalten. Hierzu gehört beispielsweise auch die bevorzugte Zusammenarbeit mit umweltfreundlich produzierenden Partnern. Nicht immer ist das bereits ausreichend. Sinnvoll ist zudem der Anschluss an ein Zertifizierungsprogramm, in dem man sich an CSR-Referenznormen orientiert, wie es beispielsweise Ethypharm mit LUCIE 26000 gemacht hat Das LUCIE-Label orientiert sich an den sieben zentralen Themen der internationalen CSR-Referenznorm ISO 26000: 

  • Umsetzung einer verantwortungsvollen Unternehmensführung 
  • Respektieren der Menschenrechte
  • Entwicklung von verantwortungsvollen Arbeitsbeziehungen und -bedingungen
  • Umwelt gerechtes Handeln  
  • Entwicklung einer Ethik für die Geschäftsbeziehungen
  • Respektieren der Interessen von Verbrauchern/Patienten
  • Berücksichtigung des lokalen und globalen Interesses 

Letztlich sollte hinter allen Unternehmensaktivitäten und -anstrengungen das Ziel sichtbar sein, die Treibhausgasemissionen deutlich zu senken und mittelfristig ein weltweit klimaneutrales Unternehmen zu werden. Dafür sollten jedoch frühzeitig die ersten Pflöcke eingeschlagen und der fruchtbare Boden hierfür bereitet werden.

 

Über die Autorin:

Dr. Barbara Lindberg ist seit 2019 Medical Marketing Director von Ethypharm Deutschland und verantwortet das gesamte Produkt- und Unternehmensmarketing. Zuvor war sie unter anderem Clinical Operations and Medical Affairs Director OUS bei Eolas Pharma Teoranta, Marketing Director International bei Ayrton Saunders/Pharmasol/JML und Marketing Director bei Mallinckrodt Pharmaceuticals. Zu ihren Spezialgebieten gehören die Therapiebereiche Infektionskrankheiten, Frauengesundheit, Diabetes, Neurologie, Psychiatrie, Rheumatologie, Anästhesiologie, Nephrologie, autoimmunologische und seltene Krankheiten, Schmerztherapie und Medizinisches Cannabis.

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