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Leitet das Bundesverfassungsgericht die Cannabis-Legalisierung ein?

Leitet das Bundesverfassungsgericht die Cannabis-Legalisierung ein?

Mit Spannung wird in den kommenden Wochen oder Monaten ein Urteil des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erwartet: Auf den ersten Blick steht die Frage im Raum, ob mehrere Paragraphen des Betäubungsmittelgesetz in Sachen Cannabis verfassungswidrig sind. Kurzum: Das BVerfG könnte Cannabis entkriminalisieren. Wenn man allerdings Professor Kai Ambos lauscht, kann die Tragweite der Entscheidung weit größer – und das Zünglein an der Waage – sein, um zu rechtfertigen, dass die Bundesregierung Cannabis als Genussmittel im Einklang mit internationalem und europäischem Recht als Genussmittel legalisiert.

Doch der Reihe nach: LTO berichtet dass nach der Auffassung dreier Amtsgerichte einige Paragraphen, “soweit sie den Besitz von Cannabisprodukten unter Strafe stellen, eine Vielzahl von Grundrechten und verfassungsrechtliche Vorgaben” verletzen könnten. Ambos verweist in seiner Video-Schalte mit der Organisation Leap, die sich für eine humanitäre Drogenpolitik einsetzt, in diesem Zusammenhang unter anderem auf Paragraph zwei des Grundgesetzes, auf die dort festgeschriebene Handlungsfreiheit. Sollte das BVerfG zu dem Entschluss kommen, dass der Konsum von Drogen verfassungsrechtlich möglich sei, würde sich dies seines Erachtens auch unmittelbar auf die Vereinbarkeit mit den UN-Konventionen auswirken.

Denn der in den Konventionen explizit nieder geschriebene “Verfassungsvorbehalt” räume Mitgliedsstaaten einen Spielraum ein. So schränkt die Wiener Konvention in Artikel drei, das Bestrafen von Besitz und Konsum von Drogen durch den Passus ein: “vorbehaltlich ihrer Verfassungsgrundsätze und der Grundzüge ihrer Rechtsordnung”. Ambos kommt daher zu dem Schluss: “Es wäre extrem hilfreich, wenn Karlsruhe entscheiden würde: Die Verfassung fordert liberale Drogenrechte.”

Dass das BVerfG 1994 bereits entschieden hatte, dass dem nicht so ist, erachtet der Strafrechtler und Experte für internationales Strafrecht nicht als K.O-Kriterium. Die Zeiten hätten sich geändert. Heutzutage wisse man, dass die Prohibitionspolitik kontraproduktiv sei. Seine Hoffnung: Im Rahmen eines gesundheitspolitischen Ansatzes muss es möglich sein, im Rahmen der Konventionen ein Modell wie das in Deutschland geplante durchzuführen.

Und da die EU selbst Mitglieder der UN Konvention von 1988 ist, könnte es auch für die Konflikte mit dem Rahmenbeschlussvertrag von 2004 ein wichtiges Zeichen sein, dass Deutschland völkerrechtlich konform agiert. Schlussendlich gelöst sind die regulatorischen Herausforderungen auf europäischer Ebene damit aber nicht. Denn, das stellt Ambos klar, nicht die Kommission, sondern schlussendlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) werden den Daumen über das deutsche Modell heben oder senken – vorausgesetzt, die Bundesregierung bleibt bei ihrer All-In-Strategie und ein Mitgliedstaat zieht vor den EuGH. Das würde Ambos durchaus begrüßen, denn dann würden auch andere EU-Staaten endlich finale Klarheit haben, was möglich ist und was eben nicht. Übrigens hatte auch der Kriminologe Robin Hofmann im Podcast mit Alfredo Pascual ein Urteil durch den EuGH als spannende Option mit schwer vorhersehbarem Ausgang ins Spiel gebracht.

Fraglich allerdings, ob die Bundesregierung diesen Weg geht. Eine Niederlage vor dem EuGH könnte politisch Stimmen kosten – selbst wenn das Urteil Klarheit und Mehrwert für viele Entscheider in ganz Europa bringt. Es bräuchte Mumm, auch im Falle einer Niederlage für seine hehren Absichten gerade zu stehen.

Die große Zwickmühle, die es für Karl Lauterbach zu meistern gilt, bleiben seine mit der Legalisierung von Cannabis verbundenen gesundheitspolitischen Versprechen. Denn eine reine Entkriminalisierung – und an dieser Stelle dürften auch die Meinungen der meisten Leap-Mitglieder und Ambos auseinandergehen – trägt alleine kaum zum Erreichen von Jugendschutz und Produktqualität bei – und damit zum Gesundheitsschutz von Konsument:innen. Dafür bräuchte es schließlich staatlich kontrollierte Produkte und eine Abgabe mit strenger Alterskontrolle und das erfolgreiche Zurückdrängen des illegalen Marktes.

Genau diese Argumentation dürfte eine erhebliche Rolle spielen. Denn die Bundesregierung betont bereits unermüdlich, dass nur eine Legalisierung des gesamten Marktes den gesundheitspolitischen Zielen dienen kann. Eben jenen Zielen, die eigentlich auch durch die völkerrechtlichen Verträgen erreicht werden sollen. Aber bekanntlich führen ja mehrere Wege nach Rom – und andere entpuppen sich im Nachhinein als Irrweg. Ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgericht vorausgesetzt, dass die Kriminalisierung des Cannabis-Konsums als verfassungswidrig erklärt, könnte der Bundesregierung daher in die Karten spielen, um aus gesundheitspolitischen Gesichtspunkten auf internationaler und europäischer Ebene für eine komplette Legalisierung zu werben. Alle anderen halbgaren Lösungen können kontraproduktiv sein. Das hat auch die verzwickte Lage in den Niederlanden gezeigt. Nur steht der Ausgang des Urteils noch in den Sternen. Um es mit Ambos Worten zu sagen: “Rechtliche Normen auszuorten, ist immer ein dynamischer Prozess.”

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